Aus
bekannten Gründen geht es bei uns dieses Jahr nicht ins Ausland -
sondern an die Müritz! Für meine 8-Jährige Tochter, hauptberuflich
Leseratte, würde ich gern als Überraschung ein nette Buch mitnehmen!
Antwort
144:
Müritz-Spannung!
Kerstin Groeper: "Abenteuer an der
Müritz. Lilly und Nikolaus und die verbotene Insel"
Von Susan Müller
Es
ist wieder soweit. Freie Tage mit der Familie bedeuten ganz sicher
Abenteuer. Nikolas´ und Lillys Eltern haben immer einen Plan im
Gepäck, der keine Langeweile aufkommen lässt. Doch auch ohne Plan
würden die Kinder etwas erleben. Diesmal lernen sie Brandon, Karl,
Carla und Sven kennen, mit denen sie spielen. Mit denen entdecken
sie auch die Lichter auf der Insel, die vielleicht zu den
Vogelforschern gehören. Ob die abends noch viel sehen? Was hat es
mit Lillys Entdeckung im See auf sich? Ihr blickte doch tatsächlich
ein Gesicht entgegen. Viele Erlebnisse rund um Natur, Tiere,
Schlösser und ein spannender Fall für die jungen Detektive runden
den aufregenden Urlaub ab.
Kerstin
Groeper:
„Abenteuer
an der Müritz. Lilly und Nikolaus und die verbotene Insel“
Biber &
Butzemann 2020
128
Seiten, Euro 15,95
ISBN
978-3959160575
Leserfrage
143:
Mein Sohn
hat scheinbar ein großes Lieblingsinteresse –alles Scheußliche rund
um Exkremente. Warum nicht? Gern würde ich ihm ein Buch geben, das
ihn vom Hocker reißt.
Antwort
143:
Ekelspaß
Bärbel
Oftring: „Voll eklig. 55 eklige Dinge und was dahinter steckt“
Von Anne
Spitzner
In
Bärbel Oftrings Buch „Voll eklig!“ geht es, wie schon der Untertitel
verrät, um „55 eklige Dinge und was dahintersteckt“. Das Hauptziel
dabei ist, Dinge, vor denen sich viele Menschen ekeln, so
aufzubereiten, dass sie weniger als eklig und vielmehr als spannend
erscheinen.
Zunächst
führt Oftring in das Phänomen des Ekels generell ein, woher es kommt
und weshalb es häufig auch sinnvoll ist, Ekel zu empfinden.
Anschließend ist jedem „ekligen Ding“ eine Doppelseite gewidmet, und
von A wie Aas über B wie Blut und K wie Körperwürmer bis Z wie
Zecken ist so ziemlich alles dabei, vor was man sich so ekeln kann –
seien es nun Tiere wie Schlangen oder Spinnen oder Produkte des
(eigenen) Körpers wie Spucke oder Erbrochenes.
Zu jedem
Thema gibt es zunächst einen kurzen Text, der dem Leser vor Augen
führt, warum es hier um etwas Ekliges geht. Dabei schafft es Bärbel
Oftring mit explizitem Vokabular und Freude am Detail, sehr
bildliche Szenen regelrecht heraufzubeschwören, und selbst, wenn man
an und für sich kein Problem mit etwas hat, z.B. mit Blut, denkt man
beim Lesen dieser Beschreibungen manchmal „igittigitt“. Man liest
diesen Einführungstext sozusagen mit einem lachenden und einem sich
ekelnden Auge, denn sie sind alle mit einem Augenzwinkern
geschrieben und sagen meist in etwa Folgendes aus: „Hey, das ist
eklig – aber auch irgendwie lustig!“ Gerade Kinder, die ja häufig
einen unheimlichen Spaß an Wörtern wie Furz, Kotze oder Scheiße
haben, werden bei diesen Texten viel kichern.
Zusätzlich
zu diesem klasse geschriebenen Infotext sind auf der Doppelseite
viele weitere Ideen und Informationen untergebracht, die spannend
sind – und es durch die abwechslungsreiche und gelungene Gestaltung
auch bleiben. Hier finden sich bspw. Forscheraufgaben,
Nicht-mehr-ekeln-Tipps oder Aha-Boxen, in denen kurz und knapp
interessante Fakten zum Thema zusammengetragen werden. So erfährt
man beispielsweise, wie Mumien im Alten Ägypten angefertigt worden
sind oder dass Fledermäuse in der Lage sind, Menschen anhand des
Geruchs ihres Ohrenschmalzes zu finden. Unterstützt werden die
Textelemente von Fotos und tollen Illustrationen von Roberta
Bergmann und Tonia Wiatkowski, beispielsweise kann man auf jeder
Seite auch sein persönliches „Ekel-Barometer“ ankreuzen. Es gibt
auch Ekel-Rezepte wie „Blutige Finger“ oder „Algensalat“.
Zu jeder
Seite gibt es auch ein oder zwei Quizfragen (deren Lösungen sich
inkl. Erklärungen am Ende des Buches finden). Zudem gibt es zu jedem
„Ekel-Ding“ mehrere Begründungen, weshalb wir sie als eklig
empfinden. Dabei wird kurz, naturwissenschaftlich korrekt und
knackig erklärt, weshalb z.B. Eiter oft weißlich ist und dass dies
nur darauf hindeutet, dass das körpereigene Abwehrsystem seine
Arbeit macht – und schon erscheint einem alles sehr viel weniger
eklig. Dabei verliert Bärbel Oftring allerdings nie aus den Augen,
dass – wie sie ja auch in der Einleitung schildert – es meist einen
Grund gibt, warum man Ekel empfindet. So wird immer wieder darauf
hingewiesen, dass man beim Umgang Vorsicht walten lassen muss – dass
man etwa beim Untersuchen von Schimmel aufpassen soll, keine Sporen
einzuatmen, oder dass man Aas nicht berühren sollte. Diese
Vorsichtsmaßregeln bleiben allerdings Vorsichtsmaßregeln und keine
Panikmache vor Körperflüssigkeiten o.Ä., was der Botschaft dieses
Buches ja auch gründlich widersprechen würde. Zum Schluss kann man
noch auf drei Siegertreppchen seine persönliche Ekel-Hitparade
zusammenstellen und das ekligste Ekel-Ding küren.
Fazit: Ein
lehrreiches und spannendes Buch, aus dem man sehr viel lernen und
mit dem man vielleicht ein wenig unbegründeten oder übertriebenen
Ekel abbauen kann – mit Texten, in denen der Ekelfaktor großartig
mit viel Liebe zum Detail zelebriert wird, und mit vielen tollen
Ideen zum Forschen, Zeichnen und Entdecken. Klasse Sache!
(Ab 8)
Bärbel
Oftring: „Voll eklig. 55 eklige Dinge und was dahinter steckt“
Haupt
Verlag 2014
149 Seiten,
Euro 14,90
ISBN
978-3258078434
Leserfrage
142:
Ich suche
nach einem Buch mit Sprachspielen und –erkundung, das Kindern ab 10
J. Freude machen könnte
Antwort
142:
Was für
Einfälle!
Martin
Heckmanns: „Konstantin im Wörterwald“
Von Anne
Spitzner
Konstantin
ist schmächtig, stottert, und seine Ohren stehen ab. Das macht ihn
nicht gerade zu einem selbstbewussten Jungen. Aber wenn er liest,
dann ist alles ganz anders, und wenn er schreibt, dann stottert er
nicht, sondern ist mutig und hat die tollsten Einfälle. So macht er
sich auf in den Wörterwald, um wie ein Ritter in einem Märchen das
Ungeheuer zu besiegen und die Prinzessin zu retten.
„Konstantin
im Wörterwald“ von Martin Heckmanns nimmt den Leser mit in eine Welt
aus Wörtern. Und zwar nicht nur so, wie das eigentlich jedes Buch
macht, da ja fast alle Bücher aus Wörtern bestehen, sondern in eine
außergewöhnliche Welt. Hier sind Worte Waffen und Buchstaben
Hinweise, hier machen Worte mutig. So „bezwingt“ Konstantin zum
Beispiel das Untier, indem er es beschreibt. Indem er sagt: „Du
siehst aus wie…“ oder „Du bist kleiner als…“, macht er das Untier
erfahrbar – und nimmt ihm damit seine Ungeheuerlichkeit. Durch die
Macht seiner Worte ist Konstantin dann aber so groß geworden, dass
er nicht durch den Eingang der Höhle passt – und so muss er sich
dumm stellen, bis er wieder weit genug geschrumpft ist, um
hindurchzupassen.
Diese
Einfälle, diese Wort-Spiele auf mehreren Ebenen sind es, die
„Konstantin im Wörterwald“ zu einem so tollen Buch machen. Es ist
tatsächlich nicht die Geschichte – eine Geschichte dieser Art kann
man in jedem zweiten Märchen finden und sogar in vielen
Videospielen. Aber die Art, wie diese Geschichte erzählt wird –
superb! Da blubbert der Fluss einem direkt ins Ohr, man hört die
Bäume rauschen, und man kann die Macht der Worte regelrecht fühlen,
die Konstantin von klein und schmächtig zu groß und mächtig werden
lassen.
Spielereien
wie „das Dickicht war blickdicht“ und Einfälle wie „Konstantin hatte
keine Angst. Das hatte er schriftlich. Das hatte er aufgeschrieben.
[…] Er gehorchte seiner eigenen Vorschrift und trat dem Ungetüm
furchtlos entgegen.“ sind es, die dieses Buch zu einer wahren
Köstlichkeit für Sprachliebhaber werden lassen. Und eine Hommage an
Kafka ist auch noch versteckt, wahrscheinlich sind sogar noch mehr
derartige Zitate eingebaut, die ich nur nicht gefunden habe.
Die Bilder
von Stefanie Harjes verleihen den Worten von Martin Heckmanns noch
mehr Ausdruck. Es sind Strichzeichnungen, in schwarz-weiß gehalten
mit hie und da einem roten Akzent. Hier sieht man Konstantin, den
schmalen Jungen mit den abstehenden Ohren; man sieht ihn dem
Ungeheuer gegenübertreten und man sieht ihn durch den Fluss
schwimmen. All das – und noch viel mehr. Fragen, die sich Konstantin
stellen und die durch das reine Lesen nicht beantwortet werden
können, erhalten durch die Bilder zumindest eine mögliche Antwort.
Ein Beispiel: Als Konstantin in den Fluss springt und sich von
diesem mitreißen lässt, hört er ein Gedicht und wird von einer
unbekannten Stimme dazu gedrängt, an der richtigen Stelle
auszusteigen. Konstantin selbst vermutet, dass letzteres ein Aal
war, den er im Fluss gesehen hat, aber woher das Gedicht kam, weiß
er nicht. Das Bild, das Stefanie Harjes an dieser Stelle vom Fluss
zeichnet, zeigt diesen als Frau, deren Körper der Strom ist, und
lässt so den Schluss zu, dass es der Fluss selbst war, dessen
Gedicht Konstantin gehört hat. So greifen Text und Bilder
ineinander, bieten einander verschiedene Ebenen und bilden eine
Einheit.
„Konstantin
im Wörterwald“ ist ein Buch für Abenteurer, für Sprach-Enthusiasten,
für schüchterne Jungen und Mädchen) und auch für Große ein Genuss.
Macht Spaß und darf gern mehrmals gelesen werden, weil man immer
noch etwas Neues entdeckt!
(Ab 10)
Martin
Heckmanns: „Konstantin im Wörterwald“
Mit Bildern
von Stefanie Harjes
Mixtvsion
2014
80 Seiten,
16 Euro
ISBN
978-3944572116
Leserfrage
141:
Ich würde
mir gern mit meinem Sohn zusammen ein informatives Buch im
Themenbereich Mobilität anschaffen. Es müssen nicht immer Autos
sein!
Antwort
141:
Nicht nur
für Schiffsfreunde
Ian Graham:
„50 Schiffe, die unsere Welt veränderten“
Von Anne
Spitzner
Sie
lassen uns träumen und ins Schwärmen geraten. Sie sind wunderschön,
majestätisch, gewaltig. Auf manche von uns wirken sie sogar mit
unwiderstehlicher Anziehungskraft.
Die Rede
ist von Schiffen – obwohl man natürlich keineswegs alle Schiffe über
einen Kamm scheren kann. Fünfzig ganz besondere Schiffe stellt der
Physiker Ian Graham in seinem Buch „50 Schiffe, die unsere Welt
veränderten“ vor.
Diese
fünfzig Schiffe reichen von der Sonnenbarke des Pharaos bis zum
modernen Tauchboot Alvin. Schlachtschiffe, Segler, Passagierdampfer
und U-Boote – alles ist vertreten. Jedem Schiff werden dabei etwa
zwei Doppelseiten gewidmet, auf denen die Geschichte des Schiffs
erzählt wird. Besonderer Wert wird dabei (natürlich) darauf gelegt,
was das Weltverändernde an diesen Schiffen war: Also zum Beispiel
die Santa María als das Schiff, mit dem Kolumbus Amerika entdeckt
hat, oder die HMS Beagle, auf der Charles Darwin die Forschungsreise
unternahm, die zur Ausarbeitung seiner Evolutionstheorie führte.
Auch technische Neuerungen sind selbstverständlich weltverändernd;
so sind die ersten Schiffe mit Dampfantrieb, die ersten U-Boote, die
diese Bezeichnung auch verdient hatten, oder Flugzeugträger und
atomar angetriebene Schiffe dabei. Auch solche Schiffe wie die
Rainbow Warrior, das (erste) „Kampfschiff“ von Greenpeace, oder die
Torrey Canyon, der erste havarierte Öltanker, werden hier
vorgestellt. In Infoboxen und weiterführenden Texten werden zudem
noch bedeutend mehr als die „Top 50“ erwähnt: Schiffe, die kein
eigenes Kapitel bekommen haben, aber in Zusammenhang mit dem Thema
stehen, wie z.B. die Bathysphäre, mit der die erste bemannte
Tauchfahrt stattfindet und die im Kapitel zum Tauchboot Alvin
vorgestellt wird. Auch Aspekte wie Piraterie, Navigation sowie
natürlich die Biographien beteiligter historischer Persönlichkeiten
finden sich in solchen Zusatzkästen und sind sowohl interessant zu
lesen als auch eine willkommene Auflockerung. So geht es nur im
weitesten Sinne immer nur um Schiffe, und es gibt eine Menge
Anknüpfungspunkte an andere Lebensbereiche.
Auf den
knapp über 200 Seiten des Buches gibt es also eine Menge zu lesen,
zu lernen und zu betrachten; Fotografien, Zeichnungen und Gemälde
bieten dem Auge viele Botschaften, die der bloße Text nicht zu
transportieren vermag. Leider sind manche davon ein wenig klein bzw.
kann man sich auch, was die Schriftgröße anbelangt, des Eindrucks
nicht erwehren, dass dem Buch ein größeres Format gutgetan hätte
(wenn auch die etwa A5-große Ausführung es angenehmer zu halten
macht als ein größeres Buch). Aber das sind Kleinigkeiten, die auch
nur an manchen Stellen auffallen. Leider kann man als interessierter
Laie nicht alle Fachbegriffe kennen; auch ein Glossar hätte dem Buch
also womöglich weitergeholfen, genauso wie eine Übersetzung der
Schiffsnamen, die nicht bei allen Schiffen mitgeliefert wird.
Die Texte
sind kurz und bündig, aber informativ, weder zu faktenlastig noch zu
prosaisch. Sie lassen den Leser regelrecht eintauchen in das Leben
an Bord, egal, ob man das Schicksal des Schiffs (wie z.B. das der
Titanic, die ja natürlich in einem solchen Buch dabei sein muss)
schon kennt oder nicht. Immer wieder trifft man dabei auf
Schiffsnamen, die man schon einmal gehört hat, oder auf
geschichtliche Ereignisse, die einem ein Begriff sind. So verknüpft
sich das neue Wissen leicht mit dem bereits vorhandenen, und man
sieht z.B. einen Containerhafen mit ganz neuen Augen, wenn man
erfahren hat, wie er überhaupt zustande kam.
Am Ende der
meisten Kapitel wird erzählt, wie das entsprechende Schiff (oder
zumindest seine Laufbahn als Wassergefährt) sein Ende fand, denn die
wenigsten der Top 50 sind heute noch auf dem Wasser unterwegs. Viele
dienen als Museumsschiffe, andere sind untergegangen, und wieder
andere wurden einfach abgewrackt – womit sich wieder einmal zeigt,
dass historischer Wert oft erst aus der Rückschau deutlich wird.
Etwas anderes ist jedoch schon jetzt deutlich: Dieses Buch ist
lesenswert! Nicht nur für Schiffsfreunde und Nautiker, sondern für
alle, die schon den Titel interessant finden. Es lohnt sich!
Ian Graham:
„50 Schiffe, die unsere Welt veränderten“
Haupt
Verlag 2018
224 Seiten,
Euro 29,90
ISBN
978-3258080857
Leserfrage
140:
Neben
vielen Natur-Wissensbüchern, die viele Themen enthalten, finde ich
auch immer zu sehr spezifischen Fragen. So zum Beispiel eines zu
Bakterien. Was für ein spannendes Feld!
Antwort
140:
Was
nirgends im Buch erwähnt wird
Idan
Ben-Barak: „Dieses Buch auf keinen Fall ablecken! (Es ist voller
Bakterien)“
Von Anne
Spitzner
Wie
sieht wohl ein T-Shirt von ganz, ganz nah aus? Aus der Perspektive
einer Mikrobe sozusagen? Und wer lebt darauf?
Wer das
wissen will, der sollte „Dieses Buch auf keinen Fall ablecken!“ von
Idan Ben-Barak (Text) und Julian Frost (Bilder) lesen. Der
Untertitel erklärt, warum man das Buch nicht mit der Zunge berühren
soll, denn „Es ist voller Bakterien“. Was man darin lernt, ist
allerdings, dass alles, mit dem wir tagtäglich zu tun haben, voller
Bakterien steckt.
Das
Bakterium bzw. die Mikrobe, mit der man es beim Lesen des Buches
dann genauer zu tun bekommt, ist Mimi, ein kleines blaues Wesen, das
auf den Seiten des Buches lebt (die ganz, ganz nah herangezoomt
werden mit Hilfe echter Rasterelektronenmikroskopaufnahmen). Mimi
langweilt sich, deshalb nehmen Autor und Leser sie mit auf eine
Abenteuerreise und besuchen das T-Shirt, die Zähne und die Haut, wo
sie jeweils andere Mikroben kennenlernen.
Die Idee
ist charmant (so ist z.B. auf der Rückseite des Buchumschlags eine
Stelle, an der man das Buch dann bitte ablecken soll, wenn man denn
unbedingt möchte), und die Zeichnungen sind sehr liebenswert.
Gleichzeitig sehen sie ihren echten Vorbildern so ähnlich, wie das
eben geht, wenn sie noch Gesichter bekommen und ein wenig
vereinfacht werden. Zum Schluss werden die Leser auch darüber
aufgeklärt, wer die Mikroben in Wirklichkeit sind, wie sie heißen
und was sie tun. Was ich jedoch ein wenig unglücklich gewählt finde,
ist die Tatsache, dass die Hauptperson Mimi ein Kolibakterium ist,
also ein Bakterium, das normalerweise im Darm lebt und dazu noch
krank machen kann, wenn es außerhalb des Darms vorkommt… und gerade
das soll nun in diesem Buch leben? Naja.
Das zweite
Manko des Buches ist die Tatsache, dass nirgends erwähnt wird, wie
nützlich die meisten Mikroben sind und dass wir ohne sie gar nicht
leben könnten. Die gewählten Beispiele sind Streptokokken (die
Karies verursachen), Schwarzschimmelpilze (die u.a. für den Geruch
schmutziger Kleidung verantwortlich sind) und Corynebakterien (die
auf der Haut leben und Wunden infizieren können etc.). Und eben
Mimi, das Darmbakterium. In aller Kenntnis der Tatsache, dass viele
Kinder gegen ein wenig Ekel nichts einzuwenden haben oder ihn sogar
lustig finden, ist es meines Erachtens trotzdem keine besonders gut
gewählte Gruppe von Beispielen, die zudem einseitig beschrieben
werden. Die Kolibakterien in unserem Darm sind nämlich zum Beispiel
immens wichtig für unsere Verdauung und machen nur dann krank, wenn
sie eben nicht mehr da sind, wo sie hingehören – das wird aber
nirgends erwähnt. Gerade weil dies ein Buch für Kinder ist, wäre es
wichtig gewesen, die Fakten ausgewogen und wissenschaftlich korrekt
darzustellen und nicht verfälschend zu vereinfachen.
Fazit:
Nette Idee, spannende Mikroskopaufnahmen und interessante Tatsachen
– aber „Dieses Buch auf keinen Fall ablecken!“ wird der
faszinierenden Welt der Mikroben, vor allem ihrer nützlichen Seite,
nicht einmal in Ansätzen gerecht.
(Ab 10)
Idan
Ben-Barak: „Dieses Buch auf keinen Fall ablecken! (Es ist voller
Bakterien)“
Mit Bildern
von Julian Frost
Thienemann
2018
32 Seiten,
12 Euro
ISBN
978-3522458665
Die
Rezensentin ist Biologin, unter anderem mit Schwerpunkt Didaktik der
Biologie. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter
„Entdecke die Evolution“.
Leserfrage
139:
Bei uns
steht eine Thüringen-Reise an. Gibt es ein passendes Kinderbuch?
Antwort
139:
Durch
Kinderaugen
Anja
Tettenborn: „Das kleine Gespenst Vincent entdeckt Thüringen“
Von Susan
Müller
Das
kleine Gespenst Vincent wohnt bei Bauer Strohmann und dessen
Familie. Es möchte aber einmal etwas Anderes erleben, als die Kinder
Mia und Ben immer nur zu beobachten. Es macht sich auf den Weg.
Vincent ist es ja gewohnt tagsüber zu schlafen und geht daher nachts
auf Entdeckungsreise. Er beginnt mit Schloss Molsdorf. Da ist er
noch allein und trifft aber schnell auf Gustav, der kein gebastelter
Schreckenskopf ist, sondern seinesgleichen. Ab da setzen die beiden
ihren Weg gemeinsam fort, suchen sich für tagsüber tolle
Schlafplätze, wo sie nachts dann erkunden können, was sich jeweils
in den Museen und Burgen verbirgt. So sehen sie sich die
Krämerbrücke in Erfurt an. Vincents Heimweh und Gustavs Neugier
lassen sie zwischendurch die Strohmanns besuchen und Vincent freut
sich, dass es Gustav so gut gefällt. So erfahren sie auch, dass
Tante Agnes mit den Kindern Urlaub machen wird und verstecken sich
in deren Rucksäcken. Das hat zur Folge, dass sie die Wartburg
kennenlernen und auf dem Esel mitreiten, der die Kinder nach oben
bringt. Sie sind beim Ausflug in die Feengrotten Saalfeld dabei und
lernen eine Fee kennen. Angesichts ihrer Gestalt, können sie
natürlich andere magische Wesen erkennen und mit ihnen sprechen. Auf
dem Ferienprogramm von Tante Agnes steht noch die Barbarossahöhle
und nach deren Besuch streikt das Auto. Den dreien bleibt nichts
anderes übrig, als in Apolda zu übernachten. Dort findet am Abend
ein wunderbares Konzert statt, so dass der unfreiwillige Aufenthalt
noch sein Gutes hat. Die beiden Gespenster Vincent und Gustav
verlassen die Kinder erstmal wieder, um sich allein umzuschauen und
landen unbewusst im Planetarium Jena. Sie werden durch die „Ach“ und
„Och“ der Besucher wach und wie durch ein Wunder hat sich niemand in
ihren Sessel und damit auf sie drauf gesetzt. Fasziniert verlassen
die Gespenster das Planetarium, aber werden wohl auf jeden Fall mal
wiederkommen.
Nun haben
sie so viel erlebt, dass sie sich an ihr anderes Vorhaben wagen
können, sie schreiben das Buch über ihre Erlebnisse. Dafür fliegen
sie zurück auf den Bauernhof, denn jetzt werden die Nächte wieder
kürzer und die Tage länger, so dass sie bei Familie Strohmann gut
aufgehoben sind. Wunderbare Reise durch Thüringen, deren Höhepunkte
fantastisch durch Kinderaugen zu sehen sind.
(Ab 4)
Anja
Tettenborn:
„Das kleine
Gespenst Vincent entdeckt Thüringen“
Biber &
Butzemann 2017
116 Seiten,
Euro 14,50
ISBN
978-3959160-32-2
Leserfrage
138:
Ein neuer
Frank Viva - was sagen Sie?
Antwort
138:
Die Maus
soll beim nächsten Mal zu Hause bleiben
Frank Viva:
"Ist es noch weit?"
Von Sarah
Kassem
Frank
Viva ist high profile, einer der prominentesten Illustratoren der
Jetztzeit. Seine Grafiken finden sich regelmäßig auf dem Cover vom
New Yorker (bisher auf 10 Ausgaben!), seine Bücher haben unzählige
Preise abgestaubt, die MoMA hat bei ihm ihr erstes Kinderbuch in
Auftrag gegeben (Young Frank Architect), und er ist nicht zuletzt
Geschäftsführer seiner eigenen, immens erfolgreichen Designagentur
Viva & Co., zu deren Kunden u. a. die Bill & Melinda Gates
Foundation, Le Creuset, The New York Times und Krups gehören.
Zusätzlich ist er Präsident des Advertising and Design Club of
Canada und Mitglied im Kuratorium zweier Colleges. Ab und zu
verzieren seine Kunstwerke auch die Subways von New York. Sein Buch
Ganz weit weg bekam 2017 den Preis der Stiftung Buchkunst als eines
der „schönsten deutschen Bücher“, die Kritik der Jury war
überschäumend positiv.
Man könnte
Frank Vivas Errungenschaften in seiner bisher 30-jährigen Karriere
endlos weiterführen. Alles, was er macht, ist großartig, hochkarätig
und top notch. Sein Illustrationsstil hat etwas ganz Besonderes:
sehr retro und gleichzeitig sehr modern; sehr bunt und monochrom
zugleich; verspielt, aber auch reduziert; sehr kräftig und plakativ,
aber gleichzeitig auch verträumt und manchmal surreal. So auch Ist
es noch weit?, das Kinderbuch, das nach Frank Vivas Antarktisreise
entstanden ist. Darin befindet sich eine Maus auf einem Schiff
unterwegs zur Antarktis. Nach dem Durchqueren der Drakestraße (das
rauste Gewässer der Welt) auf einem russischen Forschungsschiff hat
er laut eigener Angabe angefangen, dieses Reisetagebuch zu zeichnen.
Man traut
sich ja gar nicht, einen solchen Giganten wie Frank Viva zu
kritisieren. Ist es noch weit? ist optisch ein kunstvoller
Augenschmaus. Inhaltlich ist es aber eher befriedigend. Eine
ungeduldige und unsympathische Maus meckert und jammert die ganze
Zeit und fragt ad nauseam, ob es denn noch weit sei und ob man denn
endlich zurück nach Hause könne. Im Prinzip besteht das Buch nur aus
dem Nörgeln der Maus. Der Mitfahrer der Maus, ein sympathischer
Junge, versucht sie für die kleinen und großen Abenteuer zu
begeistern, aber ohne Erfolg. Dennoch bleibt es ein schönes Buch mit
wunderbaren und Fernweh erweckenden Illustrationen.
(Ab 3)
Frank Viva:
"Ist es noch weit?"
Aus dem
Kanadischen von Kati Hertzsch
Hardcover,
22,8 × 15,2 cm
Diogenes,
32 Seiten Euro 16.-
ISBN
978-3-257-01230-9
Leserfrage
137:
Wir haben
in der Familie mit Riesenbegeisterung "Ich bin hier bloß der
Hamster" gelesen. Nun haben wir "Ich bin hier bloß das Schaf"
entdeckt und würden uns über eine literaturkritische Einordnung
dieser Fortsetzung freuen.
Antwort
137:
Wen's
nicht stört
Friedbert Stohner: "Ich bin hier bloß das Schaf"
Von Anne
Spitzner
„Ich
bin hier bloß das Schaf“, sagt Charlotte, und dann ist sie noch
nicht mal das einzige, sondern gehört zu einer ganzen Herde. Mit
dieser Herde lebt sie auf dem Michl-Hof, zusammen mit der
vierköpfigen Bauersfamilie, Hund, Katze, Kühen, Hühnern, Enten und
einem Schwein. Ganz, wie man sich einen Bauernhof eben so vorstellt,
völlig unabhängig davon, ob Landwirtschaft heute noch so ist oder
nicht (ist sie in den meisten Fällen nicht).
Naja.
Charlotte jedenfalls bekommt es im Verlauf der Handlung mit einem
waschechten Kriminalfall zu tun: Zwei Lämmer sind plötzlich
verschwunden, und die Hühner wollen Wölfe heulen gehört haben… Wer
da an Leonie Swanns tollen Schafskrimi „Glennkill“ oder eher noch
dessen Fortsetzung „Garou“ denkt, der hat völlig Recht. Im Grunde
genommen ist es genau das, was Stohner geschrieben hat. Ein
Schafskrimi, bloß halt für Kinder – und bloß halt ohne Swanns
liebevollen Blick durch die Augen der Schafe, ohne ihren schrägen
Humor und ohne ihre Poesie. Für Kinder ist das aber ja
wahrscheinlich (noch) nicht so wichtig, und für sie bietet „Ich bin
hier bloß das Schaf“ gerade das rechte Maß an Spannung, Auflösung
und ein gutes Ende mit einer schönen „Moral“.
Wie das
halt oft so ist mit Erfolgsrezepten und deren Fortsetzungen, so ist
das „Schaf“ auch längst nicht so gut wie das vor einiger Zeit
erschienene „Ich bin hier bloß der Hamster“ aus Stohners Feder.
Entweder liegt es daran, dass man die Witze und Innenansichten und
Blickwinkel auf den Menschen zum Großteil eben bereits kennt, wenn
man ein zweites Buch aus einer solchen Serie liest, oder aber die
Weltsicht eines Hamsters ist um einiges origineller als die eines
Schafs (vielleicht ja auch einfach nur deshalb, weil es tatsächlich
origineller ist, aus Sicht eines Hamsters zu schreiben, weil es eben
„aus Schafssicht“ schon ein paar Geschichten gibt. Letzten Endes
kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Idee und
Popularität von Glennkill/Garou mit der Reihe „Ich bin hier bloß“
zusammengegossen werden. Wen das aber nicht stört bzw. wer die
erstgenannten Bücher vielleicht auch gar nicht kennt, für den bietet
sich hier ein schönes Lesevergnügen, denn gut geschrieben ist die
Geschichte allemal.
Die
Charaktere sind fein gezeichnet, mit mildem Humor und einem guten
Auge für Details. Ganz besonders gut gefällt mir Rosi, die
Bauernhofkatze, die mit ihrer typisch katzenhaften Überlegenheit
dann richtig danebenliegt. Die teils drolligen, sehr ausdrucksvollen
Schwarzweiß-Zeichnungen von Hildegard Müller tun ein Übriges dazu,
das Buch sehr lebendig zu machen.
Bleibt nur
noch zu sagen, dass Charlotte und ihre tierischen Co-Ermittler den
Fall dann lösen (wenn auch die Menschen zugleich auch draufkommen –
eine weitere Analogie zu Glennkill) und alles gut ausgeht.
Fazit: Zwar
ist es weder „Glennkill“ noch „Ich bin hier bloß der Hamster“, doch
macht „Ich bin hier bloß das Schaf“ beim Lesen durchaus Spaß.
Gemeinsam beim Vorlesen (oder auch allein) kann man den vielen Ideen
nachgehen, über die Tiere lachen und vielleicht ein bisschen in
einem nostalgisch-verklärten Bauernhof-Bild schwelgen. Ganz nett
also.
(Ab 8)
Friedbert
Stohner:
„Ich bin
hier bloß das Schaf“
Mit
Illustrationen von Hildegard Müller
Hanser
Verlag 2018
144 Seiten,
12 Euro
ISBN
978-3446258792
Leserfrage
136:
Ein Babar-Revival, warme Erinnerungen aus
tiefster Kindheit.
Können Sie mir mit Hintergrundinformationen zu "Babar" mit Blick auf
die zwei neuen Bände dienen?
Antwort
136:
König Babar und der Imperialismus
Jean de Brunhoff: "König Babar" und
"Familie Babar"
Von Sarah Kassem
Nach
Die Geschichte von Babar dem kleinen Elefanten (2005), Babar auf
Reisen (2005) und Babar und der Weihnachtsmann (2006) erschienen im
Mai 2018 zwei weitere Babar-Bände im Diogenes Verlag: König Babar
und Familie Babar.
Der Autor Jean de Brunhoff war Soldat im
Ersten Weltkrieg und studierte danach Malerei in Paris. Seine
Ehefrau Cécile erfand die Figur eines freundlichen Elefanten namens
Babar für die Söhne, die diesen so wunderbar fanden, dass sie ihren
Vater baten, die Geschichten zu illustrieren. Damit begann 1931 der
Erfolg von Babar. Es gibt unzählige Bücher (sieben von Jean de Brunhoff und viele weitere von seinem Sohn Laurent), Filme und
Fernsehserien, die Babar zu einer Kultfigur machen – selbst im
dörflichsten Jemen wurden die auf Arabisch synchronisierten
TV-Folgen in den 80er Jahren ausgestrahlt. Die Figur ist inspiriert
vom indischen Elefanten Baba, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts
als dressiertes Wundertier auf europäischen Jahrmärkten einen Namen
machte.
Nachdem Babars Mutter von einem Jäger
erschossen wird, flieht er in der Dschungel und landet schließlich
in einer Stadt. Dort freundet er sich mit der Alten Dame an, die ihm
neben Kleidung auch feine Umgangsformen und Bildung zuteilwerden
lässt. Nachdem der König der Elefanten stirbt, wird Babar zum
Nachfolger ernannt, denn er wuchs unter Menschen auf und ist
dementsprechend zivilisiert. Er heiratet seine Cousine Celeste und
gründet die Stadt Celesteville. Die Alte Dame zieht ebenfalls
dorthin, steht dem gutartigen Diktator Babar als Beraterin zur Seite
und hilft ihm in den Alltagsgeschäften.
Die wilden Elefanten werden zivilisiert,
bekommen solide Arbeitskleider und dürfen sich im „Palast der
Arbeit“ betätigen. Die Kinder baden und gehen zur Schule, wo sie von
der lieben Alten Dame unterrichtet werden. Es werden Militärparaden
abgehalten, alle sind glücklich und froh, sogar ein kurzes
Intermezzo von Krankheit und Unglück wird erfolgreich überwunden. Am
Ende von König Babar erfreut uns die Alte Dame mit folgender
Weisheit: „Arbeiten wir mit Freude! Dann werden wir immer glücklich
sein.“
Trotz der
Niedlichkeit des freundlichen Königs und der süßen Zeichnungen kommt
man nicht umhin anzumerken, dass die Figur und die Geschichten nicht
gut gealtert sind. Im Jahre 2018 ist Babar nicht so angenehm für
Auge und Ohr, wie er 1931 gewirkt haben mochte. Die reiche weiße
Frau, die den wilden Elefanten kultiviert, der dann eine Stadt
gründen darf, um seinen Artgenossen die feinen weißen Sitten
beizubringen – das alles hat einen seltsamen Beigeschmack. Am
laufenden Band findet man Indizien für Verherrlichung der „guten
alten Zeiten“, sprich: Imperialismus, Neokolonialismus und
Rassismus. Staatliche Büchereien in England gingen 2012 sogar so
weit, dass sie Babar-Bücher aus den Regalen entfernen ließen
(zusammen mit Hergés Tim im Kongo). Einige Geschichten aus Babar auf
Reisen sind aufgrund stereotyper Karikaturen von Schwarzafrikanern
offensichtlich rassistisch. Der chilenische Menschenrechtsaktivist
Ariel Dorfmann nannte Babar „a lesson in colonialism with racist
overtones“. Sogar Laurent de Brunhoff musste ihm beipflichten und
sorgte persönlich
dafür, dass die problematischeren Geschichten mit den anstößigeren
Bildern aus dem Umlauf genommen wurden. Die Abenteuer von Babar
sollte man als historisches Dokument betrachten, als pädagogisch
wertvolle Kinderbücher sind sie weniger geeignet.
Ansonsten macht sich König Babar – im
großformatigen Hardcover mit Halbleinen-Einband – schön im
Bücherregal und ist ein wichtiger Vertreter der Kinderliteratur.
Einzige formale Kritik an der Diogenes-Ausgabe ist die von Kurt
Jenny entworfene kindliche Schreibschriftart, in der der Text
gesetzt ist. Die Schrift macht einen albernen Eindruck und mindert
die Lesefreundlichkeit.
Jean de Brunhoff: König Babar
Aus dem Französischen von Hans Manz
Diogenes Verlag 2018
Hardcover Halbleinen
48 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-257-00586-8
Leserfrage
135:
Leseförderung durch Spaß am Lesen; haben Sie einen Vorschlag für
Grundschüler?
Antwort
135:
Leselust
Nina
Petrick: „Das Picknick im Wald“
Von Anne
Spitzner
Die
Zwillinge Lotte und Ben machen mit ihrem Papa einen Ausflug in den
Wald. Sie sehen Rehe, hören Spechte und picknicken auf einem großen
Stein – doch als sie sich auf den Rückweg machen wollen, wissen sie
auf einmal nicht mehr, wo sie hergekommen sind…
„Das
Picknick im Wald“ ist Teil der Reihe Lesedetektive aus dem Duden
Verlag. Angegeben ist es als geeignet für die erste Klasse. Bei den
Lesedetektiven gibt es immer wieder „Fälle“, die von den kleinen
Lesern gelöst werden müssen, z.B. „Was ist eine Lichtung?“. Hier
kann man dann zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten auswählen
und erhält die Lösung mit Hilfe eines Lesezeichens, das den
Schlüssel beinhaltet.
„Das
Picknick im Wald“ eignet sich sehr gut für kleine Leser, vor allem,
wenn sie wie Lotte und Ben mit einem Elternteil (oder einem anderen
Erwachsenen) unterwegs sind. Die hübschen Illustrationen und die
kleinen Aufgaben zwischendurch lenken vom eigentlichen Sinn des
Buches – dem Gelesenwerden – ein wenig ab, sodass auch Kinder, die
dem Lesen noch nicht sehr viel Spaß abgewinnen können, sich mit dem
Buch ein wenig länger als üblich auseinandersetzen werden. Und ohne,
dass sie es merken, haben sie vielleicht hinterher ein wenig mehr
Lust am Lesen als vorher.
Nina
Petrick:
„Das
Picknick im Wald“
Fischer
Duden 2008
Geb., 32
Seiten, Euro 7,95
ISBN
978-3737335508
Leserfrage
134:
Kinder
schreiben für Kinder - ein solches Projekt würde mich interessieren.
Gibt es da ein Buch?
Antwort
134:
Lebendiges
Schillern
Thilo
Reffert: „Goldgören“
Von Anne
Spitzner
In
„Goldgören“ erzählt Thilo Reffert „sieben Geschichten von zehn
Kindern“. In seinem Vorwort erklärt er, dass es in diesen
Geschichten hauptsächlich um die Beziehungen dieser Kinder
zueinander geht, die für Menschen so seien wie für Fische das
Wasser, in dem sie schwimmen.
Anschließend erzählt er z.B. von einem verlorenen Computerspiel und
wie Pasquale seinem besten Freund Luis dabei hilft, es
zurückzubekommen, oder von Hanne und Lilli, die ihre
Mathe-Klassenarbeiten tauschen, damit Lilli zu Hause die richtige
Note vorzeigen kann. Dabei wird es zuweilen fantastisch, wie bei
Jannis, dessen Meerschweinchen plötzlich zu sprechen anfängt, sich
als Alien entpuppt und behauptet, der gesamten Menschheit drohe die
Vernichtung, weil sie so zerstörerisch mit dem Planeten umgeht. Die
Geschichte von Grace und Toni handelt von Inklusionsschülern und
dass es manchmal gar nicht so leicht ist, festzustellen, wer
„speziell begabt“ und wer „normal“ ist. Ähnlich ist es bei Leonie,
die noch ein Jahr in der Kita bleiben soll, während ihr
Zwillingsbruder Leon schon eingeschult wird, und die doch so
unbedingt zur Schule gehen möchte.
Die
Geschichten sind witzig und lebensnah, saugen den Leser direkt in
die Lebenswelt der Figuren hinein und lassen ihn die Welt so gut
durch Kinderaugen sehen, dass man es höchstens einen winzigen Moment
lang für unwahrscheinlich hält, dass z.B. ein Meerschweinchen
sprechen kann.
Der
aufmerksame Leser hat darüber hinaus noch so manches zu entdecken,
kann etwa die Beziehungen der Protagonisten entschlüsseln (so ist
Schmelle aus der vierten Geschichte ein Freund von Leon aus der
dritten, und die Schwester von Luis aus der ersten Geschichte ist
gleichzeitig die Freundin des großen Bruders von Jannis aus
Geschichte Nr. 5, und so geht es immer weiter). Außerdem scheint
Reffert ein Star-Wars-Fan zu sein (oder sehr gut zu wissen, dass
viele Kinder es sind), denn es gibt mehrere Anspielungen auf die
Sternenkrieg-Saga (etwa, wenn der Papa von Luke aus der zehnten
Geschichte die berühmten Worte Darth Vaders spricht (die er so im
Übrigen im Film gar nicht sagt)).
Besonders
schön ist auch, dass die Kinder in den zehn Geschichten nicht alle
gleich alt sind, sondern vom Kindergartenalter bis zur vierten
Klasse reichen. Dabei versteht Reffert es wunderbar, die
Unterschiede in den Freuden und Sorgen jeden Alters abzubilden (wie
etwa bei Nick, der aufhört, an den Weihnachtsmann zu glauben),
sodass sich auch ganz unterschiedliche Kinder in den Geschichten
werden wiederfinden können.
So ist
„Goldgören“ ein rundum empfehlenswertes Buch, das Spaß macht und in
jeder einzelnen Geschichte von einer jener ganz besonderen
Beziehungen erzählt, die für jedes Kind und jeden Erwachsenen so
wichtig sind wie die Luft zum Atmen. Die Vorstellungswelt von
Kindern verleiht diesen Geschichten ein lebendiges Schillern, das
sie unwiderstehlich macht.
Thilo
Reffert: „Goldgören“
Little
Tiger 2014
Gebunden,
148 Seiten, Euro 9,80
ISBN:
978-3931081973
Leserfrage
133:
Haben Sie
eine Empfehlung für eine neue Reihe, mit der ich jetzt als Geschenk
beginnen und sie dann fortsetzen kann (für meine gerade 13-Jährige
Patentochter)?
Antwort
133:
Riesenspannung
Carly
Wilson: “Myriad High - Was Hannah nicht weiß“
Von Susan
Müller
Die
Freundinnen Hannah, Chloe und Sophie werden ab jetzt ein Zimmer im
Internat der Myriad High beziehen. Das ist eine der mit Hightech am
besten ausgestatteten Schulen überhaupt. An deren Entwicklung ist
Hannahs Vater nicht unwesentlich beteiligt. Diese Ausbildungsstätte
ist eigentlich auch nur für Kinder gedacht, deren Eltern hier
arbeiten. Hannahs Vater ist völlig unerwartet an einem Herzinfarkt
gestorben. Zumindest ist dies die offizielle Version. Erstaunlich
ist, dass sich Schüler wie Evan und Ryan an der Schule befinden, die
keine berufstätigen Eltern an der Myriad haben. Welche Geheimnisse
haben sie zu verbergen?
Spannung in
dem Buch „Myriad High“ ist nicht nur durch unbekannte Hintergründe
wirkungsvoll entfaltet, sondern auch durch Gefühle, wie sie die
Altersgruppe der 12- bis 14-Jährigen Mädchen durchleben. Ist Matt
ist Hannahs Freund - oder war er es und will es nicht mehr sein?
Leider ist es in den Ferien still um ihn geworden, so dass Hannah
befürchten muss, sein Interesse ist erloschen. Auch ihn umhüllt ein
Geheimnis, über welches er scheinbar nicht mit Hannah reden kann.
Von Matt missachtet, schleicht sich immer öfter Ryan in Hannahs
Gedanken, dessen Laptop sie gleich am ersten Tag zu Schrott gefahren
hat - mit ihrem E-Auto, von denen jeder Schüler auf Myriad eines
sein eigen nennt. Wenn da nicht Alyssa wäre: hübsch, sehr hübsch,
aber überaus durchtrieben. Sie macht Hannah von Anfang an
Schwierigkeiten. Sie gehört zu den gemeinen Schülern und umgibt sich
mit Caitlin, die auch nicht besser ist. Kriminelle Aktionen gegen
Matt lassen erschaudern und ziehen die jugendlichen Leser immer
wieder in das Buch hinein. Hannah findet Erdnüsse in ihrer Nähe,
obwohl sie eine gefährliche Erdnussallergie hat. Ein toller Lehrer
und Matt werden via Internet bloß gestellt. Wer steckt dahinter?
Ryan gerät in Hannahs Verdacht als sie über dessen Ausweis seine
wahre Identität herausfindet. Doch dann verschwindet eine
Mitschülerin, die sich verbotenerweise vom Gelände gestohlen hat.
Nur ihr Auto wird gefunden. Tief taucht man ein in die Welt von
Myriad High; eine gut ausgewählte Konkurrenz zu den Filmserien, die
nicht ganz so zielgruppengerecht ansprechen wie diese Reihe, die mit
diesem Einstand wunderbar eröffnet ist. Absolut mysteriöse und
spannend gehaltene Episoden um die Schüler von Myriad machen das
Buch zu einer wunderbaren Lektüre, und der Leser wartet durch das
offene Ende mit Riesenspannung auf Band 2.
(ab 12)
Carly
Wilson:
“Myriad
High - Was Hannah nicht weiß“
Taschenbuch, 256 Seiten, Euro 9,95
dtv 2017
ISBN
978-3423740319
Leserfrage
132:
Ich weiß,
meine Frage ist im Büchermeer etwas global, aber ich suche ein
spannendes Buch, das auch ein wenig zu Nachdenklichkeit anregt, das
junge Jugendliche ab 12 dazu bringt zu merken, dass auch Bücher so
gut wie Filme sein können – wenn nicht besser….
Antwort
132:
Unterhaltsames Roadmovie mit nachdenklichen Zwischentönen
Pascale
Maret: „Mich kriegt ihr nicht“
Von Anne
Spitzner
Harrison
Travis sitzt in einem US-amerikanischen Gefängnis und erzählt sein
Leben. Er ist zwar erst neunzehn Jahre alt, aber das ändert nichts
daran, dass er viel zu erzählen hat.
Harrison
verbringt seine Kindheit auf Maillico, einer kleinen Insel vor der
Küste des US-Bundesstaates Washington. Seine alkoholsüchtige Mutter
lebt in einem Wohnwagen und vernachlässigt ihren Sohn so sehr, dass
er mit neun Jahren den Nachbarn eine Pizza stiehlt, weil er Hunger
hat, und später zum Beispiel Kleidung, weil er nicht mehr von seinen
Schulkameraden ausgelacht werden will. Seine kriminelle Karriere
geht im Großen und Ganzen so weiter: Er nimmt, was er gerade
braucht, bricht als Teenager in leerstehende Ferienhäuser ein und
verbringt dort einen Winter, in dem er sich vor der Polizei
versteckt. Als die ihn dann schließlich doch fasst, bricht er aus
dem Jugendgefängnis aus und reist auf seiner Flucht einmal quer
durch die ganzen USA.
Das Leben
und die Flucht von Harrison Travis beschreibt Pascale Maret in ihrem
Buch „Mich kriegt ihr nicht“. Wer bei der Geschichte – und auch beim
Titel der deutschen Übersetzung – unweigerlich an „Catch me if you
can“ denken musste (wie übrigens auch ich), dem sei gesagt, dass der
Roman tatsächlich auf einer wahren Geschichte beruht, allerdings auf
der von Colton Harris-Moore, der im Augenblick in einem
US-amerikanischen Gefängnis einsitzt und während seiner Flucht ein
Star in den sozialen Medien geworden ist. Der inzwischen als
Barfuß-Bandit bekannte Harris-Moore hat seine Geschichte inzwischen
an 20th Century Fox verkauft und will das Geld, da er selbst nichts
daran verdienen darf, zur Entschädigung seiner Opfer nutzen.
Maret
erzählt die Geschichte von Harrison Travis aus der Ich-Perspektive
und in einer Sprache, die man vor dem Hintergrund seiner Biographie
größtenteils erwarten würde. Sie klingt mehr nach gesprochener als
nach schriftlicher Sprache, und so hat man beim Lesen manchmal das
Gefühl, das direkte Gegenüber ihres Protagonisten zu sein. Man hört
(bzw. liest) die Rechtfertigungen und Begründungen für seine Taten,
liest mehr zwischen den Zeilen heraus, was für eine furchtbare
Kindheit er gehabt haben muss, und wird unweigerlich mitgerissen,
wenn er für seine große Leidenschaft, das Fliegen, schwärmt. Das
wird ihm übrigens ebenso zum Verhängnis wie seinem realen Vorbild:
Er legt einen Teil seiner Flucht in gestohlenen Flugzeugen zurück,
hat sich selbst beigebracht, wie man fliegt – nur die Landungen
gehen dabei meistens schief.
Wunderbar
versteht es Maret, das Bild eines Jungen zu malen, der von Tag zu
Tag lebt, weil er nie gelernt hat, weiter vorauszuplanen als für die
nächsten paar Stunden oder Tage, und die Achterbahnfahrt zwischen
jubelndem Enthusiasmus und später einsetzender Reue einzufangen. Der
echte Barfuß-Bandit soll mal gesagt haben, es dauere Jahre, bis man
sich von einem Verbrechen erhole, das über Nacht geschah.
Fazit:
„Mich kriegt ihr nicht“ von Pascale Maret ist ein spannendes,
unterhaltsames Roadmovie mit nachdenklichen Zwischentönen. Auch,
wenn man vornherein weiß, wie es ausgeht, fiebert man mit, und
selbst, wenn man das Buch nach der letzten Seite zugeklappt hat,
lässt einen die Geschichte darin noch lange nicht los.
(Ab 12)
Pascale
Maret:
„Mich
kriegt ihr nicht“
Aus dem
Französischen von Anna Taube
Mixtvision
Verlag 2014
Gebunden,
220 Seiten, Euro 12,90
ISBN
978-3944572123
(auch als
Taschenbuch erhältlich)
Frage 130:
Da ich in
den Buchläden vergeblich nach etwas suche, das ich mit meinen Enkeln
lesen, anschauen, vor allem aber als Gesprächsanregung nutzen kann,
bitte ich um einen Tipp!
Antwort
130:
Zwischen
Aufbruch und Heimkehr
Roswitha
Moralic: Am Anfang war der Gesang
Von Julia
Schwarz
In
Abwandlung des Bibelwortes ist der kreative Titel des Gedicht- und
Kunstbandes „Am Anfang war der Gesang“. Einzig das Format des Buches
– es ist quadratisch- ist noch mit einem Oberbegriff zu erfassen; im
Inhalt erschließt sich eine bunte Welt, die sich vor den Augen der
Leser auf wundersame Weise entfaltet. Programmatisch ist der Start
ins Buch: „Ich war einmal eine, die fragte unentwegt“. Zum Fragen
lädt die Autorin Roswitha Moralic, die auch im Kinderbuchbereich
vertreten ist und mit diesem Buch ein Werk für alle Generationen
vorlegt, nun auch die Leser ein. Sich darauf einzulassen, erscheint
schwer, aber das Buch öffnet einem neue Perspektiven. Es ist
inspirierend, wie Text und Bild zum Nachdenken und Ideen sprudeln
lassen verführen. Die Gedanken werden auf Reisen geschickt, das
Gemüt gerät in Bewegung und wird von der der Dichterin eigenen,
poetischen Sprache, die aus dem Alltag gespeist ist, aufgefangen.
Großeltern oder Eltern könnten das Buch vorlesen und so ins Gespräch
mit den Kindern kommen. Aber für sich selber seine Erlebnisse zu
rekapitulieren, das geht hiermit auch! Das ständige Wechselspiel,
ja, der Widerspruch zwischen Aufbruch und Heimkehr entführt in ein
spannungsgeladenes Leben. Ein Beispiel: Roter Hintergrund, farblich
herrlich erschaffen und kontrastierend zum schwarzen Vogelschwarm
gesetzt; dazu die Assoziation zum Meer – ins Unendliche ziehen, mit
der untergehenden Sonne. Das habe ich beim Betrachten intensiv
gefühlt. Aber sehen Sie selbst!
Roswitha
Moralic:
"Am Anfang
war der Gesang"
Hardcover, mit zahlreichen Illustrationen
Pandora
Verlag 2016
53 Seiten,
13 Euro
ISBN 978-3-9814260-8-3
Frage
129:
Ich
suche für meine Kinder ein Hörspiel, das ihnen die Musik und
Instrumente spielerische näherbringt.
Antwort
129:
Kombination
aus Klavierspiel und mit Verve und Witz vorgetragener Lesung
Sylvia
Schreiber: „Professor Dur und die Notendetektive: Das Klavier“
Gelesen von
Matthias Haase
Von Anne
Spitzner
Professor
Coppelius Dur ist ein komischer alter Kauz. Er lebt alleine und
verbringt die meiste Zeit des Tages in seiner Werkstatt, in der er
Instrumente baut. Eines Tages aber schießen die Geschwister Lotte
und Lasse aus Versehen einen Ball in die Werkstatt von Professor
Dur, der da gerade an einem Klavier baut, und freunden sich mit ihm
an. Anschließend sind sie öfter bei ihm zu Besuch und entdecken
dabei sowohl die sprechende Ratte Rigoletto, das Haustier des
Professors, als auch einen alten und geheimnisvollen Flügel.
Schließlich offenbart ihnen Coppelius Dur, dass man mit Hilfe des
Flügels in die Vergangenheit fliegen kann, und nach langer
Überredung schickt er Lotte, Lasse und Rigoletto im Klavier in die
Werkstatt des berühmten Klavierbauers Henry Steinway, der damals
noch als Heinrich Steinweg in Seesen im Harz lebt. Steinweg hält die
Geschwister für seine neuen Hilfsarbeiter und setzt sie kurzerhand
bei der Fertigstellung seines neuesten Klaviers ein.
Das
Hörspiel „Professor Dur und die Notendetektive – Das Klavier“,
wunderbar in Szene gesetzt von Matthias Haase und untermalt von
Klavierstücken, bietet Kindern, aber auch Erwachsenen, die
Möglichkeit, in ein unterhaltsames (wenn auch an einigen Stellen gar
zu einfaches) Abenteuer einzusteigen und dabei ganz nebenbei noch
eine Menge Wissen über Klaviere, Klavierbau oder Musik zu erwerben.
Der Plot bietet (wenn man Zeitreisen mit einem magischen Klavier und
eine sprechende Ratte mal als gegeben voraussetzt) wenig
Überraschendes, und eins fügt sich an so mancher Stelle mit
kindlicher Einfachheit ins andere (beispielsweise wechselt das
magische Klavier beim Eintritt in eine andere Zeit praktischerweise
auch die Kleidung der Reisenden, sodass sie zu den aktuellen
Gepflogenheiten passen; dafür aber gibt es an anderer Stelle einen
Räuber, der schreiben kann). Dafür aber ist die Kombination aus
Klavierspiel und der mit Verve und Witz vorgetragenen Lesung
Matthias Haases unwiderstehlich. Man genießt das etwa eine Stunde
dauernde Hörspiel, und am Ende hat man auch noch gelernt, wie ein
Klavier aufgebaut ist und wie es funktioniert.
Sylvia
Schreiber:
„Professor
Dur und die Notendetektive: Das Klavier“
Gelesen von
Matthias Haase
Igel Genius
2014
Euro 12,99
ISBN
978-3731310600
Frage 128:
Für meine
Tochter suche ich ein schönes Buch mit Liedern zum Mitsingen, damit
sie sich auf der Reise in den Urlaub gut beschäftigen kann.
Antwort
128:
Macht Spaß
Richard
Oehmann: Wolfi, der Musketier
Von Anne
Spitzner
Wolfi
besitzt ein Haus und lebt von der Miete, die seine vier Untermieter
ihm zahlen. Aber er ist so nett zu seinen Vermietern, dass sie ihm
vor lauter „kleinen Anliegen“ keine Zeit mehr für seine Träume von
Heldenruhm und Musketieren lassen. Eines Tages jedoch liest Wolfi
eine Anzeige in der Zeitung, laut der der König ein Musketier sucht,
und macht sich auf den Weg ins Schloss. Doch das Musketier-Dasein
läuft ein bisschen anders, als Wolfi sich das vorgestellt hat, und
das liegt nicht nur an Sandra, seinem sprechenden Halbzebra (oder
auch Pfebra)…
Richard
Oehmanns „Wolfi, der Musketier“ ist ein Buch zum Mitsingen. Es
enthält eine CD mit fünf Liedern seiner Band „Café Unterzucker“,
deren Texte Bestandteil der Geschichte um Wolfi und Sandra sind.
Sandra ist ein sehr musikalisches Pfebra und singt Wolfi immer
wieder etwas vor, um ihm sein Musketier-Dasein erträglicher zu
gestalten, und je länger sie gemeinsam unterwegs sind, desto mehr
singen die beiden gemeinsam.
Die
Geschichte um Wolfi und Sandra macht Spaß, auch wenn die Reime in
den Liedern häufig nach Schema F oder dem Motto „Reim dich, oder ich
schlag dich“ ablaufen. Die Welt, in der Wolfi und Sandra unterwegs
sind, ähnelt unserer in vielerlei Hinsicht, aber dann auch wieder
nicht (allein die Tatsache, dass es Länder wie Schmexiko gibt, sagt
da schon alles). Die fantasievolle Erweiterung unserer Welt
verändert den Blickwinkel und lässt unser Alltagsleben aussehen, als
wäre es Bestandteil eines Märchens. „Wolfi, der Musketier“ eignet
sich auch gut zum Vorlesen, vor allem auch sehr gut zum gemeinsamen
Singen der Lieder. Die Geschichte des knurrigen Mannes, der mit
seinem Leben unzufrieden ist, weil es ihm keinen Platz für seine
Träume bietet, ist trotz aller märchenhaften Anklänge mitten aus dem
Leben gegriffen, und vielleicht kann sich auch mancher Erwachsener
darin wiederfinden. Und sich dann wünschen, dass er am Ende auch
einfach so in die Welt hinauswandern kann wie der Musketier Wolfi
und sein braves Pfebra Sandra…
Richard
Oehmann:
Wolfi, der
Musketier
August
Dreesbach 2012
ISBN
978-3940061836
96 Seiten, Euro 18,60
Frage
127:
Ich suche
ein fröhliches, aber nicht zu leichtes Sommerbuch, das sowohl von
Kindern als auch von Erwachsenen gelesen werden kann.
Antwort
127:
Eine Welt
voller Wunder
Polly
Horvath: Unser Haus am Meer
Von Anne
Spitzner
Jane
Fielding lebt mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren beiden
Brüdern am Meer, in einem alten Haus ohne Telefonanschluss. Ihre
Mutter ist Dichterin, hat einige Bücher veröffentlicht und wenig
Geld. Die Fieldings leben von, in und mit der Natur, und in den
langen Schulferien verbringt Jane einen Sommer, den man sich kaum
traumhafter vorstellen kann: Am Meer, mit ihren Geschwistern,
vollkommen frei.
Doch in
diesem Sommer ist etwas anders: Jane ist auf der Suche nach
Abenteuern. Und sie wird sie bekommen, mehr, als sie sich träumen
lässt. Die Verwicklungen, in die sie aufgrund dieser Abenteuer
gerät, sind schräg und spannend. Polly Horvath beschreibt mit einem
unbestechlichen Blick für Details und viel Einfühlungsvermögen einen
Sommer, der zwischen Kindheit und Jugend liegt, in dem die Kindheit
unwiderruflich zu Ende geht, mit all der Freude und Trauer, die das
mit sich bringt. Der Sommer verändert Jane und ihre ganze Welt, sie
nimmt ihre Welt anders wahr und lernt zum ersten Mal, dass man nicht
alles mit seiner Familie teilen kann, nicht jedes Abenteuer, nicht
jedes Erlebnis. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
beobachtet man Jane bei ihren „Abenteuern“: Sie wird hereingelegt
und ausgenutzt, aber sie erlebt auch Unvergessliches. Als sie am
Ende klüger ist, weiß man als Leser genauso wenig wie Jane, ob es
denn nun besser ist, klüger zu sein oder alles zu glauben, was einem
erzählt wird. Aber genauso wenig wie Jane kann man sich für eine
Alternative entscheiden, denn der Sommer ist vorbei, und nichts wird
mehr so sein wie vorher…
Polly
Horvath hat mit „Unser Haus am Meer“ erneut ein wundervolles Buch
geschrieben, eine wundervolle Geschichte erzählt, für Kinder genauso
wie für Erwachsene. Kinder finden sich darin wieder, und erwachsene
Leser können über Janes halbe Kinder-, halbe Erwachsenengedanken
schmunzeln und ein wenig melancholisch der Zeit nachtrauern, in der
sie auch mal alles geglaubt haben und die Welt voller Wunder war.
Viel zu trauern gibt es allerdings eigentlich nicht. Jane jagt von
einem Abenteuer ins nächste, die Dinge überschlagen sich, und wenn
man das Buch zuschlägt, würde man es am liebsten gleich nochmal
aufklappen und den Sommer von vorn beginnen…
Polly
Horvath:
Unser Haus am Meer
bloomoon 2011
ISBN
978-3-9814260-5-2
256 Seiten, Euro 14,90
Frage 126:
Ich
suche ein Buch, das mit allen Genres spielt: Liedern, Bildhaftigkeit
und Prosa für Kinder.
Antwort
126:
Für den
Dialog zwischen den Generationen
Roswitha
Moralic: „Das Mutprobe-Spiel - Eine Märchenstunde mit den
Springinsfeld-Spielen“
Von
Lisa-Marie Prieß
Eingeladen
von einem Grafen, kommen Kinder und ihre Eltern zusammen auf ein
Schloss, um sich einer Mutprobe zu unterziehen. Eine sehr spezielle
Mutprobe: Jeder wird aufgefordert, seine Erlebnisse und Erinnerungen
aus dem „rot-blau-gelben-Krieg“ zu erzählen, mit Hilfe einer
Theatergruppe. So gestaltet sich das Ganze als ein Theaterstück, in
dem jeder sich selbst spielt und längst Vergessenes wieder in das
Bewusstsein kommt.
Das Stück
zeigt, wie wichtig der generationenübergreifende Dialog ist, ja, wie
wichtig es ist, über die Vergangenheit zu sprechen, sie nicht zu
verdrängen. Trotz des ernsten Themas behält das Stück immer einen
feinen Witz, eine Spur Humor und fesselt so Kinder wie auch
Erwachsene.
Das sehr
kunstvoll gestaltete und schön gebundene Buch lässt der eigenen
Phantasie genug Freiraum und motiviert zu Kreativität. Schon beim
Lesen bekommt man Lust, dieses Stück im Stück selbst aufzuführen,
eigene Ideen mit einzubinden und natürlich die Musikstücke, die den
Text untermalen sollen, zu hören.
Das Buch
ist ein Gesamtkunstwerk. Einzeln eingestreute Bilder, das Stück
selbst und die Noten zu den Liedern tragen dazu bei. Auch ist es
schön in der Hand zu halten. Großes Format, Hardcover und gutes
Papier steigern das Lesevergnügen. Die Typographie ist aufgelockert
und so für Kinder angenehm zu lesen, die eigenen Ideen können auf
den immer mal eingestreuten, leeren Seiten gleich umgesetzt werden.
Die Sprache
ist reichhaltig und nicht (wie derzeit häufig in Kinderbüchern zu
finden) stark vereinfacht, ein großer Wortschatz gibt dem Ganzen
einen hohen literarischen Wert.
Bücher, die
das Künstlerische über das Verkäufliche, das Normale stellen, sind
auf dem Kinderbuchmarkt selten geworden. Gut, dass es ein Buch wie
dieses gibt, das Kunst, Kreativität, Phantasie und Sprache in den
Vordergrund rückt!
Roswitha Moralic:
"Das Mutprobe-Spiel"
Verlag Pandora
ISBN
978-3-9814260-5-2
344 Seiten, Euro 22,00
Frage 125:
Und wieder
ein Rick, schon Rick 6. Nachdem ich von Serien eigentlich immer
enttäuscht bin (wie ist "Greg" nur bergab gegangen...), würde ich
gern hören, ob Librikon diesen Band empfiehlt.
Antwort
125:
Nicht auf
den ersten Blick
Antje Szillat:"Rick 6: Shit happens!"
Von Anne
Spitzner
In Ricks
zusammengewürfelter Patchworkfamilie hängt der Haussegen schief.
Sein Pa und dessen Freundin Linda streiten sich andauernd, und Ricks
sonst so entspannter Vater ist ohnehin in letzter Zeit nicht
besonders gut drauf. Er streitet sich mit Ricks Oma Mary, weil sie
sich eine Harley gekauft hat, und der Gipfel der Ungekanntheiten ist
der Hausarrest, den er Rick nach einem seiner Streiche aufbrummt.
Hausarrest! Rick, der es doch nur gut gemeint hat, als er die
überzähligen Zwerg-Angorakaninchen seiner Nachbarin im Zoo aussetzen
wollte, ist empört über so viel steinzeitliche Ungerechtigkeit. Und
dann wird er gemeinsam mit seinem Stiefbruder und Kumpel Finn auch
noch zum Ausmisten im Zoo verdonnert. Aber bei der dicken Luft, die
im Moment daheim herrscht, ist ihm das eigentlich gar nicht so
unrecht…
Mit „Shit happens“
legt Antje Szillat den inzwischen sechsten Band ihrer Reihe um den
Teenager Rick Michalski vor. Eine Art „Vollidiot“ für Jugendliche,
denn Rick hat so viel Unsinn im Kopf, dass man sich manches Mal
verzweifelt gegen die Stirn schlagen möchte – ganz wie sein
erwachsenes Pendant Simon Peters. In lässiger Jugendsprache
sprechend schildert Rick seine Abenteuer aus der Ich-Perspektive,
und manchmal kann man so gar nicht verstehen, warum er sich jetzt zu
dieser oder jener Handlung hinreißen lässt. Wenn man allerdings noch
in der Lage ist, sich an seine eigene Teenager-Zeit
zurückzuerinnern, wird man wahrscheinlich feststellen, dass es einem
damals öfter ähnlich ergangen ist.
Ricks
Familienverhältnisse erschließen sich einem „Neueinsteiger“ nicht
auf den ersten Blick. Ich persönlich finde das sehr reizvoll, denn
in anderen Fortsetzungsbänden gehen mir die häufigen Verweise auf
vorangegangene Geschichten, die man bereits kennt und möglicherweise
erst vor kurzem gelesen hat, sehr auf die Nerven. Allerdings ist es
deshalb ratsam, nicht mitten in der Reihe anzufangen, sondern
tatsächlich mit Band 1.
Falls man doch aus irgendeinem Grund "mittendrin" anfängt, hilft ein Blick
auf die Webseite der Autorin bei der Klärung der
Familienverhältnisse weiter.
Die Sprache, in der
Szillat ihren Protagonisten denken und reden lässt, beinhaltet
einige genial lustige Worterfindungen (wie „laserstrahlgefährlich“
für die Augen der wütenden Nachbarin“), schießt aber an einigen
Stellen auch über das Ziel hinaus (wie etwa der Abschnitt: „[… Sie]
klang null stinkig. Nur derbe enttäuscht. Und das fühlte sich gerade
extrem übel an.“).
Insgesamt bleibt von
„Shit happens“ vor allem eines hängen: Wenn man es gut meint, kann
man den größten Mist bauen, den man will – am Ende wird alles
irgendwie okay. Und Spaß hat man beim Lesen obendrein noch.
(Ab 10)
Antje Szillat:
"Rick 6 - Shit happens"
Coppenrath 2013
ISBN
978-3649612896
176 Seiten, Euro 9,95
Die
Rezensentin schreibt u.a. auch Bücher für Kinder und
Jugendliche.
Frage 124:
Meine
Tochter wird auch von ihren Lehrern offen als Außenseiter
bezeichnet, sie tun nichts für ihre "Integration" und sehen in ihr
ein Mobbingopfer der Zukunft, wenn sie sich nicht verändert. Die
Welt und die Literatur ist voller Sonderlinge - zum Glück! Haben Sie
einen Kinderbuchvorschlag?
Antwort
124:
Auf der
Seite der Sonderlinge
Saskia
Hula: „Kaninchentage“
Von Bettina
Meinzinger
Den
Punk, der sich im Park Zigaretten dreht, findet sie so hässlich wie
seinen Hund, Inji-Yoo, ihre neue Klavierlehrerin mit den bunten
Haarsträhnen und den Ringelstrumpfhosen allenfalls noch „witzig“ und
die unkonventionelle Mutter ihrer besten Freundin Mo sowieso
untragbar. Ist Amanda Brilowatz, die gerade auf das Gymnasium
gewechselt ist, etwa auf dem besten Weg eine Normcore-Jugendliche zu
werden? Amanda ist in ihrer Klasse zwischen all den Lenas und Lauras
selber ein Sonderling, wird von den anderen Brillenschlange gerufen
oder ignoriert. Vieles ändert sich, als Mo mit ihrer Mutter auf
einen Biobauernhof in Spanien zieht und Amanda, jetzt auf sich
allein gestellt, auf Happy, Mos Kaninchen, aufpassen muss. Da
Amandas Eltern keine Haustiere erlauben, versteckt sie Happy im Hof
einer leerstehenden Wäscherei. Außerdem ist da noch das
Schul-Musical, für das Amanda der Band zugeteilt wird, immerhin
spielt sie einigermaßen gut Klavier. Doch dann verschwindet Happy,
ihre Schulkameradin Lena Käuzchen schlägt sich während einer
Rangelei einen Zahn aus, ihre Mutter findet Papa zu dick, jemand
versteckt ihre Brille und Lieblingstante Linda kündigt an, nicht zur
Musical-Premiere kommen zu können. Als sie und Laila, das andere
eigentlich ziemlich nette Mädchen aus ihrer Klasse, im Keller der
Wäscherei eingesperrt werden und Amanda vor lauter kleineren und
größeren Problemen, die draußen auf sie warten, kein Land mehr
sieht, naht Hilfe von unerwarteter Seite. Vielleicht ist Amanda ja
doch cooler, als wir und sie dachten?
Autorin
Saskia Hula zeigt, dass keine Familie perfekt ist und schlägt sich
auf die Seite der weniger beliebten Schulkinder, die im richtigen
Umfeld aber anfangen aufzublühen.
(Ab 10)
Die
Rezensentin ist als Redakteurin und Lektorin tätig.
Frage 123:
Haben Sie
ein Buch, dass Klassenzimmer und Unterrichtsatmosphäre einmal
anders, lustig und ganz nah am Spaß des Kindes buchstabiert? Ich
erhoffe mir davon, meinem Kind durch eine neue, freudige Perspektive
das Elend im täglichen Schulstress zu erleichtern.
Antwort
123:
Der
junge Referendar Leo Twister ist eigentlich selbst noch nicht
erwachsen: Er wohnt noch bei Mama, seine Hobbys sind Computerspiele
und Asterix-Comics und, so viel ist selbst den Schülern der 2b klar,
„gedingst“ hat er auch noch nie. Doch gerade deshalb mögen ihn
Tobias und seine Klassenkameraden und -kameradinnen sehr viel lieber
als die alte Lehrerin, die ein Baby erwartet. „Mister Twister“, wie
er genannt wird, fühlt sich wohl in der grauseligen
Klassenzimmeratmosphäre aus Schinkenbroten, Rülpswettbewerben und
auf dem Boden verstreuten Papierschnipseln. Bock auf Diktat und
Einmaleins haben weder er noch die Klasse. Statt Unterricht werden
Witze erzählt und Rätselspiele gemacht, dafür bringt er ungewohntes
Verständnis für die Probleme seiner Schüler mit, die oft auch seine
eigenen sind. Als Alfons Kugelmeier seinen Besuch ankündigt, um die
Leistung des Referendars zu begutachten, muss Leo Twister doch
lernen, durchzugreifen – allerdings meistern er, Tobias, Raffa,
Merle und die anderen die Situation auf ihre ganz eigene Art und
Weise.
(Ab 6)
Mirjam
Oldenhave:
"Mister
Twister und das verflixte Klassenzimmer"
Coppenrath
Verlag 2013
96 Seiten,
Euro 8,95
ISBN:9783649605911
Frage 122:
Gerade vor
Festivitäten, zu denen alle mit Zeug sich gegenseitig überschütten,
würde ich mit meinen kleinen Kinder gern ein Bilderbuch ansehen und
lesen, dass die Frage nach dem „Zuviel“ stellt.
Antwort
122:
„Simplify
your life“ fürs Kinderzimmer
I.C.
Springman / Brian Lies: “Mehr ... immer mehr“
Von Bettina
Meinzinger
Was
ist wenig, was genug und was zu viel? Eine Frage, die sich wohl
jeder, auch in Bezug auf den ganzen Krimskrams, den man im Laufe der
Jahre so akkumuliert, stellt. Im Bilderbuch „Mehr ... immer mehr“
stoßen wir auf eine diebische Elster. Zu Anfang hat sie nichts –
zugegeben, das ist wenig. Ihre Bekannte, die Feldmaus, reicht ihr
eine bunte Glasmurmel, schon hat sie etwas. Nicht schlecht, denkt
die Elster und sammelt mehr und mehr. Einen roten Legostein. Eine
Münze. Einen Schlüsselbund. Und und und. Jetzt hat sie viel. So
viel, dass ihr Nest unter der Schwere ihrer Kostbarkeiten den Ast,
auf den es gebaut ist, zum Knicken bringt. Und wumms, das ganze
schöne Zeugs liegt auf dem Boden! Der kleine Leser hat nun Zeit,
einen forschenden Blick in das Nest des Vogels zu werfen und zu
gucken, was er noch so alles darin verstaut hat. Die Maus allerdings
ist skeptisch. Genug, nein, mehr als genug hat die Elster, die erst
mal unter der Fülle ihrer Besitztümer begraben wird. Stück für Stück
wird das eigentlich doch Unnütze und Überflüssige weggetragen. Als
nur noch das wirklich Wichtige übrig ist, kann auch die Elster
wieder lachen. Denn sie hat genug und vor allem einen guten Freund,
die Feldmaus.
Ein
lehrreiches „Simplify your life“ fürs Kinderzimmer, in dem es
Allerlei zu entdecken gibt.
I.C.
Springman:
„Mehr ...
immer mehr!“
Mit
Illustrationen von Brian Lies
Anette Betz
Verlag 2013
40 Seiten,
Euro 16,95
ISBN:
9783219115550
Frage 121:
Ich bin
Lesepate und suche ein amüsantes Buch für Grundschulkinder, das aber
dennoch Qualitäten hat und vor allem lebensnah und leicht
verständlich ist.
Antwort
121:
Unkomplizierte Schlichtheit
Cornelia
Franz: "Der Luis und ich"
Von Steffen
Wunder
Luis
wünscht sich zu seinem fünften Geburtstag ein Kaninchen. Wie der
dumme Zufall es will, verspricht ihm sein Vater aus Versehen, diesen
Wunsch zu erfüllen. Weil auch Luis Schwester Carlotta ein Kaninchen
bekommen soll, treffen am ersehnten Tag zwei der kleinen Nager bei
der Familie ein. Doch bald stellt sich heraus: Es handelt sich
nicht, wie bisher gedacht, um zwei Männchen, sondern um ein Pärchen.
Da sie keine Babys bekommen sollen, müssen sie Luis und Carlotta zum
Tierarzt bringen. Doch da sie nicht wissen, was eine Narkose bei
ihren Lieblingen auswirken könnte, entscheiden sie sich in letzter
Sekunde um. Und da ist auch noch die Sache mit dem Saubermachen des
Stalls. Carlotta vergräbt die abfallenden „Produkte“ immer heimlich
im Sandkasten in der Hoffnung, dass es niemand merkt. Als würden
zwei Kaninchen nicht genug Ärger bereiten, kommt zur Krönung der
Tag, an dem die beiden Junge bekommen. Das dürfen die Eltern von
Carlotta und Luis auf keinen Fall erfahren! Somit ist das Chaos erst
einmal perfekt.
Die Story
klingt zunächst nach sehr viel Stress, doch vor allem bietet sie
eines: viel Spaß. Denn würde alles im Leben perfekt verlaufen, wäre
es langweilig. Die Geschichte ist clever und hat viele witzige
Ideen, ohne dabei alltagsfremd oder überzogen zu wirken. Vor allem
durch unkomplizierte Schlichtheit ist die Geschichte sehr
ansprechend und auch für jüngere Leser zugänglich, da der Handlung
gut zu folgen und sie leicht zu verstehen ist. Auch die Sprache ist
einfach, aber dennoch witzig und spannend, sodass das Lesen immer
Spaß macht. Mit dem Thema Geschwister können sich viele Kinder
identifizieren. Auch der Wunsch nach eigenen Haustieren kommt wohl
bei jedem Kind einmal auf. Das Buch versetzt auch erwachsene Leser
in die kindliche Freude, sich um ein eigenes Tier zu kümmern.
Darüber hinaus ist die Alltagswelt der Kinder treffend und glaubhaft
beschrieben und mit einigen witzigen Pointen aufgepeppt.
Das Buch
eignet sich sowohl für Leseanfänger und Fortgeschrittene als auch
zum Vorlesen. Eltern und Kinder dürften gleichermaßen Spaß an der
lebendigen Story von Cornelia Franz und an den bunten,
fantasievollen Illustrationen von Annette Svoboda haben.
(Ab 6)
Cornelia
Franz:
"Luis und
ich"
Mit Bildern
von Annette Svoboda
rororo 2011
128 Seiten,
antiquarisch zu beziehen
ISBN
978-3499215926
Frage 120:
Ich benötige ein Buch für
eine Dreizehnjährige - meine nette Patentochter, die sich mit Fragen
rund um Pubertät beschäftigt.
Antwort 120:
Dieser süße Typ ...
Heidi Adibi: „Tatsächlich 13“
Von Susan Müller
Henriette (genannt Henry) ist eine angehende
Wissenschaftlerin, jedenfalls wünscht sie sich das sehr. Und um früh
genug damit zu beginnen, schreibt sie einen Blog im Internet. Als
ihr die Irren und Wirren der Pubertät im Alltag so langsam selbst
begegnen, scheint ihr es Anlass genug, in diese Richtung Forschungen
zu betreiben und das Verhalten in dieser Zeit zu hinterfragen. So
kommen auch Veränderungen an ihrem Körper ins Spiel und sie fragt
ihre Leser, warum man das alles durchmachen muss. Außerdem fragt
sie, warum sich Eltern manchmal so anstellen und so verhalten, wie
sie sich eben verhalten – meist peinlich. Ihre Mutter ist eine
Vertreterin von Körnerkost und fettfreier Ernährung, was Henry und
ihre Geschwister nicht immer amüsiert. Das kann aber Oma
ausgleichen, die mal schnell zur Sprühsahne und fettigem Kakao
greift, um ein Lächeln auf das Gesicht ihrer Enkelin zu zaubern.
Außerdem will Henry, bis sie 13 ist, einen festen Freund haben und
ist deshalb auch ständig verliebt. Nur wird es immer nichts Ernstes,
weil der Auserwählte irgendeine Unsinnigkeit anstellt, die in Henrys
Augen überhaupt nicht geht, wie Popeln zum Beispiel oder einfach gar
nicht von Henrys Gefühlen weiß.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse.
Henrys Blog soll veröffentlicht werden, doch sie ist noch nicht
volljährig. Hilfe und Rettung nahen in Omas Gestalt, die einfach die
Verantwortung übernimmt. Und dann kommt da noch dieser neue süße Typ
in die Klasse. Jetzt ist sich Henry überhaupt nicht mehr sicher, ob
sie bisher wirklich schon mal verliebt gewesen ist. Ein ganzes Rudel
von Schmetterlingen befindet sich in ihrem Bauch und keine Spur von
Entlieben. Es ist ein entzückendes Jugendbuch, welches die Pubertät
mit all ihren Facetten eindrucksvoll mit- oder wiedererleben lässt.
Und vor allem sieht es doch danach aus, dass Henry ihr Ziel
erreicht, einen festen Freund an ihrer Seite zu haben, denn der ist
„wirklich stark“.
Heidi Adibi:
„Tatsächlich 13“
Pink 2014
176 Seiten, Euro 9,99
ISBN
3-86430-025-8
Frage 119:
Immer mehr Menschen lernen
Partner auf unkonventionellen Wegen kennen. Speed-Dating gehört
dazu. Gibt es ein Buch für junge Leser, in dem das eine Rolle
spielt?
Antwort 118:
Schulschwarm und neue Frau gesucht!
Juma Kliebenstein: „Speed - Dating mit Papa“
Von Susan Müller
Jonas führt mit seinem Papa Ralf einen
Männerhaushalt, seit seine Mama früh gestorben ist. Aber das findet
Tante Birgit, Papas Schwester, auf die Dauer gar nicht gut. Als sie
Papa eine ihrer Freundinnen „andrehen“ will, wird Papa selbst aktiv
und meldet sich zu einer Wandertour für Singles mit Kindern bei
„Amor-Treff“ an. Aber auch hier wird er nicht fündig. Die anfangs
mehr versprechenden Bekanntschaft, entpuppt sich dann doch als nicht
alltagstauglich. Aber Jonas versteht gar nichts, denn da ist doch
die reizende Nachbarin Lotti mit ihrer zweijährigen Tochter Nina,
und die begeistert sich zudem für Fußball! Das spielen oder schauen
beide jedes Wochenende. Als Tante Birgit dann mit einem Speed-Dating
kommt, wird das Fußballwochenende verschoben. Jonas ist sauer und
erzählt Lotti davon. Beim Speed-Dating trifft er dann allerdings auf
seinen Schulschwarm Naomi, die mit ihrer Mutter Raffaela dort ist.
Aber diese Überraschung ist nicht alles, auch Lotti kommt und hat
gleich einen Verehrer. Bisher meinte Jonas ja, dass Papa in Lotti
nur eine gute Freundin sieht, aber der ist plötzlich stinksauer. Am
Ende wird bei Übereinstimmungen ein Wochenende auf dem Rummelplatz
vergeben. Ralf trifft Raffaela und Lotti geht mit dem Lackaffen
Severin. Schließlich nimmt Tante Birgit wieder einmal das Zepter in
die Hand. Es sieht danach ganz danach aus, als verbinde in Zukunft
Nina, Jonas, Lotti und Ralf mehr als eine gute Nachbarschaft…
Eine tolle Geschichte über die Schwerfälligkeit von Erwachsenen, die
die Tipps und Winks ihres Nachwuchses nicht verstehen und auf deren
Unterstützung angewiesen sind, wenn es um echte Gefühle geht. Dazu
flott geschrieben, ist es in der Gattung der Bücher, die direkt aus
dem Leben erzählen sollen, eine Lektüre ohne Untiefen.
Juma
Kliebenstein:
„Speed-Dating
mit Papa“
160 Seiten,
Euro 12,00
Oetinger
2011
ISBN
978-3789140501
Frage
118:
Gibt es ein zu empfehlendes Buch mit
Elefanten? Ich lege eine bibliographische Liste dazu an und bin mir
nicht sicher, ob ich alle erfasst habe.
Antwort 118:
Feinsinnig
Ingrid
Kaletka: „Natumi Okawango. Rettung für die Zirkustiere“
Von Vera
Mayer
Unbedingt
dazu gehört das leider noch zu unbeachtete „Natumi Okawango“ von
Ingrid Kaletka. Es ist bewegend, von dem Elefantenkind zu lesen, das
gefangen wird und zum Zirkustier werden soll. Die Autorin hat sich
in das Thema eingearbeitet und schreibt kenntnisreich und einfühlsam
darüber. Aggressive Zirkusaktivisten, für die die Tierseelen nicht
im Vordergrund stehen, kommen nicht auf ihre Kosten. Aber alle
anderen: Kindgerecht wird die Handlung entwickelt, dabei Klischees
vermieden; ein ungewöhnliches, seltenes Buch und eine Bereicherung.
Geeignet
für Kinder ab 8, ist es in einem liebevollen, sprachlich schönen
Stil gehalten. Die Illustrationen von Ingo Stein ergänzen die
Geschichte, die in einem für Kinder genau passendem Rhythmus erzählt
ist, perfekt. „Natumi Okawango“ ist etwas für Leser mit Feinsinn.
Ingrid
Kaletka:
„Natumi
Okawango. Rettung für die Zirkustiere“
Uranek Verlag
2009
176 Seiten,
Euro 14,90
ISBN
978-3981319606
Frage 117
Mein Sohn
hat in der Schule „Die Wanze“ empfohlen bekommen. Was kommt denn
darin vor?
Antwort
117
Unterschiedlichste Insekten
Paul
Shipton: "Die Wanze"
Von Susan
Müller
Ein
Kinderbuch der etwas anderen Art (und übrigens durchaus auch für
Junggebliebene geeignet). Allein schon wegen der Illustrationen von
Axel Scheffler: Sie ergänzen diesen „ Insektenkrimi“, wie er im
Untertitel heißt, perfekt. Nun: Eine Wanze ist der Privatdetektiv.
Wanze
Maldoon (im Original ist der Buchtitel „Bug Maldoon“) ist eigentlich
ein Käfer und soll den Ohrwurm Eddie suchen, der von seine Brüdern
vermisst wird. Doch der Garten –sein Suchgebiet- ist groß, und
während seiner Suche stößt er auf Ungereimtheiten im Ameisenvolk.
Irgendetwas stimmt da nicht. Und auch die Wespen verhalten sich
komisch. Die Ameisenkönigin bittet ausgerechnet Wanze um Hilfe, eine
bestimmte Ameise ihres Volkes zu suchen. Mit Hilfe der Reporterin,
einer Grashüpferin, findet er heraus, dass einige Ameisen nicht mehr
nur das Volk sein wollen, sondern Individualisten. Sie haben daher
einen solchen Club gegründet. Doch im Volke selbst stehen die
Gegner, die die Königin ausschalten wollen, denn das liegt den
Individualisten fern, sie wollen nur ein wenig Eigenständigkeit.
Es liest
sich überaus gut, wie unterschiedlichste Insekten, natürlich vom
Menschen unbemerkt, den Aufstand proben, bis wieder Gleichgewicht im
Garten hergestellt ist. Die Abenteuer von Wanze und seinen Freunden
solltet ihr selbst lesen. Nur soviel noch, leider wurde Eddie von
der Spinne gefangen gehalten (und, so viel sei verraten, leider auch
deren Nahrung), aber was die Suche nach ihm alles mit sich brachte,
hat wirklich den Namen Insektenkrimi verdient.
Ich suche
nach einem Buch für meine Enkel, das originelle, unangepasste
Illustrationen hat, das etwas Besonderes ist und nicht die übliche
Bilderbuchkost!
Antwort 116
Gestalterisch stark
Roswitha
Moralic: „Gerneklein“
Von Linda
Schmidt
„Gerneklein“
erzählt von einem Jungen, der nicht wachsen will - seine Eltern aber
wollen mit allen Mittel ihn „großziehen“, nach ihm soll es nicht
gehen. Doch das lässt er sich nicht gefallen. Er reist in die Welt
und lernt dort spät, aber nicht zu spät für ihn –eine rau kennen.
Den vorgesehen Weg für sich geht er keinen Meter, und genauso ist es
gut. Diese wichtige Botschaft vermittelt dieses Buch von Roswitha
Moralic, indem es Traditionen des mündlichen Erzählens und des
Singens aufgreift. Eine märchenhafte Geschichte , die Elemente von
„Hänschen klein“ und „Der kleine Däumling“ aufgreift, variiert und
neu interpretiert. Die Wortwahl ist originell, man kann sich freuen
am Sprachwitz und am freien Reim. Die schöne Gestaltung des
Bilderbuches, in dessen Bilder sich der Betrachter auch ohne die
Geschichte zu lesen vertiefen kann, sticht durch Farbgebung und
Collagen in dem Einheitsmeer des Gegenwartsbilderbuches heraus. Die
Illustrationen zeigen den künstlerischen Hintergrund der Schöpferin
des Werkes –„Gerneklein“ ist für mich persönlich das bisher
gestalterisch stärkste Buch des über 20 Bücher umfassenden Oeuvres.
Ein Buch, das Appetit macht auf ein eigenwilliges Leben!
Bücher wie
diese sind eine Bereicherung für unsere Zeit, gerade weil sie an die
großen Literaten der deutschen Romantik erinnern. Die Entdeckung
dessen, was unter der Oberfläche liegt, dazu Märchenhaftes, Lyrik
und Gesang – all diese Charakteristika der Romantik trägt „Gerneklein“
in die Gegenwart. Ein philosophischer Spaß auch für alle, die sich
noch an das Kind erinnern, das sie mal waren.
Meine
kleine Enkelin möchte kleine Geschwister .... Aber meine
Schwiegertochter will keine Kinder mehr (sie will lieber Karriere
machen). Gibt es ein Buch, das sie vertrösten könnte?
Antwort 115:
Toller Lesespaß für Groß, Größer, Klein und Kleiner.
Jenny
Valentine: "Meine Schwester Kiki und ich: Das neue Baby"
Von Susan
Müller
Kiki
möchte ein Geschwisterchen, damit sie auch mal die große Schwester
ist, aber das wollen ihre Eltern nicht. Kiki erfindet sogar eins,
was ihre Eltern, darauf angesprochen, weniger lustig finden.
Aber
Kikis große Schwester kann Kiki kurzzeitig beruhigen, als sie an der
Meßlatte, an der alle Familienangehörigen gemessen wurden, auch die
Plüschtiere antreten lässt.
In
der Familie blieb Kiki natürlich die Kleinste, zu ihrem Leidwesen,
aber mit den Plüschtieren sah das schon anders aus.
Und
dann die Nachricht, der Besuch aus den USA kommt und Tante Kate
erwartet ein Baby. Das Baby kann auch nicht warten, es kommt noch im
Heimatort von Kiki zu Welt und nun ist sie Cousine und natürlich
größer.
Irgendwie ist Kikis Wunsch doch noch in Erfüllung gegangen.
Toller Lesespaß für Groß, Größer, Klein und Kleiner.
Ich möchte mit meinen beiden Kindern den Osten
Deutschlands bereisen. Gibt es eine Art erzählter Reiseführer, die
ich vorlesen und anhand derer wir Ziele aussuchen können?
Antwort 114:
Wir empfehlen eine Reihe aus dem Biber und
Butzemann Verlag:
Anschaulich und interessant
Steffi Bieber–Geske / Sabrina Pohle; Elisabeth
Schieferdecker/Sabrina Pohle: "Schatzsuche in Berlin und
Brandenburg", "Sagenhafte Ferien auf Usedom", "Magische Ferien in
Thüringen"
Von Susan Müller
Schatzsuche in Berlin und Brandenburg
Ein
geheimnisvoller Brief bringt die Kinder Lilly und Nikolas auf eine
Fährte, die sie rund um Berlin mit dem Brandenburger Tor und die
idyllische Landschaft von Brandenburg führt. Ein immer neues Rätsel
ist zu lösen und enthält damit den Hinweis auf die nächste
Attraktion, die in den dortigen Gefilden unbedingt gesehen werden
muss.
Sehr
anschaulich und interessant werden dadurch die Gegend und die
Hauptstadt eindrucksvoll beschrieben. Der Leser fühlt sich, als
würde er mit den Kindern mitreisen.
Steffi
Bieber-Geske:
"Schatzsuche
in Berlin-Brandenburg"
Mit
Illustrationen von Sabrina Pohle
Biber
& Butzemann
2013
77
Seiten, 9,95 Euro
ISBN:
978-3942428040
Sagenhafte Ferien auf Usedom
Wieder
einmal sind Ferien angesagt in der Familie von Lilly und Nikolas mit
den Eltern. Diesmal geht es nach Usedom mit seinen malerischen
Bäderorten. Es gibt Seebrücken und Unterwasseraquarien, jedes
einzelne Ausflugsziel löst bei den Kindern Begeisterung aus. Und
dann gibt es noch die sagenumwobene Stadt Vineta. Sie ist versunken
und soll sich auf dem Meeresgrund befinden. Was eine Sage so
ausmacht - es ranken sich verschiedene Geschichten um das ehemals
sehr reiche Vineta. Und man soll es heute an bestimmten Tagen noch
sehen können. Leider klappt das bei Nikolas nicht, auch wenn er sich
die Augen aus dem Kopf schaut ... Aber selbst so: Der Urlaub war
wieder ein Volltreffer.
Steffi
Bieber-Geske:
"Sagenhafte
Ferien auf Usedom"
Mit
Illustrationen von Sabrina Pohle
Biber
& Butzemann
2013
77
Seiten, 9,95 Euro
ISBN:
978-3942428057
Magische Ferien in Thüringen
Das
grüne Herz Deutschlands liegt ja nun höher als die See und die
Hauptstadt. Nichtsdestotrotz fasziniert es mit seinen Bergen und
anderen Sehenswürdigkeiten. Unsere Familie macht in Saalfeld Urlaub.
Und ausgerechnet dort gibt es die Saalfelder Feengrotten! Dazu gibt
es reichlich Material für Geschichten um Feen und Elfen. Der
Zauberer Urlaubius (Papa) möchte jedem einen Wunsch erfüllen. So
bekommt Lilly große Augen in den Feengrotten, die voll sind von
Elfen- und Feengeschichten. Ihre ist erfüllt. Aber wird es mit
Nikolas‘ Wunsch einer Mondfahrt ebenso einfach für den Zauberer?
Unser Urlaubius hat keine Mühen gescheut, und so landen die vier in
Jena im Planetarium und werden dort auf eine Reise zum Mond und den
Sternen mitgenommen. Dem Reisetagebuch von Nikolas wird ein
spannender Tag hinzugefügt. Ob er damit vielleicht einen Preis in
der Schule gewinnt? Egal, ob oder ob nicht: Für Nikolas wird das
Planetarium an erster Stelle stehen dank unserem Zauberer Urlaubius.
Es ist
wunderschön zu lesen, mit welchem „Rahmenprogramm“ unsere Heimat den
jungen Lesern nahe gebracht wird. Eine kleine Geschichte steht immer
rund um den Reiseführer und der hat genau die richtige Länge und man
möchte ihn gar nicht vorzeitig zur Seite legen
Endlich! Ein spannendes und richtig gruseliges Buch
Martina Wildner: "Das schaurige Haus "
Von Anne
Spitzner
Weil
sein Vater einen neuen Job hat, zieht der 13-jährige Hendrik mit
seiner Familie ins Allgäu. Das einzige Haus, das sie dort mieten
können, ist etwas heruntergekommen, aber günstig, und besitzt einen
großen Garten. Doch Hendriks kleiner Bruder Eddi wird plötzlich
nicht nur zum Schneckensammler, sondern auch zum Schlafwandler, und
malt seltsame Schneckenbilder an die Wand. Hinter der Tapete in
seinem Zimmer entdeckt die Familie eine unvollständige Botschaft,
und im Keller finden sie eine geheimnisvolle Tür. Aber nicht nur
Eddi macht ihnen Sorgen; Hendrik wird – wegen seines sächsischen
Akzents, dem Haus, in dem er wohnt, oder auch nur, weil er anders
ist – von seinen Klassenkameraden gehänselt und gepiesackt. Ihre
Mutter ist unglücklich, weil sie keine Arbeit hat, und dann fangen
die anderen Kinder auch noch an, zu erzählen, in dem Haus „Am
Pestkirchlein“ seien vor dreißig Jahren zwei Kinder ermordet worden.
Und das Schlimmste ist: Hendrik findet Hinweise darauf, dass es im
Haus tatsächlich spuken könnte…
Martina
Wildner schafft das Meisterstück, ihre Gruselgeschichte so spannend
und unheimlich zu erzählen, dass einem beim Lesen eine Gänsehaut
nach der nächsten über den Rücken kriecht, und gleichzeitig aber so
glaubwürdig zu bleiben, dass – wie Hendrik zwischendurch auch selbst
immer wieder feststellt – alles nur ein Zufall sein könnte. Auch,
wenn es für den Leser unmöglich zu glauben ist. Es ist nahezu
unmöglich, dieses Buch aus der Hand zu legen; ich habe mich mitten
auf dem Heimweg mit dem Fahrrad auf eine Bank gesetzt, um es zu Ende
zu lesen, weil ich es nicht bis nach Hause aushalten konnte.
Hendriks
Familie hat im Allgäu plötzlich eine Menge Probleme, die vorher
nicht da waren, aber sie treten alle in den Hintergrund, sobald die
„Spukgeschichte“ anfängt, und nach und nach stellt sich heraus, dass
sie alle damit zu tun haben: Eddis Schlafwandlerei, die
Unzufriedenheit der Mutter der beiden, die Gemeinheiten der anderen
Mitschüler. Wird es Hendrik am Ende gelungen, den Fluch zu brechen,
der auf dem Haus oder auf dem Dorf zu liegen scheint? Diese Frage
bleibt fast bis zur letzten Seite unbeantwortet, und mehr als einmal
kann das Ganze auch schlecht ausgehen.
Das
Schönste am ganzen Buch ist aber, dass Martina Wildner kein einziges
Mal abgleitet, in keine einzige Formulierung, bei der alles
unglaubwürdig wird. Man lässt Hendrik als Ich-Erzähler keinen Moment
lang aus den Augen, und so erklärt man sich die Vorgänge auch mit
seinen Erklärungen, kriegt seine Panik mit, wenn er glaubt, in einem
verfluchten Haus zu wohnen, aber an anderen Stellen liest man auch,
dass Hendrik sich alles auch ganz anders erklären kann.
Zusammenfassend also: Ein wirklich spannendes und gruseliges Buch,
und das auf deutlich höherem Niveau als die meisten anderen Bücher,
die man in diesem Genre zu lesen bekommt!
Meine
Tochter ist 12 und liest nicht, ich bin verzweifelt und weiß nicht,
was ich tun soll. Gibt es ein Buch, das so spannend oder gut ist,
dass meine Tochter, die sich sonst nur für Filme interessiert, es
lesen würde? Es muss nicht mal so gut sein, Hauptsache, sie liest
es.
Antwort
112:
Spannend,
witzig, gut zu lesen
Katja
Henkel: Rosa Rabenstein – 1 neue Nachricht
Von Anne
Spitzner
Rosa
Rabenstein ist 12 Jahre alt und kommt aus Berlin. Es sind
Sommerferien, und während ihre ABFs (allerbesten Freundinnen) auf
Lanzarote Urlaub machen dürfen, muss sie mit ihrer Familie (die sie
im Mehrheitsentscheid überstimmt hat) nach Island, wo es einfach nur
„urlangweilig“ ist. Außerdem hat ihre Mutter ihr verboten, ihr Handy
zu benutzen, und das ist einfach furchtbar, weil sie so sehnsüchtig
auf eine SMS von Bruno wartet.
Doch diese Probleme werden plötzlich ganz unwichtig, als Rosa im
Elfenmuseum auf Cosma trifft, die eine richtige echte Elfe ist. Sie
wünschen sich heftig, der jeweils andere zu sein, und plötzlich
passiert es einfach: Cosma steckt in Rosas Haus, und Rosa in Cosmas.
Nach ein paar Schreckmomenten gefällt es den beiden aber ganz gut,
und sie entscheiden, einen Tag das Leben der jeweils anderen zu
leben. Cosma geht mit Rosas Familie wandern, aber Rosa (in Cosmas
Gestalt) steht plötzlich vor ganz anderen Problemen: Der Elfensee
soll zugeschüttet werden, und das muss sie irgendwie verhindern!
Wie sich Rosa und Cosma schlagen, was sie dabei lernen und wie Elfen
die Welt sehen, erfährt man als faszinierter Leser in Katja Henkels
Buch „Rosa Rabenstein – 1 neue Nachricht“. Zu Beginn ist es eine
ganz normale Teenager-Geschichte: Teenager fährt mit Familie zu
einem Ziel, zu dem sie nicht will, streitet sich mit dem kleinen
Bruder, wartet sehnsüchtig auf SMS von Angebetetem. Doch dann ist
plötzlich alles ganz anders. Aber egal, in welcher Geschichte man
ist (Teenie- oder Fantasyroman), Katja Henkels Buch ist spannend,
witzig, gut zu lesen und schwer aus der Hand zu legen, sodass man
eigentlich von Anfang bis Ende dabeibleibt. Ob es am Ende gelingt,
den Elfensee zu retten, ist fast nebensächlich, sobald man erstmal
die Elfen kennenlernt, die durchweg sympathisch sind; einiges an
ihrer Verhaltensweise ist so anders, dass man sich erstmal wundert,
aber dann begreift, dass ein wenig elfisches Wesen manchen Menschen
ganz gut tun würde: Elfen lügen nicht, aber die erwachsenen Elfen
verbieten den Elfenkindern und –jugendlichen auch nichts, sondern
geben ihnen nur Ratschläge, an die die Kinder sich aber nicht halten
müssen. Und die Elfenkinder haben einen See, an dem sie
unbeaufsichtigt spielen dürfen, ohne dass die Erwachsenen sich
einmischen. Diesen Wunschtraum aller Jugendlichen beschreibt Katja
Henkel aber so gut (die Elfen passen aufeinander auf und machen nur
sehr wenig Blödsinn), dass er fast schon machbar erscheint.
Am Ende wird es dann wirklich knapp, zurückzutauschen; und dass Rosa
endlich die ersehnte SMS bekommt, ist ihr fast schon nicht mehr
wichtig. Viel wichtiger ist, den Elfensee gerettet und ihre Familie
wiederzuhaben – und es würde manchen von uns ganz gut tun, sich das
auch mal vor Augen zu führen. Jedenfalls eine gute Lektüre nicht nur
für Teenager, die sich im Urlaub langweilen und sich wünschen, dass
endlich mal was SPANNENDES passiert.
Ich suche für meine 10-Jährige Nichte, eine echte Leseratte, ein
tolles, phantasievolles und zum Nachdenken anregendes Buch.
Antwort
111:
Für Leser, die ihre Phantasie noch nicht verloren haben
Kathi Appelt: Das Meer und das Mädchen
Von Carolin Kotsch
Alle
sind böse auf Mirja. Jeder einzelne Benwohner des „kleinen
Universums“ an der texanischen Küste. Das sind neben Mirja ihre
Ersatzmutter Signe, der stotternde Dogie und der alte Mr Beauchamp.
Alle sind sie böse und dabei ist alles nur wegen den sprechenden
Krabben passiert. Sie haben alles verdorben: Signes leckeres Gumbo,
Dogies Heiratsantrag und Mr Beauchamps nachtblühenden Kaktus. Also
die ganze Nacht des blauen Mondes, auf die sich alle gefreut haben.
Ein bisschen Schuld sind aber auch die „Viecher“, die Hunde BF und
Zwei, die Möwe Captain und die einäugige Katze Sindbad.
Wie soll ein zehnjähriges Mädchen das alles wieder in Ordnung
bringen? Ganz einfach! Sie muss nur ihre seit sieben Jahren
verschwundene Mutter Meggie Marie finden. Ungefährlich ist das
allerdings nicht, denn die Meerjungfrauen treffen sich nachts auf
der Sandbank draußen im Meer. Aber Mirja hat ja ihren Glücksbringer
und die sieben geschnitzten Meerlinge und macht sich so voller
Hoffnung gemeinsam mit BF auf den Weg.
Kathi Appelt erzählt in ihrem Buch Das Meer und das Mädchen viele
Geschichten. Die eines Mädchens, das an Zauberwesen glaubt, die
eines alten Mannes, der seit Jahrzehnten auf die Liebe seines Lebens
wartet, die einer jungen Frau, die um jeden Preis ihr kleines
Mädchen beschützen möchte, die eines Mannes, der die Bilder des
Krieges nicht vergessen kann und die von vier Tieren, die jedes für
sich etwas ganz besonderes sind.
Das eigentliche Geschehen wird an ereignisreichen Stellen immer
wieder von Rückblenden unterbrochen, sodass immer mehr Fragen
aufgeworfen werden. Der Leser wird unweigerlich in den Bann gezogen
und will mehr erfahren. Eine große Frage, die sich von Anfang an
stellt, ist, welcher Teil des Geschehens Wirklichkeit ist und
welcher Teil nur der Fantasie eines zehnjährigen Mädchens
entspringt. Am Ende muss der Leser über die Antwort ein bisschen
selbst entscheiden und hat so genug Freiraum um die eigene Fantasie
spielen zu lassen.
Kathi Appelt schreibt in einem sehr eingängigen Stil. Sie schafft es
problemlos Gedanken in Worte zu fassen und den Leser so mitten ins
Geschehen zu versetzen. Dabei berichtet sie nicht nur aus der Sicht
der Menschen, sondern auch aus der der Tiere, sodass sich alles
allmählich zu einem großen Ganzen fügt.
Das Buch eignet sich für Leser ab acht Jahren und für alle anderen,
die ihre Fantasie noch nicht verloren haben.
Ab 8
Ich habe
noch einen Ella-Band gesehen. Geht so viel Serie überhaupt noch?
Antwort
110:
Qualitätswitz
Timo Parvela: „Ella und der Neue in der Klasse“
Von Sebastian Mayer
Nun
ist der siebte Band herausgekommen: „Ella und der Neue in der
Klasse“ ist „Ella“ in Bestform, nachdem Band 5 und 6 die
korsettgeschnürten Schwächen einer nicht enden wollenden Serie
hatten. Aber jetzt hat sich der finnische Autor Timo Parvela
offensichtlich wieder freigeschwommen.
In diesem Buch fährt die ganze Klasse einschließlich Paavo, der der
Neue in der Klasse ist, ohne Aufsicht in die Stadt und erlebt wieder
allerlei komisches Zeug. Zum Beispiel sind die Schüler im Fernsehen
zu sehen - allein bei der bloßen Vorstellung, dass diese
Chaotenklasse im Fernsehen zu sehen sein soll, muss man schon
lachen. Und so sitzen auch die Gags im Detail. Da sind sie wieder,
die lesenden Kinder, die gleichzeitig lachende Kinder sind. Doch
auch für Erwachsene hat der Autor immer mal kleine Scherze
eingebaut, allein das Thema Schwiegereltern, Erbe und noch so
einiges anderes. Durch Paavo, den Neuen, der beim Stadtausflug
verloren geht und auf den sich die ganze Handlung richtet, wird die
Gruppe wieder von außen betrachtet; so können sich die bekannten
Helden (zum Beispiel Hanna, die Lehrerin und Filmstar werden will)
und Anti-Helden (zum Beispiel Pekka „der Klassendödel“) und
Statisten frisch darstellen. Damit ist Raum für Wiedererkennung,
aber auch für ein Schärfen der Charaktere. Dass diese sehr
schematisch sein müssen, ist dem Genre „Spaßbuch“ geschuldet, aber
sie müssen nicht – das zeigt dieser Band – notwendigerweise erstarrt
sein. Der Witz von diesem „Ella“-Band wird besonders in den Dialogen
der Kinder vollendet herausgearbeitet: Das Spiel mit den zwei
Wahrheiten; der einen, die in Schule und Gesellschaft gilt, und der
anderen, die Kinder so unumwunden aussprechen können. Mütter, die
die Hausaufgaben machen, jedes Kind mit Handy, doch kein Gerät
funktioniert richtig, Mädchen, die Prinzessinnen sein wollen und
nicht berufstätige Frauen. Darum lockert „Ella“ alle auf und ist
lesens- und lachenswert.
Ich brauche
für mein Grundschulkind ein gutgemachtes und fachkundiges Naturbuch.
Antwort
109:
Eine
Bereicherung an jeder Grundschule
Bärbel Oftring: "Mein Kosmos-Buch Natur: Die 150 wichtigsten
einheimischen Tiere und Pflanzen"
Von Julia
Meumann
„Mein
Kosmos-Buch Natur“ ist ein bunter Atlas der einheimischen Tier und
Pflanzenwelt, der mit vielen farbigen Bildern und Detailzeichnungen
zum Schmökern und Nachschlagen einlädt.
Das Buch ist unglaublich umfangreich,
was die Themenbereiche angeht und doch sehr übersichtlich und
zusammenhängend gegliedert. Direkt auf der ersten Doppelseite findet
man eine hierarchische Baumgrafik, in der die Tiere angefangen von
den wirbellosen Tieren und den Wirbeltieren bis hin zu den Insekten,
Vögeln, und Säugetieren eingeordnet werden. Auf der letzten Seite
des Buches findet man eine ebensolche Grafik für die Pflanzen,
angefangen von Moosen, Farnen und Pilzen, bis hin zu den Blumen,
Nadelbäumen, Laubbäumen und Sträuchern.
Am Anfang der jeweiligen Kapitel steht
immer noch eine allgemeine Einführung, z.B. was ist eine Blume?
Woran erkennt man sie und wie ist sie aufgebaut? In leicht
verständlichen, kurzen Sätzen werden die jungen Leser direkt
angesprochen.
Die Autorin wählt spannend und
abwechslungsreich aus den markantesten Merkmalen der verschiedenen
Spezies aus, geht auf ihre Besonderheiten ein und gibt Tipps zum
Beobachten und für eigene Entdeckungstouren. Wie rettet man zum
Beispiel eine verirrte Fledermaus aus dem Vorhang, warum lieben
Marder Autos, in welchem Baum lebte der Donnergott Thor, wie kann
man Amseln voneinander unterscheiden und wohin ziehen die Zugvögel
im Winter? Außerdem gibt es noch verschiedene Rezepte, Basteltipps
und Warnhinweise, wo es nötig ist.
Ein tolles Buch zum Nachschlagen für
Hausaufgaben und Referate oder um Anregungen zu sammeln für die
eigenen Expeditionen junger Naturforscher in ihrer Freizeit. Aber auch für Eltern, die ihren
Kindern mal eben kurz erklären möchten, was eine Fotosynthese ist,
warum die Bäume im Herbst ihre Blätter verlieren oder wie genau man
noch mal Hafer-, Gersten-, Roggen- und Weizenehren voneinander
unterscheidet, kann das Buch sehr nützlich sein!
Als Erkennungsbuch für die
Hosentasche ist es eindeutig zu groß - aber im Bücherschrank sollte
es immer ganz vorne stehen, und für den Biologie- und
Sachkundeunterricht wäre es eine Bereicherung an jeder Grundschule.
Bärbel Oftring: "Mein Kosmos-Buch Natur: Die 150 wichtigsten
einheimischen Tiere und Pflanzen"
Von der Rezensentin ist zuletzt das
erzählerische Baumbestimmungsbuch "Das Mädchen mit den langen
Zöpfen" (ISBN 978-3938531631) erschienen.
Frage 108:
Wir haben
"Im Land der Stundendiebe" von Thomas Mendl geschenkt bekommen. Mich
würde eine fachlich genaue Analyse des Buches interessieren.
Antwort
108:
Komplexität
der Handlung
Thomas
Mendl: "Im Land der Stundendiebe"
Von Sabine
Planka
Die Eltern
der Zwillinge Anna und Ben verreisen für eine Woche und lassen die
beiden in der Obhut von Tante Mia. Bevor die Tante kommt,
beschließen Anna und Ben sich einen Film im Fernsehen anzuschauen.
Doch ein Kurzschluss beendet das Filmvergnügen. Auf der Suche nach
dem Sicherungskasten landen die Zwillinge im Keller und finden einen
geheimnisvollen Hebel, den Anna betätigt. Zunächst scheint nichts
passiert zu sein. Die beiden verlassen den Keller wieder – und
finden sich zurückkatapultiert ins Jahr 1919. Sie sind zwar noch im
selben Haus, treffen jedoch auf die ‚neuen‘ Besitzer Tegelmans und
das Dienstmädchen Cosima des Hauses. Anna und Ben werden ins
Weisenhaus gebracht, wo sie auf drei andere Kinder treffen, die
ebenfalls in dem Haus erschienen sind.
Anna und
Ben erfahren, dass sie durch eine Zeitreise im Jahr 1919 gelandet
sind. Auf der Suche nach einem Ausweg treffen die Kinder auf Samuel
Tegelmans, der sie bittet, ihm bei der Suche nach seiner Tochter zu
helfen, die in einer Parallelwelt entweder in der Vergangenheit oder
Zukunft festsitzt. Anna, Ben und die anderen Kinder entschließen
sich zu helfen. Was die Kinder jedoch nicht ahnen: Samuel führt
Böses im Schilde und schickt sie mit einer Maschine in eine
Nebenwelt des Jahres 1919, in ein sogenanntes Reflectat, eine
Spiegelwelt. Die Bewohner dieser Welt können die Gestalt von
Personen der echten Welt annehmen, hinzu kommt, das physikalische
Gesetze keine Gültigkeit besitzen (vgl. Mendl (2012), S. 96).
Dort finden
die Kinder dann auch Armelle, die Tochter Samuel Tegelmans, die
ihnen erklärt, dass der Samuel, mit dem alle gesprochen haben, ein
Reflectierter ist, der dem Reflectat entflohen ist und im Tausch
Armelles Vater im Reflectat eingesperrt hat. Nun machen sich die
Kinder auf die Suche nach dem echten Samuel Tegelmans. Unterwegs
verlieren sie Armelle, die sie aber schließlich wiederfinden, ebenso
den echten Samuel. Schließlich erfahren alle, dass diese vom
falschen Samuel initiierte Entführung einem größeren Plan dient: Die
Reflectierten im Reflectat haben nur eine begrenzte Lebensdauer und
wollen sich gegen die Menschen in der echten Welt austauschen, um
mehr Zeit und damit ein längeres Leben zu haben.
Anna wird
schließlich als diejenige erkannt, die die Welten und Menschen
retten kann, wozu sie allerdings wieder in ihre echte Zeit, ins Jahr
2011, zurückkehren muss. An diesem Punkt greifen alle Welten
ineinander, sowohl Reflectat als auch die des Jahres 1919 und die
des Jahres 2011: Anna wird von Feuerwehrleuten gerettet, die sie aus
einem brennenden Haus bergen (vgl. Mendl (2012), S. 233ff.). Anna
erwacht im Krankenhaus und muss erfahren, dass nach dem Kurzschluss
des Fernsehers ihr Elternhaus in Flammen aufgegangen und Ben
verschwunden, respektive gestorben ist. Anna kann das kaum glauben.
Je länger sie jedoch wieder in ihrer Realität ist, beginnt auch sie
zu denken, dass das, was bisher geschehen ist, ein Traum war und
scheint sich damit abzufinden.
Dann trifft
sie jedoch auf Jos Tempora, der mit Zeit handelt. Und hier wird die
Geschichte wieder phantastisch, denn Anna handelt mit ihm aus, dass
er 2-3 Millionen Jahre an den Herrscher der Reflectats schickt,
damit er den Austausch der Menschen gegen Reflectierte wieder
rückgängig macht. Anna kehrt direkt in das Reflectat zurück – ohne
Umweg über das Jahr 1919 – und trifft dort neben ihren Freunden auch
ihren Bruder Ben wieder. Gemeinsam erfahren sie, dass der Herrscher
den Tausch bereits rückgängig gemacht hat und dass nun nur noch der
falsche Samuel Tegelmans, der eigentlich Adlatus Borg heißt, sein
Unwesen in der echten Zeit 1919 treibt. Nur die Kinder können den
nach Macht strebenden Adlatus aufhalten. Sie machen sich also auf
den Weg ins echte Jahr 1919 und können dort Adlatus ausschalten, so
dass er keine Gefahr mehr darstellt. Alle feiern diesen Sieg, als es
plötzlich an der Tür klingelt. Als Anna merkt, dass man ihr
verheimlicht, wer dort geklingelt hat, steht sie auf und guckt nach.
Und auch nun vermischen sich wieder Vergangenheit und Gegenwart:
Anna sieht vor dem Haus das Auto ihrer Eltern und findet sich
plötzlich in der Gegenwart wieder und zwar an dem Zeitpunkt, an dem
ihre Eltern zu der Reise aufbrechen wollen. Hier trifft sie auch
ihren Bruder Ben wieder, der nicht gestorben ist, weil der
Kurzschluss des Fernsehers noch nicht eingetreten ist.
Als Ben
vorschlägt, sie könnten doch einen Film gucken, hält Anna ihn davon
ab und erzählt ihm ihre Geschichte. Beide gehen auf den Dachboden
und suchen nach einem Stammbaum und Hinweisen auf die
Familiengeschichte und finden heraus, dass Armelle Tegelmans Annas
Urgroßmutter ist und Anna somit ihre Großmutter gerettet hat.
Das Buch reiht sich durch die gewählte Thematik der
Zeitreise in die Reihe zahlreicher anderer Werke ein, die sich
dieses Motivs bedienen, um Abenteuer-, Science Ficton- oder
historische Geschichten zu erzählen. Dabei macht es das Buch
eigentlich spannend, da der Leser nie wirklich erfährt, ob Anna die
ganze Geschichte nur erfunden, geradezu erträumt hat während des
Brandes oder ihrer späteren Genesungsphase zu Hause. Für einen Traum
spricht besonders der Hinweis, dass physikalische Gesetze v.a. im
Reflectat nicht gelten und auch bewusst vom Autor außer Kraft
gesetzt werden. Auf etwas Ähnliches weist auch Sigmund Freud bzgl.
des Traums hin, sagt er doch, dass der Traum über seine eigenen
Gesetzmäßigkeiten verfüge.
Die
Geschichte, die der heterodiegetische Erzähler erzählt und dabei an
Anna als Protagonistin klebt, ist mehr als phantastisch. Und hier
verliert das Buch leider etwas an Qualität, denn die Geschichte
erscheint als zu überfrachtet mit den ganzen Informationen über
Realität, Vergangenheit und deren gespiegelter Welt, die als
Reflectat bezeichnet wird. Hinzu kommen viele kleine, komplexe
Sachverhalte, die in die Narration eingebettet werden.
Die
Komplexität, die hier entwickelt wird, ist bewundernswert und steht
auch ganz im Sinne phantastischer Literatur. Allerdings erscheinen
die Ereignisse zu stark auf zu engem Raum komprimiert und damit
teilweise für den Leser verwirrend, worunter auch der Schreibstil
leidet, der sich darum bemüht, bewusst jugendlich zu wirken, vor
allem, wenn es um die Abgrenzung der Protagonisten voneinander geht.
Auch wenn
es momentan auf dem Buchmarkt überwiegend Mehrteiler gibt, wäre es
wünschenswert gewesen, der Autor hätte die komplexe Handlung auf
mehrere Bände verteilt, um der Geschichte etwas Luft zu geben, damit
sie sich langsamer hätte entwickeln können. Das wäre sicherlich auch
dem detektivischen Spürsinn des Lesers entgegengekommen, der sich
immerhin gemeinsam mit Anna auf die Suche nach Armelle macht und
zudem die familiären Zusammenhänge der Protagonisten hätte
entschlüsseln können. So wird die Geschichte im großen Ganzen viel
zu schnell aufgelöst, wie es auch bei Dingen im Kleinen passiert,
die ebenfalls den detektivischen Spürsinn des Lesers hätten fordern
können, die allerdings kaum 2-3 Seiten später schon wieder aufgelöst
werden. Das ist aber sicherlich der Komplexität der Handlung
geschuldet, die es sich nicht leisten kann, kleine Andeutungen zu
vergessen und nicht aufzulösen.
Trotz
dieser Komplexität gelingt es dem Autor, den roten Faden der
Erzählung nicht aus den Augen zu verlieren und die Handlungsstränge
aufzulösen – abgesehen vom Ende, dass er als offenes Ende konzipiert
und hier Anknüpfungen für Fortsetzungsbände des Buches bietet.
Das Cover
und die Gestaltung von "Das Geheimnis von Ashton Place" gefällt mir
extrem gut. Es sieht nach einem literarischen Klassiker aus, sehr
gut. Aber ist auch drin, wonach es aussieht?
Antwort
107:
Mary
Poppins in der Welt von Jane Eyre
Maryrose
Wood: "Das Geheimnis von Ashton Place. Aller Anfang ist wild"
Von Ada
Bieber
Vor einem
Jahr erschien in Deutschland der Kinderroman “Das Geheimnis von
Ashton Place. Aller Anfang ist wild”, Auftakt einer neuen Reihe für
junge Leserinnen und Leser der amerikanischen Autorin Maryrose Wood,
von der mittlerweile schon der zweite Band im Thienemann Verlag
erschienen ist. Die Handlung entführt die Leser ins viktorianische
England auf eines jener hochherrschaftlichen Anwesen, die man aus
den Romanen von Jane Austen oder den Schwestern Brontë kennt. Die
noch blutjunge Gouvernante Penelope tritt dort ihre erste Stelle an
und wird unerwartet mit jungen Wolfskindern konfrontiert, die vom
Gutsherren kürzlich im Wald auf seinem Anwesen gefunden wurden und
denen die unerfahrene, aber entschlossene Penny nicht nur die
Sprache und angemessenes Benehmen vermitteln soll, sondern denen sie
außerdem mit viel Zuneigung und Kulturanspruch beikommen möchte.
Die junge
Gouvernante ist unübersehbar als Figur durch ihre eigene
unglückliche Kindheit an Jane Eyre angelehnt - eine der
Liebslingsfiguren der Autorin, wie das Nachwort verrät. Vielfach
wird durch sie aber auch an andere Gouvernanten-Romane erinnert und
darüber hinaus ist ihr ein lebendig-lebenslustiger Pragmatismus
eigen, der nicht selten an die unübertroffene Mary Poppins erinnert,
auch wenn Penelope nicht gerade mit dem Regenschirm anreist oder
sonst auf phantastische Eigenschaften zurückgreifen kann. Die
resolute und unkonventionelle Art Mary Poppins ist es aber, die hier
eine Brücke schlagen soll zwischen der für heutige Leser oft fremde
Welt des viktorianischen Englands und einer modernen, oftmals allzu
albernen Erzählweise. Das kann gelegentlich amüsieren, doch zeigt
sich hier vor allem ein Grundproblem der Geschichte: gelegentlich
beschleicht den Leser nämlich der Eindruck, dass ein Crossover
zwischen historischem Jugendroman, Erzählungen einer Frances Hodgson
Burnett, eines Familiengeheimnises und komischen
Kindermädchen-Erzählung versucht wird, das jedoch den einzelnen
Motiven und Stoffen nicht gerecht wird. Dies fällt insbesondere dann
auf, wenn man sich fragt, weshalb denn eine prinzipiell so spannende
Geschichte über Wolfskinder in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts vor der Kulisse einer oft als unmenschlich gezeichneten
Adelsgesellschaft so viel Slapstick und Comedy-Erklärungen braucht?
Das verhindert ein wirkliches Eintauchen in die literarische Welt.
Die Kinder,
um die es dabei eigentlich geht, verkommen gar zu reinen
Platzhaltern in einer Handlung voller stereotyper Figuren, denn der
Leser erfährt kaum etwas über ihre innere Entwicklung und auch ihre
rasanten Lernerfolge wirken unrealistisch und herbeigezerrt! Das ist
schade, denn die Grundidee des Romans, nämlich Wolfskinder in eine
Gesellschaft voller überkommender Konventionen einbrechen zu lassen
und nach den wahrhaft wichtigen Aspekten von Gesellschaft und
Zivilisation fragen zu lassen, ist durchaus spannend. Weniger wäre
hier mehr gewesen und so macht dieses Buch wohl nur dann wirklich
Freude, wenn man mehr auf eine lustige Lektüre denn auf eine
literarisch fundierte Reise ins alte England aus ist. Dafür bleiben
die Titel von Frances Hudgson Burnett weiterhin unübertroffen!
Maryrose
Wood:
"Das
Geheimnis von Ashton Place. Aller Anfang ist schwer"
Ich habe
eine schöne Sammlung an Gute-Nacht-Bilderbüchern, die im
Kinderzimmer im Regal stehen und als schönes und funktionierendes
Einschlaf-Ritual abends herausgeholt werden. Ich möchte meine
Sammlung ständig aktualisieren. Können Sie mich mit Neuerscheinungen
auf dem laufenden halten?
Antwort
107:
Köstliche
Kindergedanken
Katharina
Grossmann-Hensel: „Warum Erwachsene nachts so lange aufbleiben
müssen“
(am)
Katharina Grossmann-Hensel illustriert Kinderbücher so, dass man
ihren Pinselstrich sofort erkennt. Sie schreibt sie auch selber, und
da geht sie danach vor, die Phantasie der Kinder für Realität zu
nehmen. „Warum Erwachsene nachts so lange aufbleiben müssen“ erzählt
auf 24 Seiten, was hinter den Türen passiert, sobald die Kinder zu
Bett gehen. Denn das Aufbleiben-Müssen ist das Gegenstück zum
Ins-Bett-Müssen. Mit lustigen Illustrationen werden den jungen
Betrachtern keine Grenzen in ihrer Vorstellungskraft gesetzt.
Alltägliche Abendereignisse sowie köstliche Kindergedanken werden
gelungen verbildlicht. Ein witzig-schönes Bilderbuch, perfekt
geeignet als Gutenacht-Geschichte vor dem Schlafengehen. (Ab 3)
Katharina
Grossmann-Hensel:
„Warum
Erwachsene nachts so lange aufbleiben müssen“
Als ich
letztens mit meinen Kindern im Zoo war, habe ich das erste Mal in
keinem Leben Wombats gesehen und von ihnen gehört. Gibt es da irgend
etwas für Kinder.
Antwort
106:
Artspezifisches Verhalten...
Thilo
Reffert: "Australien, ich komme"
Von Carolin
Kotsch
Wombat ist
das neue Haustier von Eva und Chris und er hat seine ganz eigene
Sicht auf die Dinge, die so um ihn herum passieren. Und ihm passiert
eine ganze Menge.
Ohne es zu
wissen, strapaziert er mit seinem artspezifischen Verhalten
pausenlos die Nerven seiner geduldigen, wenn auch unkundigen
Besitzer. Besonders seine Vorliebe für das Graben von Löchern,
vorzugsweise im gepflegten Rasen, stößt bei denen auf wenig
Gegenliebe. So versuchen sie es beispielsweise mit einer
Hundeschule. Wombat kommt aber gar nicht auf Idee, sich wie die
seiner Meinung nach dummen Hunde zu verhalten. Als schließlich alle
Erziehungsversuche gescheitert sind, muss Wombat in einen Käfig. Er
hadert wenig mit seinem Schicksal, bis er einen ganz besonderen
Stein mitten in seinem Zwinger entdeckt. Ein Stein vom heiligen Berg
Uluru! Wombat ist außer sich und beschließt, den Stein sofort zurück
nach Australien zu bringen. Nur so kann er Eva und Chris von dem
großen Unglück bewahren, dass man auf sich zieht, wenn man den Uluru
oder einen Teil dessen berührt.
Und so
überwindet Wombat mühelos den für ihn errichteten Zaun und macht
sich auf den Weg in sein Heimatland. Unterwegs begegnet ihm so manch
ungewöhnlicher Zeitgenosse und lässt die Reise zu einem
abenteuerlichen Erlebnis werden. Leider kennt Wombat den Weg nach
Australien nicht und weiß auch nicht, wie weit es weg ist. Und so
steht lange nicht fest, ob Wombat seine wichtige Mission erfüllen
kann.
Thilo
Reffert schafft mit Wombat ein auf den ersten Blick naiv anmutendes
Tier. Durch die Wiedergabe seiner kommentierenden und völlig
unreflektierten Gedanken aber, wirkt nicht etwa das Tier, sondern
die Welt und besonders die Menschen um ihn herum, ziemlich
ahnungslos. Unterstützt wird dieser Eindruck durch Refferts sehr
eingängigen und leicht verständlichen, aber umso wortwitzigeren
Sprachstil. Es gelingt ihm seinen Humor scharfsinnig einzusetzen,
sodass er nie deplatziert wirkt.
Veranschaulicht wird Wombats Reise durch viele kleine und große
Illustrationen, die sich sehr harmonisch in die mit sehr sprechenden
Überschriften versehenen Kapitel einfügen.
Kinder fast
allen Alters finden in diesem Buch eine fesselnde Geschichte und
einen Protagonisten, über den man herzlich kann. Erwachsene
entdecken dahinter zusätzlich viele subtile Andeutungen und ein
wenig, mit einem Augenzwinkern hervorgebrachte, Kritik an allzu
großer Ernsthaftigkeit im Lebens.
Wir kennen
den ersten Band von die Pappenheimer. Hält die Serie das Niveau?
Antwort
105:
Voller
Ideen
Jörg
Hilbert: "Die Pappenheimer und der Reißwolf"
Von Anne
Spitzner
Die Pappenheimer, das sind Leute aus Papier.
Sie wohnen im Hobbykeller von Florentine, und außer Florentine und
ihren Freund Quintus weiß kein Mensch, dass es sie gibt. Liebe- und
fantasievoll beschreibt Jörg Hilbert die kleine Stadt Pappenheim,
die sie im Hobbykeller bewohnen, sprüht dabei vor Ideen und
Wortwitz. Jeder Pappenheimer trägt einen Namen, der sowohl mit
Papier als auch mit seinem Wesen zu tun hat: Der Schaffner Löchli,
der Amtmann Drucksach und der Fremdenführer Wundertüt.
Fräulein Schnipsel hat gerade Besuch von ihrem
Freund Skarabäus und dessen Tochter Skarabienchen, als es passiert:
Skarabienchen fliegt aus Versehen (denn normalerweise fliegen
Mistkäfer wie sie nur im Notfall!) mit zwei Kindern (oder, wie die
Pappenheimer sagen: Neuerscheinungen) aus dem Hobbykeller und ist
verschwunden. Schnipsel und Skarabäus machen sich mit Unterstützung
der Papierfliegerstaffel von Pappenheim auf die Suche nach den
Vermissten und erleben dabei einige Abenteuer.
Schließlich kommen sie nach Papperlapapp, einer
gigantischen Papiermetropole. Werden sie die beiden Neuerscheinungen
dort wiederfinden? Und was hat es mit dem Reißwolf auf sich, vor dem
alle solche Angst haben?
Die Beantwortung dieser Fragen wird in Hilberts
Buch ganz schnell zur Nebensache. Viel faszinierender ist die Welt
der Pappenheimer, eine Welt aus Papier, die direkt neben der unseren
existiert, ohne dass wir sie jemals zu sehen bekommen. Nur einen
kurzen Blick können wir hineinwerfen, und das ist dank Hilberts
lebendiger Schilderungen und seinen detailreichen Illustrationen,
die im Übrigen genauso zum Schmunzeln anregen wie seine Texte, ohne
weiteres möglich. Das ganze Buch steckt so voller Ideen, dass man,
wenn man es zuklappt, das Gefühl hat, es sei viel zu dünn für all
das, was in ihm steckt, und man würde die Welt der Pappenheimer ganz
genau kennen.
Zum Glück gibt es ein weiteres Buch über die
Pappenheimer, das ich dann wohl als Nächstes lesen werde – diese
Leute sind wirklich ein Muss für alle, die sich an Sprachwitz,
Erfindungsreichtum und Liebe zum Detail freuen können. Im Buch kann
Quintus einen in der Zeitung eingesperrten Pappenheimer befreien,
indem er ihn ausschneidet – in Wirklichkeit funktioniert das leider
nicht. So bleiben die Pappenheimer im Buch – aber andererseits
können sie dann auch nicht einfach wegfliegen, oder?
Wir haben
die "Muddeldings" geschenkt bekommen. Zum einen bin ich (Ingenieur)
nicht vom Fach, zum anderen kann ich aus Zeitmangel nur quer lesen -
aber mein Eindruck ist kein guter. Persönlich habe ich erlebt, wie
wichtig es ist, schon als junger Leser an der Geschmacksbildung zu
arbeiten; dafür ist es schnell zu spät. Daher: Was meinen Sie
als Literaturkritiker zu den "Muddeldings"?
Antwort
104:
Etwas zäh
Katja Kiefer: Die Muddeldings – Chaos im Kinderzimmer
Von Steffen Wunder
Max und sein Hund
Pepper sind sehr unordentlich. So kommt es, dass ihr Zimmer immer
unübersichtlicher und dreckiger wird. Doch eines Tages stehen drei
haarige Gestalten vor der Tür, die Muddeldings. Und sie fühlen sich
wohl in all dieser Unordnung. Sie stiften Max sogar dazu an, noch
unordentlicher zu werden. Seine Mutter nimmt das stillschweigend hin
und erfährt von einer Nachbarin, dass auch sie vor Kurzem die
Muddeldings hatte. Max’ Zimmer wird immer unübersichtlicher. Müll,
Kissen, Klamotten und Essensreste stauen sich, bis Max Pepper eines
Tages in der Höhle von Schlampigkeit nicht mehr finden kann. Besorgt
um seinen Hund gelingt es ihm, ihn zu finden und zu befreien.
Zunächst waschen sie sich selbst, dann wird das Zimmer aufgeräumt
und gereinigt. Das finden die Muddeldings gar nicht angenehm und
verschwinden wieder.
Dass Ordnung im Leben
wichtig, kann man nicht früh genug lernen. Wer unordentlich ist,
findet wichtige Sachen nicht mehr, verlernt Verantwortung zu
übernehmen und wird mit der Hygiene im Haus Probleme bekommen. Diese
Aussage ist im Buch nicht schwer zu übersehen, auch wenn sie etwas
simpel vermittelt wird und nicht ganz ohne moralischen Zeigefinger
auskommt. Doch was in dieser Hinsicht gut dargestellt ist, ist, dass
die Muddeldings keine erkennbar bösartigen Wesen sind, die das Kind
bedrohen. Sie verführen den Jungen elegant auf mephistophelische
Weise, noch mehr Unordnung zu schaffen. Weil er sie als Freunde
sieht, erkennt er nicht die Gefahr. Die Lektion lernt er selbst. Die
Konsequenz, die so dargestellt wird, indem die Redenwendung „In
seinem eigenen Müll ersticken“ wörtlich genommen wird, ist eine
recht einfache Lösung. Ein realistisches Problem mit der Unordnung
wäre zwar weniger anschaulich, dafür aber mit mehr Identifikation
verbunden und deshalb trotzdem nicht zu unverständlich gewesen.
Überhaupt wird im Buch
vieles bewusst überspitzt ausgedrückt, wodurch aber die
Nachvollziehbarkeit der Handlung etwas leidet. Max’ Mutter gibt es
bald auf, ihren Sohn daran zu erinnern, sein Zimmer aufzuräumen und
tut seine Unordentlichkeit als Phase ab. Doch ist das für Kinder im
Vorschulalter normal? Sie macht es wohl eher, weil es für die
Handlung notwendig ist und die Muddeldings sonst nicht kommen hätten
können. Somit wirkt ihr Verhalten etwas unmotiviert. Aber auch die
Tatsache, dass die Eltern des Jungen ohne ihn zu Abend essen, als er
mit den Muddeldings in die Küche kommt, wirkt nicht nachvollziehbar.
Diese Kleinigkeiten sind störend. Wie das Zimmer nach und nach
verdreckt, ist zwar schön dargestellt – jede Art von Essensrest und
Kleidungsstück am Boden wird beschrieben –, aber dieser Teil der
Handlung hätte durchaus ausführlicher sein können. Der Teil, der die
Lösung, nämlich aufzuräumen, beschreibt, ist dafür etwas zu lang
dargestellt. Schließlich sollte es ein Moment sein, der entscheidend
ist, um das Ende herbeizuführen. Stattdessen ist es eine Zeitspanne,
die die Lösung unnötig in die Länge zieht und somit langweilig
wirkt. Die Muddeldings sind zwar eindeutig als Karikaturen
erkennbar, doch sie wirken sehr unheimlich. Gerade ihre
aufdringliche Art und die Machtlosigkeit, sie wieder loszubringen,
machen sie gruselig. Aber auch ihre fellbewachsenen Körper und ihre
Haltung tragen dazu bei.
„Die Muddeldings“
haben eine Thematik, die bereits für kleinere Kinder interessant
ist, auch wenn sie nicht neu ist. Sie wird etwas zäh vermittelt,
auch wenn es den ein oder anderen unterhaltsamen und ansprechenden
Moment in der Geschichte gibt.
Mein Sohn
(13) hat "Finn released" gern gelesen und sogar mir empfohlen. Ich
schwanke in meinem Urteil und würde gern aus Ihrer Redaktion eine
strenge literaturkritische Einschätzung hören.
Antwort
103:
Mittelmaß released
Oliver Uschmann:
"Finn released"
Von Ada
Bieber
Lesen scheint heutzutage bei vielen Jungen nicht gerade hoch im Kurs
zu stehen, weshalb Eltern, Lehrer und Bibliothekare stets auf
der Suche nach ansprechender Literatur für Jungen sind. Besonders
geeignet erscheinen da Bücher, die direkt aus einer „übercoolen
Jugend-Jungen-Welt“ kommen, weil sie einen unkomplizierten Einstieg
ins Lesen ermöglichen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das
zutrifft und welche Art der Lektüre man jungen Lesern wünscht.
Leicht ist diese Frage nicht und sicherlich auch nicht eindeutig zu
beantworten. Das lässt sich gut an dem Titel „Finn released“
feststellen, der eindeutig Jungen zum Lesen motivieren soll. Schon das Cover verspricht etwas „ganz Cooles“. Überhaupt scheinen
simple Comiczeichnungen, flapsige Sprüche und Anglizismen ein
Höchstmaß jugendlicher Realität darstellen zu sollen, in der sich
die drei sehr unterschiedlichen Freunde Finn, Flo und Lukas auf eine
Quest begeben. Dabei geht es querfeldein, und die drei Jungen müssen
sich allen Hindernissen stellen, die sich ihnen in einem
Bewegungstunnel von sieben Meter in den Weg stellen. Das sich
entwickelnde Abenteuer ist oft lustig und sicherlich für viele Leser
unterhaltsamer Lesespaß. Allerdings bleiben die Figuren irgendwie
fremd und erscheinen oft konstruiert. Auch die Dialoge, die witzig
und spritzig sein sollen, wirken oft nur vorgefertigt und öde.
Daher bleibt die Geschichte im absoluten Mittelmaß stecken, ohne
dass Ansätze origineller Erzählkunst sichtbar würden.
Dass der
Erzähler sich selbst als einen guten Erzähler stilisiert, der das
Potential hat, später ein toller Autor zu werden, wirkt außerdem
eher pädagogisch und unangenehm selbstverliebt. Da kann einem schon
mal das alte Sprichwort einfallen, dass ein Erzähler, der sich
selbst lobt, oft sein einziger Zuhörer ist. Das ist diesem Buch
allerdings nicht zu wünschen, denn es wird sicherlich eine
Leserschaft finden, die sich gern von Finn und seinen Freunden
unterhalten lässt. Dem kunstgeneigten jungen Leser sei von der
Lektüre jedoch abgeraten.
Urlaub
und Besuch in Wien - wir suchen nach was Amüsantem für 10-Jährige!
Antwort
102:
Wien und
witzig
Christoph
Mauz: "Motte
Maroni: Horrorfahrt der Dämonenbahn"
Von Susan
Müller
Das Geisterschloss ist die Geisterbahn
von Oma Fini auf dem Wiener Prater. Ihre Enkel Motte und Vladi plus
dessen Käfer und ihr Sohn Schurli sind dort ebenfalls immer zu
finden. Doch eines Tages treibt ein Dämon sein Unwesen und es stinkt
furchtbar aus allen Ecken, Blitz und Donner richten Schaden in der
Geisterbahn an und Onkel Schurli, der Dämonenforscher, macht sich mit
dem Rest der Familie Maroni daran, dem Ereignis auf den Grund zu
gehen. Und dann ist da noch Meier, Mottes bester Freund. Der wird vom
Dämonen gefangen gehalten, weil er seine ewige Ruhe finden will.
Doch Meier lässt sich so schnell nicht einschüchtern. Somit erhalten
die Maronis die Gelegenheit ihn zu befreien, indem sie den Dämon
überlisten. Und nun ist er in seiner Gräßlichkeit
die Attraktion der Geisterbahn, die nun Dämonenbahn heißt.
Ein witziges Buch für Kinder, gut beschriebene Erfindungen aus
Kinderhand, die unbedingt die Lachmuskeln zum Einsatz bringen!
Als
Jandl-Fan und Vater würde ich gern wissen: Gibt's Neues?
Antwort
101:
Laut –
lebendig – lustig:
Ernst
Jandls Gedicht „auf dem Land“ in einer herausragenden Interpretation
von Monika Maslowska
Von Ada
Bieber
Es ist
weder neu noch überraschend, dass Lyrik für Kinder im Bilderbuch
verarbeitet und dadurch für junge Leser greifbarer und manchmal
überhaupt erst zugänglich wird. Doch nicht immer gelingt es auf so
eindrucksvolle Weise wie in dem Bilderbuch „auf dem land“, in dem
das gleichnamige Gedicht von Ernst Jandl in herausragender Weise von
Monika Maslowska in Szene gesetzt wird.
Ganz im
Stil des aktuellen, kunstorientierten Bilderbuchs arbeitet auch
Monika Maslowska mit Collagen aus gemalten und skizzierten Bildern,
Fotos und anderen Materialien, die abstrakte, aber dennoch
kindgerechte Illustrationen zu den lautmalerischen Versen Jandls
sind. So entsteht ein ästhetisches Gesamtkunstwerk, in dem Sprache
und Bilder eine gelungene und heitere Verbindung eingehen, die
Kindern einen Zugang zu zwei nicht ganz leichten Bereichen der Kunst
ermöglicht: der lautmalerischen Lyrik und den weniger realistischen
Illustrationen bzw. Bebilderungen im Buch.
Da ist es
sicher auch hilfreich, dass dem hochwertig ausgestatteten Bilderbuch
eine CD beiliegt, auf der sich eine Aufnahme des Gedichts von Ernst
Jandl selbst gelesen befindet. Das regt an und hilft sicherlich auch
den Leseanfängern bei der Sprachbildung. Auch die eingefügten,
sprachlich an das Gedicht angelehnten Anregungen durch die
Illustratorin lassen dieses besondere Bilderbuch lebendig werden. So
schlägt sie dort vor, wo es im Gedicht schnurrende Kater geht:
„schlag zwei nägel in ein brett und verbinde sie mit einer schnur.
Die schnur sollte gespannt sein. Zupf daran, dann klingt es wie ein
schnurrender kater.“ Manchmal fallen ihre Anregungen weit
phantastischer aus, beispielsweise wenn sie das Nonsens-Rezept „gans
mit rotkraut“ als Anregung gibt. Doch immer heben diese kleinen
Texte auf die kindliche Phantasie und den kindlichen Spieleifer ab,
und das macht das Bilderbuch besonders sympathisch. Es ist daher
eine Empfehlung für alle Kinder und Familien, die sich mal wieder
echte Buchkunst gönnen wollen. Besonders vielleicht dann, wenn der
Urlaub auf dem Land in diesem Jahr ausfällt und man trotzdem auf das
Landleben nicht verzichten mag!
(Ab 4)
Ernst
Jandl:
"auf dem
land"
Mit
Illustrationen von Monika Maslowska
mixtvision
Verlag 2012
17,90.-, 32
Seiten
ISBN
978-3-939435-49-5
Von der Rezensentin ist zuletzt das Essay
erschienen: „Kunst im Bilderbuch oder Über die Notwendigkeit einer ästhetischen
Kompetenz" (Autumnus Verlag)
Ich suche
ein Kinderbuch über Adoption aus dem Ausland!
Antwort
100:
Sehr einfühlsam
Jana Frey: "Mit Salome sind wir
komplett"
Von Carolin
Kotsch
Salome
wurde, wie viele andere afrikanische Kinder, als neugeborener
Säugling ausgesetzt. Nun lebt sie in einem Waisenhaus in Äthiopien.
Dort mag sie eigentlich nur Elias, die kleine Ziege Nuug und die
Köchin Hiwot und ist eigentlich ganz zufrieden. Doch plötzlich wird
Elias adoptiert und verschwindet nach Deutschland. Salome fühlt sich
schrecklich allein und ist überhaupt nicht erfreut, als auch für sie
Eltern gefunden werden. Sie will ihr geliebtes Afrika nicht
verlassen. Als sie schließlich doch in Deutschland ankommt,
erscheint ihr alles fremd: ihre neue Familie, der ständige Regen,
das Essen. Auch Jonathan ist nicht gerade begeistert über die neue
Schwester, denn eigentlich hätte er lieber einen Hund gehabt.
Außerdem hat er auch so genug eigene Probleme. Salome hat nach ihrer
Ankunft lange Zeit eine unfassbar große Sehnsucht nach Äthiopien,
die sich erst ein wenig legt, nachdem sie eine unvermutete
Bekanntschaft macht und sich endlich mit ihrem neuen Bruder
anfreunden kann.
Jana Frey
ist mit ihrem Buch "Mit Salome sind wir komplett" ein großartiges
Kinderbuch gelungen. In einer sanften, fast melodischen Sprache mit
vielen wohlklingenden Wortzusammensetzungen beschreibt sie eingehend
die Probleme und Gefühle, die sich im Zusammenhang mit einer
Adoption ergeben können. Dabei bezieht sie beide Perspektiven ein,
die des Adoptierten und die der Adoptierenden. Damit ist das Buch
sehr gut für Kinder geeignet, die behutsam an die Thematik
herangeführt werden sollen. Aber auch alle anderen Leser zwischen 8
und 12 Jahren werden Spaß an der Lektüre haben, denn das ernste
Thema wurde nicht etwa schwermütig, sondern sehr einfühlsam
dargestellt. Jana Frey schreibt nie aufgesetzt. Vielmehr spürt der
Leser ein gut recherchiertes Hintergrundwissen, das verschiedene
Denkweisen zulässt und an vielen Stellen zum Nachdenken anregt.
Verstärkt wird dies durch Freys Vermögen, sich in ein Kind
hineinzuversetzen und schöne, unerwartete Begebenheiten in das
Geschehen einzubauen.
Zum Thema
"Zusammenleben von Deutschen und Türken" und "Islamismus" etc. habe
ich "Regionalexpress" im Internet entdeckt. Ich bin mehr als
unsicher - mich interessiert Ihr Urteil.
Antwort 99:
Kofferbombe
Agnes
Hammer: „Regionalexpress“
Von Bettina
Meinzinger
Max, 19
oder 20 Jahre alt, ist angenervt von mehreren Schulwechseln,
pickelig, isoliert und zornig. Seine Zeit vertreibt er sich bei
zugezogenen Vorhängen mit Chips, Cola und Computerspielen auf seinem
Zimmer. Bis er den Moslem Adil, oft auch nur „der Türke“ genannt,
kennenlernt, als der im Zug von zwei Nazis belästigt wird - die Max
verprügelt. Mit Adil, der im Kiosk seiner Eltern aushilft und so
wunderschön weiche Augen hat, besucht er die Moschee, gerät in
Kontakt mit einer islamistischen Terrorzelle, konvertiert,
schließlich plant er ein Bombenattentat im Regionalexpress zwischen
Düsseldorf und Köln. Paula, seine 17-jährige Schwester, treibt
zwischen romantischen Gefühlen zu Adil, Theater-AG,
Anti-Atomkraft-Engagement und Ponyhof. Seine Eltern sind
dauergrinsende, in weite fließende Gewänder gekleidete, von
Engelsenergie durchflutete Zombies, die in ihren Seminaren durch
Handauflegung und gesegnete Raumsprays Dämonen vertreiben. Burak
Altuntas, der Onkel von Adil, ist der gut integrierte Türke,
dankbar, in Deutschland eine so gute Ausbildung genossen haben zu
können. Wäre er in seinem Dorf in der Türkei geblieben, würde er
heute Oliven ernten und abends faul rumsitzen! Burak ist ein
ehemaliger Studienkollege von Kemper, der jetzt beim
Verfassungsschutz arbeitet. Seit dem Tod seiner Frau zweifelt er
jedoch an seiner Arbeit. Jetzt aber wird er auf den islamistischen
Hassprediger Mohammad angesetzt, der sich im Umfeld der Moschee, die
Burak gelegentlich besucht, aufhält.
Tiefe
Gedankengänge oder vielschichtige Charaktere sind die Stärke dieses
Buches nicht. Hier werden der RCDS zu einer links-revolutionären
Organisation und die Jusos zu Ultralinken, die sich im Grunde nicht
von Islamisten unterscheiden („Erinnert mich ein bisschen an diese
Hardliner von früher, im Asta“, sagt Burak an einer Stelle) und
Mädchen fürchten sich vor Horrorfilmen. Max ist dumpf und muffig;
wie er in kürzester Zeit zum überzeugten Islamisten wird, bleibt
schleierhaft. Die Klischees und Stereotype, die Agnes Hammer in
ihren Thriller packt, sind mindestens genauso wenig für (junge)
Leser zu empfehlen wie eine Kofferbombe.
Ich suche
ein Bilderbuch über Freundschaft, das Qualitätsansprüchen genügt!
Antwort 98:
Dynamische Bilder und eine lehrreiche
Geschichte über echte Freundschaft
Nancy
Walker-Guye: "Wenn der Bär ins Wasser springt"
Von Ada
Bieber
Die
Bilderbuchwelt der kleinen Bücherfans ist zumeist eine helle
narrativ-phantastische Welt, die visuell eher realistisch als
phantastisch-verfremdet anmutet, in der niedliche Tiere oder
Menschen zentralen Problemen begegnen und diese meist gemeinsam
lösen. Diese Einfachheit und Klarheit der Darstellung ist für
Vorschulkinder wichtig auf dem Weg, sukzessive eine eigene narrative
und ästhetische Kompetenz auszubilden. Die Bilder sollen ebenso wie
der Text Vertrauen schaffen, Identifikationen ermöglichen und
zentrale Erkenntnisse mit einem glücklichen Ausgang der Geschichte
verknüpfen. Alle diese Kriterien erfüllt das neuste Bilderbuch von
Nancy Walker-Guye und Roberta Angaramo aufs Vortrefflichste. In der
Geschichte „Wenn der Bär ins Wasser springt“, die im Schweizer
Aracari Verlag erschien, erzählen große, farbige Bilder und ein
einfacher, stark durch Dialoge geprägter Text, von Bo, dem
verspielten Bären. Bo muss lernen, dass egoistisches Verhalten seine
Freunde vertreibt, und dass stattdessen freundschaftliches Teilen
gemeinsames Glück bedeutet. Glaubt der Bär zunächst, es wäre etwas
Besonderes, ein Wasserbecken nur für sich allein zu haben, so merkt
er schnell, dass es dort ohne die Freunde doch sehr einsam werden
kann!
Die großen
Bilder, die über den Text dominieren, bestechen durch Farbigkeit,
Größe und dynamische Bewegung, sodass der Handlungsverlauf sowohl in
den großen Bildern, aber auch in kleinen Begleitillustrationen
wunderbar visualisiert wird. Da das Buch bereits ab 3 Jahren
geeignet ist, können die schauenden Kinder die Geschichte anhand der
Bilder problemlos verfolgen und verstehen. Text und Bild gehen somit
ein fruchtbares und sich gegenseitig ergänzendes Verhältnis ein! Die
Expressivität der Bilder kommt vor allem dort zum Tragen, wo über
zwei Bilderbuchseiten Bewegung ästhetisch eingefangen wird –
beispielsweise wenn der Bär Bo sich in seinem Wasserbecken suhlt
oder dann, wenn man außer nach allen Seiten spritzendes Wasser
nichts mehr sieht, weil der Bär mit voller Wucht ins Wasser springt!
Hier wird auch die Öffnung in ästhetisch-kreative Darstellungsweisen
greifbar. Roberta Angaramo traut ihren jungen Betrachtern hier schon
ein Abstraktionsvermögen zu, ohne sie jedoch zu überfordern. Auch
durch ungewöhnliche Perspektiven – wie beispielsweise die
Vogelperspektive – öffnet sie für die junge Rezipienten neue
Betrachtungsmöglichkeiten und fördert somit die Bildkompetenz.
Dieses
Bilderbuch eignet sich bestens sowohl fürs Vorlesen als auch fürs
Anschauen und bietet alle Vorzüge eines Bilderbuchs für das
Kindergarten- und Grundschulalter. Es sei daher allen empfohlen, die
ihren Kindern eine lehrreiche Geschichte und unterhaltsame Bilder
bieten möchten.
Ich kenne
Finn Ole Heinrich nur als Autor für Erwachsene. Können Sie mir etwas zu
seinem Werk für Kinder vorstellen?
Antwort 97:
Kann man
im besten Sinne als "witzig" bezeichnen
Finn Ole
Heinrich: "Frerk, Du
Zwerg!"
Von Bettina
Meinzinger
Ein Kind,
dessen Mutter die Familie mit immer neu erfundenen Allergien
terrorisiert, dem Süßigkeiten verboten sind, jeden Tag gesundes
Müsli frühstücken muss, und in den Pullundern und Strickjacken wie
sein apathischer Vater aussieht, kann schon mal eine Neurose
entwickeln.
Insgeheim
sagt Frerk zwanghaft Wörter, die er nicht sagen darf, Rülpsplörre
und Fressforke zum Beispiel. Manchmal erfindet er auch einfach
welche. Eigentlich wünscht er sich einen Hund, voll mit Flöhen,
Dreck und Bakterien. Stattdessen findet er ein Ei, ein buntes Ei.
Daraus schlüpfen: Zwerge.
Diese
Zwerge nun machen alles, was Frerk nicht darf. Unverständliches
Zeugs reden, Unordnung im Kinderzimmer, mit den Köpfen gegen harte
Gegenstände schlagen, ins Müsli kacken. Die Unbeschwertheit dieser
bizarren kleinen Wüteriche wirkt ansteckend. Für ein Kind, das nie
etwas darf, kann das mehr sein, als es verkraftet. Die neugewonnene
Freiheit lässt Frerk im Winter kurze Hosen tragen, in Zwergensprache
reden, „brät brät“-rufend dem Schulbully Andi Kolumpeck einen Apfel
an den Kopf werfen.
„Frerk, du
Zwerg“ kann man im besten Sinne des Wortes als witzig bezeichnen,
zeigt Kinder und Erwachsene mit ihren mehr oder minder großen
Macken und ist eine Mahnung an Eltern, die immer nur das Beste für
ihre Kinder wollen, dabei aber (fast) alles falsch machen.
Finn-Ole
Heinrich, Rán Flygenring: "Frerk, Du
Zwerg!"
Es
interessiert uns Ihr Urteil zu "Oskar und Mathilda" von Patricia
Schröder!
Antwort 96:
Geheimversteck im Gartenhäuschen
Patricia
Schröder: "Oskar und Mathilda. Ein Stiefel voller Glück"
Von Anne
Spitzner
Oskars
Vater ist plötzlich verschwunden. Weil seine Mutter und er keine
Nachricht von ihm erhalten, ziehen sie aus ihrer alten Wohnung aus
und in das Gartenhäuschen von Opa Heinrichen. Der ist der Sonderling
in einem reichen Viertel, den Nachbarn ein Dorn im Auge, weil er
Brennnesseln und Löwenzahn auf seinem Grundstück wachsen lässt und
nicht so piekfein ist wie die anderen Anwohner. Schnell lernt Oskar
Mathilda kennen, seine neue, gleichaltrige Nachbarin, die einen IQ
von hundertfünfzig hat und der ihre reichen Eltern, die sie der
Fürsorge bezahlter Angestellter überlassen, auf die Nerven gehen.
Sie schleicht sich regelmäßig rüber zu Opa Heinrichen, in dessen
Gartenhäuschen sie sich ein Geheimversteck eingerichtet hat – und
ist dementsprechend überrascht, dass dort plötzlich Oskar und seine
Mutter wohnen. Doch die beiden freunden sich schnell an, und als es
gilt, Opa Heinrichen vor einer Intrige zu retten, treten sie
gemeinsam in Aktion.
Wie es
Oskar und Mathilda gelingt, mit Hilfe eines Gummistiefels und viel
Klopapier den Täter zu stellen, ob Oskar seinen Vater nochmal
wiedersieht und ob die piekfeinen Nachbarn ein wenig lockerer
werden, das erfährt man erst am Ende des Stiefels voll Glück. Doch
es dauert ein wenig, bis es soweit kommt. Das Schöne an diesem Buch
ist, dass man es sowohl Kapitel für Kapitel als auch in einem Rutsch
durchlesen kann und trotzdem den Faden nicht verliert; nur am Ende,
wenn es dann richtig spannend wird, fällt es schwer, es aus der Hand
zu legen. Am Ende, so viel sei verraten, löst sich das meiste –
nicht alles! – in Wohlgefallen auf. Das ging mir persönlich ein
wenig zu schnell und zu problemlos; nachdem der Täter ertappt war,
sah die Welt plötzlich für (beinahe) alle Beteiligten rosarot aus,
was mir ein wenig konstruiert vorkam. Das geht wahrscheinlich nicht
allen Lesern so. Abgesehen davon, und das ist ja nur ein kleiner
Kritikpunkt, ist „Oskar und Mathilda“ eine schöne Geschichte über
Freundschaft, Familie und Füreinander-da-sein. Dass Oskar in
Mathilda und Opa Heinrichen neue Freunde findet, tröstet ihn ein
wenig über seinen Vater hinweg und zeigt, dass es immer weitergeht
im Leben. Und das Abenteuer, das er mit Mathilda erlebt, ist
wirklich sehr spannend. Oskar und Mathilda sind sehr unterschiedlich
und ergänzen sich großartig: Mathilda ist schlau, spontan und
aufgedreht, Oskar dagegen der Ruhigere von beiden, der seine neue
Freundin von Zeit zu Zeit an den richtigen Stellen bremst und sie
zum Nachdenken bringt.
„Oskar und
Mathilda“ ist ein lesenswertes Buch für kleine Freunde von
Detektivgeschichten und Freundschaften, und mit Oskar und Mathilda
kann man leicht Freundschaft schließen.
Mein Kind
soll von Anfang an mitbekommen, dass es so sein soll, wie es ist,
und dass es sich dem Wahn, schon Kindergarten „gebildet“ und geprüft
werden zu müssen, gegenstellen kann. Mit welchem Buch kann ich ihm
den Rücken stärken?
Antwort 95:
Sein, wie er ist, sein, wie er will
Solveig
Thorwart: „Vom kleinen Vogel, der nicht singen wollte“
Von Susan
Müller
Allerliebstes Kinderbuch, in dem gezeigt wird, dass nicht nur das
Singen, Jubeln oder Lärmen wichtig ist, sondern auch das Zuhören. So
begründet der kleine Vogel den anderen Vögeln, warum er nicht
ständig herumzwitschert. Als er dem Raben und den anderen erzählt
hatte, dass er ihnen gern zuhört -genauso wie dem Rascheln der Mäuse
und dem Wald-, da verstanden sie ihn, und dem kleinen Vogel war es
eine Last, von den Schultern genommen. Er darf sein, wie er will,
und er wird trotzdem geliebt. Mit dieser Aussage steht dieses schön
illustrierte Bilderbuch fast allein da in einer Kinderwelt, die von
Leistung und Erwartung bestimmt wird. Fast allein! Eltern, die für
ihre Kinder anderes wollen als ein (zudem in sich
zusammenstürzendes) Effizienzdenken, haben mit dem „Vogel, der nicht
singen wollte“ das Bilderbuch für sich und ihre Kinder!
(Ab 3)
Solveig
Thorwart: „Vom kleinen Vogel, der nicht singen wollte“
Mein
Sohn liest nichts außer "Greg", und ich möchte ihm nun auch einmal
ein erzählendes Kinderbuch kaufen, das ihm zeigt, dass Bücher auch
jenseits der Comic-Romane lustig sein können. Es soll ihm außerdem
beweisen, dass Bücher nicht entweder aussageschwer wie Schullektüre
sind oder aber nur angestaubtes Zeug beinhalten. Was
empfehlen Sie?
Antwort 94:
„Beißen verboten“
von Fabian Schiller ist
ein lustiger Beitrag zu gleich zwei nun so gar nicht angestaubten Themen: Vegetarier und
Vampire. Der Held in diesem Buch, seines Zeichens Vampir, darf kein
Blut saugen - o Schreck! Dem nicht genug, am Ende eines jeden
Kapitels steht ein Witz zum Schlapplachen. Das lockert die Lektüre
auf, und
Lesefreude durch Riesenspaß kommt auf jeden Fall auf.
Ein Buch
suche ich, das von Chaos zuhause und einem phantasievollen Mädchen
erzählt!
Antwort 93:
Vom
Blödsinn machen
Thad
Krasnesky, David Parkins: „Ich mach, was ich will – ich bin doch
noch klein!“
Von Iris
Kersten
Lara ist drei Jahre alt und die
Ich-Erzählerin des Buches. Nachdem sie versehentlich eine Packung
Orangensaft über Papas Hose vergossen hat und danach von Mama in
Schutz genommen wurde („sie ist ja erst drei Jahre“) stapft sie los,
um ihre Grenzen auszutesten: ärgert den Bruder und nimmt ungefragt
die Sachen der Schwester. Soweit so gut, Mama hat Verständnis: sie
ist ja noch klein, doch als sie beim Pirat spielen das ganze
Wohnzimmer verschmutzt „Piratenköniginnen müssen manchmal Dreck
machen“ gibt es keine Nachsehen mehr und Papa zwingt sie zum Staub
saugen (obwohl sie doch erst drei ist). Und auch Mama verdonnert sie
nach ihrem samstäglichen Eis-Nüsse-und-Schokoladenfrühstück (die
Eltern liegen noch im Bett) zum Saubermachen, „obwohl Mama viel
schneller putzen kann als ich“. Und so geht es lustig weiter bis die
Eidechse im Puppenbikini durch die Gegend läuft und das Haus unter
Wasser steht. Der Spaß hat ein Ende. Das sieht auch Lara ein, die
letztendlich bereitwillig auf ihr Zimmer geht, um dort zu warten,
bis sie vier Jahre alt wird.
Ein Buch, in dem sich sowohl
Eltern als auch Kinder wiederfinden können. Wirklich nett ist der
Blickwinkel aus der Sicht Laras, wie sie sich bewusst ist, der
Dinge, die sie tut: „Und ich mache eine winzig kleine Szene“ oder
„Ich schaue Mama ganz besonders lieb an ...“ Thad Krasnesky macht
hier den Eltern klar, wie gewieft die Kleinen sind, aber zeigt denen
gleichzeitig, dass die Eltern darum wissen.
Die Geschichte lebt vor allem
durch die Bilder von David Parkins. Diese geben auf geradezu
spritzige Art und Weise die verschiedensten Gefühle wieder – vor
allem die von Lara natürlich. Mir persönlich gefällt dabei die
überwältigte Rieseneidechse im Bikini am besten.
Meine Kinder (fünf und drei)
finden dieses Buch so besonders attraktiv, weil Laras
Erfindungsreichtum im Blödsinn machen einfach unendlich ist.
Tatsächlich hat das Buch auch
noch pädagogische Aspekte, wie „Grenzen setzen ist wichtig“ usw.,
aber das ist keineswegs der Grund, warum ich dieses Buch empfehlen
möchte.
Für Eltern und kleine Frechdachse
(oder die, die es noch werden wollen) ab drei Jahren.
Thad
Kasnesky, David Parkins: „Ich mach, was ich will – ich bin doch noch
klein!“
Die Probleme in der
Schule neben überhand, unsere Tochter (6. Klasse) bricht darüber
förmlich zusammen. Ich möchte ihr ein Buch in die Hände geben, das ihr
Mut macht, ihren eigenen Weg zu gehen.
Antwort 92:
Eigenes Tempo, eigene
Freiheit!
David Almond: "Mina"
(librikon) Mina schildert aus ihrer
Perspektive, was sie schön findet, wie sie lebt, worüber sie nachdenkt.
Und sie denkt viel nach, über vieles und das sehr ernsthaft. Damit
haftet ihr das Adjektiv „komisch“ an. Obwohl sie einfach eine
intelligente Individualistin ist! In dieser Welt führt es für Mina so
weit, dass sie von der Schule fliegt. Doch ihre Mutter steht zu ihr, und
Mina beginnt nach einer Odyssee, zuhause zu lernen. Auf einmal macht
sich ein Frieden und eine Freude breit für Mina, sie hat Zeit zum
Träumen und für Nonsens. Einfühlsam erzählt der Autor von einem Kind,
das die Freiheit bekommt, sich nach dem eigenen Tempo und den eigenen
Talenten zu entwickeln.
Ich suche
für meinen Sohn, 7 Jahre, ein nicht allzu dickes, lustiges Buch.
Da ich einfach
kein passendes Buch auf dem Buchmarkt finde, das dazu auch noch
anspruchsvoll ist, brauche ich Beratung. Hätten Sie eine
Idee?
Antwort 91:
Auf nette
und lustige Weise
Hilary
McKay: „Charlie zieht aus“
Von Miriam
Schneider
Die Reihe
"Charlie" ist sehr zu empfehlen, besonders das Buch aus der Serie
mit dem Titel:„Charlie zieht aus“: Charlie reicht es mit seiner
Familie, er läuft weg. Unter Weglaufen versteht man eigentlich, weit
in die Welt hinaus zu laufen - so auch Charlies schreckliche
Familie. Dass Charlie erst im Garten und, ein paar Häuser weiter,
bei seinem besten Freund ist, weiß nur Henry, der beste Freund.
Charlies Familie vermisst ihn zuerst nicht mal, mit der Begründung:
So schön still! Aber zum Ende hin sehnt sich sogar Charlies Bruder
Max nach ihm. Umgekehrt ist es aber auch so: Charlie vermisst seine
schreckliche Familie!
In dem Buch
wird auf nette und lustige Weise das Leben eines Jungen beschrieben.
Und zwar aus eben dieser sehr witzigen Kindersicht. Bei der man sich
vor Lachen krümmen muss.
Es ist zum
Vorlesen, wie auch zum Selberlesen, für Kinder ab 6 Jahren gut
geeignet.
Das Buch ist
angenehm dünn und leicht zu lesen, aber anspruchsvoll ist es
dennoch, schon vom Design her und auch von den Bildern.
Haben Sie ein rundum originelles Buch für uns, das wir
garantiert noch nicht kennen?
Antwort 90:
Vom Schicksal
der Elfen
Hanna Zeiß:
„Elfenwind“
Von Iris
Kersten
„Vor hunderten
von Jahren lebten viele kleine Elfen in einem Dorf. Doch dann kam ein
heftiger Wind. Damit veränderte sich ihr ganzes Leben.“
Schon aus den
ersten Zeilen des selbst illustrierten Bilderbuches kann man die tiefe
Poesie wahrnehmen, mit der die damals achtjährige Autorin Hanna Zeiß
(Jahrgang 1999) diese Geschichte geschaffen hat.
In eben diesem
Dorf lebten nun Fojer und Felice, Geschwister, die es satt haben,
ständig mit dem Wind umziehen zu müssen. Schließlich ist dieses hier
schon ihr 545. Zuhause. So entscheiden sie, sich allein auf den Weg zu
machen, um ein sonnigeres Zuhause zu finden, eines von dem sie nicht
ständig wieder fortgeweht werden. Leider können sie sich nicht von ihren
Eltern verabschieden, da diese sie sicher nicht gehen lassen würden.
Also schleichen sie sich während des Abschiedsfestes (vor jedem Umzug
gibt es solch ein Fest) schweren Herzens davon.
Dies ist die
Szene, mit der die jüngeren Kinder nicht so einfach fertig werden. Die
Traurigkeit berührt sie mitten im Herzen. „Als die beiden aus dem Zelt
gingen, schaute Filice noch ein letztes Mal ihre Mutter und ihren Vater
von weitem an. Dann winkte sie, obwohl sie keiner sah.“
Doch da ist
Silvikus, der das Verschwinden der beiden bemerkt hat. Er will den König
darüber informieren und zur Suche aufrufen, aber der König hört nicht
auf ihn. Zudem kommt der Wind noch früher als erwartet und er muss dafür
sorgen, dass sich alle zum Aufbruch bereit auf dem großen Ahornblatt
einfinden.
Und so fliegen
dann die Elfen auf dem Rücken des Windes zwischen Blitz und Donner ihrer
neuen Heimat entgegen. Und wie das nun mal so ist mit dem Wind, er trägt
alle in die gleiche Richtung - sogar an den gleichen Ort: ans Meer.
Auch die, die sich heimlich davon machen wollten, jene nur mit ein wenig
Vorsprung...
Neben der
Melancholie hat das Buch aber auch leichte und lustige Passagen mit
einem sonnigen Ende, an dem sich alle wieder treffen (was die jungen
Zuhörer dann wieder versöhnt), ohne jedoch den Sinn für die Realität zu
verlieren: „Dort lebten sie lange und glücklich … Bis der nächste
Windstoß kam.“
Wirklich
großartig sind auch die farbenfrohen Elfenzeichnungen, in denen man
durchaus die junge Zeichnerin erkennt. Und genau das macht ihren Reiz
aus, denn Hanna Zeiß schafft es, in jedem ihrer Bilder die Stimmung der
Geschichte widerzuspiegeln.
Für unseren Sohn, 9 Jahre, suchen wir (Katzenliebhaber) Bücher, in dem
Katzen eine Rolle spielen.
Antwort 89:
Drei Bücher
können wir Ihnen empfehlen:
1. Der Kater Max
findet sich in einem Versuchslabor wieder. Wer hat ihn dorthin gebracht
und warum? Wie ist den anderen Katzen zu helfen? Max flieht in einer
spektakulären Aktion. Er lernt Millie, eine überzeugte Tierschützerin
kennen, und dann geht das Abenteuer in die zweite Runde. Für
Katzenliebhaber -man merkt es schon- ist "Die tollkühne Flucht" genau
das richtige Buch!
Das Lesealter
ist mit "Ab 12" angegeben, aber auch ein Neunjähriger kann es schon
lesen. In manche Details, die sich noch nicht so erschließen, wächst der
jüngere Leser hinein. "Die tollkühne Flucht" liest man gern mehr als
einmal!
Natalie
Haynes:
"Die tollkühne
Flucht"
Fischer
Schatzinsel 2011
Aus dem
Englischen von Christian Dreller
303 Seiten,
Euro 12,90
ISBN
978-3596854233
2. Eine Sammlung von netten, kleinen,
schönen Katzengedichten, Sinnsprüchen, Kurzerzählungen und Märchen aus
aller Welt, die liebevoll zusammengestellt wurde. Jeder Katzenliebhaber,
der ein wenig über den literarischen Tellerrand schaut, ist dieses schön
gestaltete Buch ein Muss. Die Illustrationen machen so viel Freude wie
die Texte!
Heinz
Janisch (Hg.):
Auf Samtpfoten:
Katzengedichte und Katzengeschichten
Mit
Illustrationen von Marion Goedelt
96 Seiten, Euro
19,95
Annette Betz
2008
ISBN
978-3219113303
3. Über Hanna Johansen: „Ich bin hier bloß die
Katze“ schrieb unsere Kritikerin Andrea Bannert (2007): Wem es in die Hände fällt, der kann es schon wegen des Covers nicht mehr
weglegen. Hauskatze Ilsebill, ihres Zeichens Protagonistin des Buches,
fixiert einen frech mit ihren grünen Augen.
Ilsebill hat es nicht leicht mit ihren
Menschen. Zum einen ist da der Hund der Familie. Dieser verursacht nicht
nur einen Höllenlärm, er riecht auch streng, besonders wenn es regnet.
Aber dann gibt es auch noch das Baby, das Mama eines Tages einfach von
einer Reise mitgebracht hat. Es hinterlässt zwar keine Pfützen in der
Wohnung und den Briefträger hat es auch noch nicht gebissen, aber das
Geschrei ist einfach unerträglich. Dem ist aber nicht genug, denn das
Getue der Erwachsenen im Umgang mit dem Baby regt Ilsebill mindestens
genauso auf. Schließlich war ein bestimmter Tonfall bisher ihr
vorbehalten. Überhaupt benehmen sich die Menschen zu bestimmten Anlässen
extrem seltsam. Zu Weihnachten beispielsweise. Grässlich: Unruhe, Feuer
und schlechte Luft. Da kann es schon einmal passieren, dass die Katze
den Christbaum umwirft und den Lachs stielt. Und dann sind da noch die
Urlaubsreisen. Noch grässlicher! Aber wie in allen anderen Dingen des
Lebens, hat Ilsebill bezüglich der Urlaubsreisen ihren ganz eigenen
Kopf. Sie „weiß nämlich nicht nur was sie will, sondern auch was sie
wollen sollte. Und jeder weiß, dass das etwas anderes ist als das, was
sie sollen wollte.“ Ilsebill will „auf keinen Fall was sie soll und auf
jeden Fall was sie will“. Ob es ihr gelingen wird die Urlaubsreise zu
verhindern?
Hauskatze Ilsebill entführt uns in die
Welt ihrer Gedanken. Dabei erzählt sie mit viel Wortwitz Anekdoten aus
ihrem Katzendasein und tut ihre Meinung über die Menschen kund. Es ist
ein leises Buch, das einen mit einem Schmunzeln auf dem Sofa sitzen
lässt, mit der anderen Hand, sofern vorhanden, die eigene Katze
kraulend. Und dann ist es wirklich schade, wenn das Buch schon nach 126
Seiten zu Ende ist.
Ein kleines
Buch mit fröhlichem Inhalt, ohne primitiv zu unterhalten, gesucht!
Lesealter:
Um die 8
Antwort 88:
Hamsterparadies
Christian
Bieniek / Marlene Jablonski: "Hamster Hektor – Ein Rollmops auf
vier Pfoten"
Von Susan
Müller
Schade, dass
ein Hamster nicht sprechen kann. Aber es ist durchaus interessant, wenn
der Leser die Gedanken von Hektor, dem Hamster, nachvollziehen kann.
Hektor landet bei einer älteren einsamen Dame, nachdem er zuhause
„abgehauen“ ist, weil er sich vernachlässigt fühlt. Im Schnee gelandet
und einem Schneeball gleich wird er von einer älteren Frau gerettet.
Hektor fühlt sich anfangs wie im 7.Himmel, denn hier bekommt er Futter,
richtige Leckerlis, ganz im Gegensatz zu daheim, weil sein Herrchen ihn
nicht so regelmäßig bedenkt.
Aber er kann
sich bald kaum noch auf die Beine stellen, so vollgefressen ist er.
Spätestens jetzt will er nur noch nach Hause, bemerkt er außerdem, dass
er, was das Futter angeht, mit dem verstorbenen Hund verwechselt wird.
Herrchen und
sein Vater suchen ihn nun bereits, und so schön die Verwöhntage waren,
ist Hektor froh, in seinem Heim und den dazugehörigen
Familienmitgliedern zu sein. Liebevoll kindgerecht mit dem Hinweis, dass
ein Tier versorgt sein will, wird vom Leben des Hamsters Hektor
berichtet, der in einer Familie lebt, wie du und ich eine haben oder
kennen.
(Lesealter: 8
bis 9)
Christian
Bieniek / Marlene Jablonski:
"Hamster Hektor – Ein Rollmops auf
vier Pfoten"
Mit
Illustrationen von Volker Fredrich
Fischer
Schatzinsel 2010
92 Seiten Euro
5,95
ISBN :
978-3596808212
siehe unten
auch die Empfehlung von "Hamster Hektor - Eierlaram" ( Frage 81)
Wir suchen ein
Buch, aus dem ich als gebürtiger Dresdner unseren Kindern Geschichten
aus meiner Kindheit vorlesen kann!
Antwort 87:
Liebevoll zusammengestelltes Lesevergnügen
"Kindergeschichten aus 40 Jahre Kinderbuchverlag"
Von Susan Müller
Die Knie
anziehen und gemütlich im Sessel zurücklehnen. Dafür ist dieses Buch da,
zum kindlichen Vergnügen, auch für die großen Kinder.
Das Entchen,
was sich von der Familie entfernt und nur mit viel Mut und Schläue am
nächsten Tag wieder auf Mutter und Geschwister trifft, natürlich sehr zu
deren Erleichterung. Ein Kinderpaar, für das der Kastanienbaum der
Ausgangspunkt ist, die aber trotz dass sie sich mögen, gern voreinander
prahlen, bis die Mutter des Jungen von allen Kindern bestaunt wird, weil
die den Riesenkran fährt, der neue Wohnungen zaubert und auf die der
Junge dann sehr stolz ist und die auch, wenn sie Zeit hat, diese mit
ihrem Sohn und seiner Freundin verbringt.
Und wer darf
nicht fehlen? Bibi und Schweinchen Jo. Da aber Jo nicht so sehr auf
Sonnenblumen-, Kastanien- oder Bucheckersamen steht, die Bibi ihm
mittags vorsetzt, versteckt er sie heimlich in den Ritzen von der
Litfassäule. Und man glaubt es kaum, als die aus den Ferien bei der
Großmutter zurückkommen, blüht es rund um diese. Nun müssen die kleinen
Gewächse in den Stadtpark, der jetzt Schweinchen-Jo-Wald heißt.
Es ist einfach
nur ein pures, liebevoll zusammengestelltes Lesevergnügen, das in jeder
Geschichte einen Sinn hat und trotzdem nicht erzieherisch, sondern
spielerisch wirkt.
„Fantje war
schon seltsam. Es war klein, es war weiß und überhaupt viel zu fein.“
Und so hat er weder Lust im Schlamm zu baden, noch auf seinem Rüssel zu
musizieren und das Schlimmste: Fanje quengelt. „Kein Wunder also, dass
niemand mit ihm spielen wollte.“ So macht er sich eines Tages davon.
„Wohin geht man aber, wenn man keinen kennt?“ Zum Glück besitzt Fantje
fünf Macadamianüsschen. Und so lässt er sich treiben. “Wo möchte denn
das Elefantchen hin? - Das weiß ich selbst nicht. Ich habe hier fünf
Nüsschen.“ Er bezahlt mit seinen Nüsschen eine Fahrkarte mit
Schülerermäßigung für die Fahrt „über zwei Meere, ein kleines rotes und
ein großes blaues, und dann noch ein Stückchen über den Ozean“ bis er
Amsterdam erreicht. Dort kauft er für ein weiteres Nüsschen gegen den
Hunger ein Törtchen und einen kleinen Diamanten (aus den Bildern
erfahren wir, dass es ein Ohrring ist). Am Bahnhof dann geht es weiter:
“Wo möchte denn das Elefantchen hin? - Das weiß ich selbst nicht. Ich
habe hier drei Nüsschen.“ Aber der Schaffner weiß, wohin die Fahrt gehen
soll: nach Meissen. „Für ein Nüsschen. Direkt, ohne Umsteigen“ Am
Zielort angekommen gelangt Fantje zu einem Taxistand und das Frage und
Antwortspiel wiederholt sich zum dritten Mal. Und ist es nicht
wunderbar: Ein jeder weiß, wohin das kleine Elefantchen gehört. Der
Taxifahrer bringt ihn in den Porzellanladen, wo er von der liebevollen
Verkäuferin bewundert und ins Regal gestellt wird - zu den anderen
kleinen Elefanten, die alle so klein und weiß sind wie er. Hier ist
Fantje nun nicht mehr seltsam, hier ist er einer von vielen, besser
noch: er ist etwas besonderes mit seinem Diamanten im Ohr. Er hat seinen
Platz gefunden für nur vier Nüsschen, aber weil er so höflich ist,
schenkt er das fünfte der Verkäuferin.
Die Sprache
entspricht in ihrer Einfachheit ganz dem Kindermund, wobei sie durch
viele malerischen Adjektive und Wiederholungen sogar einen Hauch von
Poesie versprüht. „Und so fuhr Fantje durch grüne Wiesen und dichte
Wälder, durch graue Städte und bunte Städtchen.“
Das Buch hat
ein Schallplattenhüllen-Format. Die Graphiken von Gabriela Cichowska
sind in blass grau, beige und rosa gehalten und bestehen aus unendlich
vielen Linien, die in sich ein Ganzes ergeben. Sie zeigen Fantjes Reise:
den Weg übers Meer, durch die Straßen, über Brücken bis an sein Ziel.
Der kleine Elefant ist einfach reizend und man wird ihn sofort lieb
haben.
Adam Jaromir
schreibt eine Geschichte mit einem Augenzwinkern über das anders sein.
Mit der Botschaft, dass es auch für die, die nicht der Norm entsprechen,
einen Wohlfühlplatz gibt. Denn richtig, wie soll sich ein kleiner
Porzellanelefant unter den wirklichen Dickhäutern zurecht finden. Man
muss nur Vertrauen haben und sich treiben lassen können - und das alles
für nur fünf Nüsschen. Ist das Leben nicht großartig?
Die polnische
Illustratorin Gabriela Cichowska erhielt für das Bilderbuch für Kinder
ab 3 Jahren auf der internationalen Jugendbuchmesse in Bologna beim
Ragazzi Award 2011 eine lobende Erwähnung (Honorable Mention).
Mir ist eine
gute Gestaltung wichtig, ein schönes Bilderbuch soll es sein, und gut
geschrieben.
Antwort 85:
Beeindruckendes
Zusammenspiel
Oliver Jeffers:
„Pinguin gefunden“
Von Eva
Burghausen
Oliver Jeffers’
„Pinguin gefunden“ ist ein in Halbleinen gebundenes Buch, das in den
Händen zu halten, großen Spaß macht: Eine wirklich schöne Ausgabe mit
herrlichen Illustrationen - die sind so gut, weil sie in ihrer
Einfachheit überzeugend sind. Da man sich heute nicht mehr die Frage
stellen muss, welche Tiere wieder welche Botschaft transportieren
sollen, was weclhe Gefühle auslöst, ist es überflüssig zu fragen, warum
gerade ein Pinguin und ein Junge sich begegnen und am Schluss
feststellen, dass sie beide einsam sind. Und die Rettungsaktion, den
Pinguin an den Südpol zurückzubringen, soll im Endeffekt ein Fehler
gewesen sein. Sie brauchen Freunde, sie brauchen sich, und zum Glück
kommen sie am Ende wieder zusammen. Durch die Kürze der Sätze und die
Schlichtheit der Bilder wird diese Erzählung in ein angenehmes Licht
gerückt. Beeindruckend, dieses Zusammenspiel, und sowohl die Einsamkeit
des Südpols wie auch die Einsamkeit in einer Industrieland-Siedlung –
Oliver Jeffers ist ein geübter Bilderbuchmacher: Durch Schreibstil und
Bebilderung lebt eine eher schwache Geschichte auf. So lernt man
Literatur und Illustration lieben.
Ich suche nach
einem freundlichen Urlaubsbuch, das von wirklichen Kinder-Abenteuern
erzählt und nicht von den angeblichen Abenteuern, die Eltern ihren
Kindern, die sich in x-Flugstunden und geschleckten Flughäfen
langweilen, einreden.
Antwort 84:
Naturschönheiten
Hermann
Mensing: "Räuber,
Schattengeister und ein Karpfen im Mühlteich"
Von Susan
Müller
Erstmal fährt
Kutte in den Urlaub, nur wollen seine Eltern nicht wie andere seiner
Freunde in die weite Welt hinaus und mit dem Flugzeug nach Mallorca oder
ähnlichem, sondern zum Camping. Ein langes Gesicht von Kutte ändert
daran nichts, aber je mehr ihm seine Eltern erzählen von ihren
Erinnerungen von ähnlichen früheren Urlauben, die sie erlebten, umso
gespannter wird Kutte. Doch sein ärgster Feind, die Zeit, sie will und
will nicht vergehen. Ein Hoffnungsschimmer ist der zwischenzeitliche
Besuch vom Opa, der ihm auch noch einen Gutschein schenkt, der besagt,
Kutte muss sich zwei Wochen nicht waschen und keine Zähne putzen.
Die Familie
macht nach einem Stau Rast - und es wird eine dauerhafte, denn dort gibt
es einen Bauernhof mit einem Bauern, dessen Frau zur Kur ist und dessen
Sohn sich allein langweilt.
Kurzerhand wird
Urlaub hier gemacht und Kutte ist glücklich. Mit seinem neuen Freund
erlebt er allerhand Abenteuer. Eins davon ist der Karpfen im
dazugehörigen Mühlteich, der Kutte in seiner Größe und Kompaktheit fast
Angst einjagt. Aber die beiden übernachten auch in einem von ihnen
zurechtgemachten Erdloch und überstehen Regenphasen, die das Zelten eher
ungemütlich machen, aber als der Vater schon fast wetterbedingt abreisen
will, bahnt sich die Sonne wieder ihren Weg durch die Wolken.
Kutte hat hinterher viel zu erzählen!
Allein das Gewitter unter freiem Himmel! So etwas haben seine Freunde
nicht erlebt.
Ein wirklich
schönes Buch über die Schönheiten der Natur und darüber, wie ein
„Stadtkind“ recht viel Neues dort entdecken kann. Was nicht heißen soll,
dass dieses Buch nur für Stadtkinder eine genüssliche Lektüre ist!
Hermann
Mensing:
"Räuber,
Schattengeister und ein Karpfen im Mühlteich"
Ich möchte mit
meinem Sohn (drei Jahre alt) mal über die kleinengroßen Themen des
Lebens sprechen, ohne dass mir von geschmacklosen rosa Bildchen die
Augen weh tun (die eine Sorte Bücher) und ohne über die philosophische
Bitterkeit des Lebens in Depressionen fallen zu müssen (die andere Sorte
Bücher, die ich bisher gefunden habe).
Antwort 83:
Für Kinderaugen
Eva
Muggenthaler: „Als die Fische spazieren gingen“
Von Franz Xaver
Ganghofer
In dem
Bilderbuch „Als die Fische spazieren gingen“ von Eva Muggenthaler geht
es um die Illustrationen – das klingt selbstverständlich für ein
Bilderbuch. Aber ist es natürlich nicht. Hier jedoch wurde kindgerecht,
farbenfroh, sehr liebevoll gemalt - im illustratorischen Zeitgeist zwar
–man sieht es sich gern und ohne Barrieren an-, aber in der Komposition
so stimmig: Das überzeugt.
Im Buch wird
keine Geschichte mit Worten erzählt, sondern nur Begriffe einander
gegenübergestellt, wie „Vor Glück strahlen – traurig sein“, und sie sind
bildlich erklärt, ein kleines Vademecum des Lebens. Zum Beispiel das
Begriffspaar „Zusammenhalten – Allein sein“. Ein Spielplatz in einer
unberührten schönen Landschaft mit grüner Wiese, auf der eine schöne
grüne Kinderwippe steht. Auf der einen Seite der Wippe sitzt ein dicker Elefant,
auf der anderen Seite sitzen alle andern Tiere (Mäuse, Eichhörnchen,
Schweinchen, sogar Vögel). Sie werfen sich übereinander und schaffen es, die
Wippe zu bewegen. Sie wippen den Elefanten hoch, der dann mit seinem
Rüssel sich eine Kirsche vom Baum schnappen kann. Immer doppelseitige
Bilder,
durch die man mit Kindern herrlich in den Bildern versinken und mit ihnen
darüber erzählen kann. Das Begriffspaar wird nämlich anders, nicht à la
Küchenkalender gedeutet – das Alleinsein des Elefanten ist nur auf den
ersten Blick ein Alleinsein, weil ihm die anderen ja alle helfen. Ein
fröhliches Buch, das einen gelungenen Kontrapunkt zu den
Kinder-Philosophiebüchern setzt, die die Kinder für sich formen wollen
anstatt etwas für Kinderaugen zu bieten. Anders hier!
Dieses Buch
lebt von seiner munteren Bebilderung. Was angenehm ist: Wenn eine
Illustratorin illustriert, ohne schreiben zu müssen, fallen die ganzen
Reibungsverluste zwischen Text und Bild weg. Das gibt diesem Buch die
Chance, so geschmackvoll zu sein, wie es ist.
Was ich suche:
Ein Bilderbuch, das lustig und originell ist und auch seine Aussage hat.
Antwort 82:
Unbändiges
Lachen garantiert
Melanie Laibl/Alexander Strohmaier: „Herr Grimm und Frau Groll zerkugeln
sich: Eine Geschichte von zwei Seiten“
Von Melanie
Grundmann
Herr Grimm und
Frau Groll - der Name ist Programm: Zwei Menschen, die ohne Spaß durchs
Leben gehen. Herr Grimm zeigt sich kantig; die Nase spitz, die Augen
auch, die Brauen sowieso. Der Mund ein Strich, dem nie auch nur ein
Lächeln entflieht. Der Anzug stachlig wie ein Kaktus. Frau Groll - das
genaue Gegenteil: klein und rund, doch nicht etwa lieb und nett, wie man
denken möchte, sondern genauso griesgrämig wie Herr Grimm. Doch als die
beiden aufeinandertreffen, gibt es kein Halten mehr: Aus beiden platzt
es vor Lachen nur so heraus.
Die unbändige
Freude der beiden Figuren spiegelt sich in irren Farb- und
Formexplosionen. Während sich Frau Groll in Kugeln auflöst, spiralisiert
sich Herr Grimm in einen Lachanfall hinein. Ein tolles Buch, das immer
wieder Spaß macht und ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.
Neben den
großartigen Illustrationen besticht das Buch durch sein Format, denn es
ist von beiden Seiten lesbar. Die eine Seite erzählt von Herrn Grimm und
wie er auf Frau Groll trifft, die andere Seite von Frau Groll, die auf
Herrn Grimm trifft, bis beide in der Mitte aufeinander treffen. Auch die
parallele Erzählstruktur verbindet die beiden Geschichten und weist
zugleich darauf hin, wie gut Herr Grimm und Frau Groll füreinander
geschaffen sind. Somit ist dieses Buch nicht nur ein Plädoyer für das
Lachen, sondern auch eines für die Liebe.
(Ab 4)
Melanie
Laibl: Herr Grimm und Frau Groll zerkugeln sich: Eine Geschichte von
zwei Seiten
Mit Illustrationen von
Alexander Strohmaier:
Luftschacht Verlag
2010
48 Seiten, Euro 19,40
ISBN 978-3902373632
Die Rezensentin ist
freischaffende Autorin und Kulturwissenschaftlerin.
Für ein Kind -
Schnell zu lesen, unkompliziert und günstig: Haben Sie da eine Idee?
Antwort 81:
Niedliche, schöne
und einfache Kinderlektüre
Christian
Bieniek: "Hamster Hektor – Eieralarm"
Von Susan Müller
Was passiert,
wenn die Freunde des Herrchens eines Hamsters etwas „Nützliches“ tun zu
lassen?
Die Mutter der
Familie ist verreist und Hamster Hektor leidet,;kein Futter und keine
Streicheleinheiten. Hektors Herrchen ist Sascha. Saschas Vater hat
Überraschungen für die Rückkehr der Mutter parat, indem er renoviert.
Alles andere wie Geschirr und Wäsche bleiben liegen und an Futter denkt
auch er nicht. Er hat ein Würstchen zu bieten, doch das versetzt Hektor
in ungläubiges Staunen. Er als Vegetarier soll fleischliche Produkte
fressen. Doch wie erwähnt, soll er Nützliches tun und bekommt ein Ei zum
Ausbrüten unter sich gelegt, aber da ihm Belohnung in Form von Futter
winkt, tut er es notgedrungen. Ein anderer, echterer Freund Saschas -
und auch in Hektors Augen der bessere- , rettet die Situation und Hektor
dazu, denn siehe da, das Ei hat einen winzigen, niedlichen Bewohner, der
schlüpft. Und das entschädigt auch Saschas Mutter, die über all das
Chaos in der Wohnung nicht so sehr begeistert ist, sie lobt Hektor
sogar.
Albert Wendt
lese ich gern; welches ist sein neuestes Buch?
Antwort 80:
Witzig
lesenswert
Albert Wendt:
"Marta-Maria"
Von Susan Müller
Sehr kurz irritiert
der Anfang des Buches, in dem Marta Maria direkt die Züge einer Katze
annimmt. Aber wir werden recht schnell aufgeklärt, dass Marta Maria ein
hochinteressiertes und ebenso interessantes Persönchen ist, das die
Katze einfach spielt. Ein Freund des dicken Vaters nimmt dann die
spielerische Gestalt des Hundes an, und so fühlt sich Marta Maria ernst
genommen und wird dann schnell wieder die bildhübsche Tochter.
Marta Maria hat weit
mehr zu bieten als eine Katze. Auch des dicken Vaters kleinen Fehler
kann Marta Maria in ein Verwandlungsspiel verpacken. Und sie macht auch
so etwas, wie sich im Spülbecken platzieren und Geräusche eines
Wischlappens machen. Das ist verrückt und nicht zusammenzufassen, und
das Buch erzählt davon, wie intensiv Kinder leben und auf Zwänge
reagieren.
Die Lektüre ist
liebevoll anders, vor allem für die Kinder spielerisch und phantasievoll
um- und beschrieben. Wenn sich Marta – Maria nämlich verstanden und
ernst genommen fühlt, wird sie wieder zum lieben, klugen, hübschen und
interessanten und kleinen Töchterchen des dicken Vaters. Witzig
lesenswert.
(Ab 8)
Albert
Wendt:
"Marta-Maria: Geschichten für außergewöhnlich kluge und
hochinteressante Kinder"
Der Papagei kennt
jedes Tier im Dschungel und trifft auf einmal Fernando – der ist
Fernando, aber was ist Fernando? Der Papagei und Fernando überlegen
gemeinsam, was er sein könnte, Vielleicht ein Papageienschwein? Er
versucht’s, und Kinder können mal wieder lachen: Ein Bilderbuch nicht
aus der Erwachsenenwelt und endlich mal wieder für die Kinderwelt!
Zwischen Fernando und
dem Papagei entsteht eine echte Freundschaft, die man auf feine,
bewegende Art auch aus den Bildern herausspürt.
Ein erfrischendes
Kinderbuch, ganz im Stil eines echten Kinderbuches, was nicht zu viel
will und nicht zu viel ist. Schöne Illustrationen, in bunten Farben und
lustigen Bildern und netten Gesichtern.
Ich suche nach einem
Buch, das mein zehnjähriger Sohn in der Adventszeit lesen kann. Nicht
christlich; gern humorvoll.
Antwort
78:
Es ist von der
Aufmachung her ein ganz besonderes Buch, das wir Ihnen empfehlen: „24
Geschichten bis Weihnachten“. Die Geschichten im Buch sind nicht einfach
aufzuschlagen und loszulesen; man muss sie Doppelseite für Doppelseite
mit einem Brieföffner oder Messer aufschneiden. Wie ein Adventskalender,
jeden Tag eine Erzählung. Darin findet sich viel von dem, was an
deutschen Kinderbuchautoren jenseits von Cornelia Funke existiert und in
den etablierten Verlagen ab und zu in moderater Auflagenhöhe mit einem
Buch ans Licht der Öffentlichkeit kriechen darf. Die Schwierigkeiten von
Sammelbänden –die schwankende Qualität der Geschichten - , sie ist auch
hier zu bemerken. Aber für die jungen Leser überwiegt die Freude an
spaßigen Geschichten, und als Erwachsener kann man sich den Mittelbau
der Kinderliteratur so einmal auf dieser Art Laufsteg anschauen.
Ich suche ein Buch für
ein achtjähriges Mädchen, das dringend etwas zum Lachen braucht!
Antwort
77:
Hypnose mit Folgen
"Die Paulis außer
Rand und Band"
Von Iris Kersten
Zugegeben, etwas
skeptisch war ich schon, als mir das Buch in die Hände fiel: blauer
Einband (exakt das gleiche blau wie alle Pippi Langstrumpf-Bücher), der
Titel Die Paulis außer Rand und Band (ein relativ platter Bezug zu Pippi
außer Rand und Band) und auf dem Buchdeckel eine verunstaltete Pippi und
drei weitere Kinder. Eine Parodie auf Pippi Langstrumpf? Das hätte mir
als Mutter von zwei Pippi-Fans nicht besonders gefallen. Und abgesehen
von Astrid Lindgrens Rassendiskriminierung mag ich ihre Pippi auch sehr
gern. Hätte also in dieser kleinen Buchhandlung im Osten
Nordrhein-Westfalens, wo ich meine Kindheit verbracht und selbst Pippi
Langstrumpf kennen gelernt habe, kein Sessel neben dem Bücherregal
gestanden, wäre das Buch sicher wieder dorthin zurück gewandert. Aber es
stand nun eben ein Sessel dort, und ich hatte Zeit...
Schon beim ersten
Absatz musste ich breit grinsen: „Mamaaaa!“, schrie Lea aus ihrem Zimmer
nach unten. „Kann ich bitte dein Sommerkleid zerschneiden? Das rote! Ich
brauche den Stoff für eine Collage!“ Und so ging es dann eigentlich
immer weiter. In kurzer Zeit hatte ich die Hälfte des Buches
verschlungen, dann habe ich es gekauft. Dieses Vergnügen wollte ich
meinen Kindern nicht vorenthalten:
Zur Familie Pauli
gehören die alleinerziehenden Mutter Iris (Ökologin) und ihre drei
Kinder: Dennis, zwölf Jahre und Computerfreak, Lea, zehn Jahre und
Künstlerin, sowie Flummi, acht Jahre und Artistin.
Aus beruflichen
Gründen muss Iris nun für drei Monate auf eine Expedition an den Nordpol
reisen. Da sie die Kinder nicht allein lassen kann, kommt ihre Schwester
Heidrun, um sich um die Bande zu kümmern.
Eines Abends gibt
Flummi, der durch Zufall ein Hynose-Buch in die Hände gefallen ist, eine
Hypnoseshow. Und es ist kaum zu glauben, aber die Hypnose gelingt, und
die strenge Tante Heidrun verwandelt sich in die übermütige Pippi
Langstrumpf. Was zuerst für die Kinder nach Freiheit aussieht und
wirklich lustig ist (auch für den Leser), hat für die drei Kinder
katastrophale Folgen (für den Leser bleibt es amüsant), denn sie können
Pippi alisa Tante Heidrun nicht mehr allein zu Hause lassen, da sie nur
Unsinn macht und zu befürchten ist, dass Pippi entweder beim Pfannkuchen
backen das Haus abfackelt oder es beim Baden unter Wasser setzt – den
Fernseher hat sie schon im Garten verbuddelt.
Der Versuch einer
Rückhypnose scheitert am Verschwinden des Hypnosebuches...
Vielleicht ist
Grickschs Sprache nicht ganz so ausgefeilt wie die von Astrid Lindgren
und vielleicht ist die Geschichte auch ein wenig an den Haaren herbei
gezogen, aber was ist bei Pippi Langstrumpf schon nicht geschwindelt? Es
ist ein rasantes und wirklich heiteres Buch, nur macht es vielleicht
mehr Spaß es zu lesen, wenn man Pippi Langstrumpf auch schon kennt.
Heißa hopsa!!!
(Für Kinder ab 8
Jahren, ein Buch ohne Bebilderung.)
Ich kenne die Marmeladen von Veronique Witzigmann. Nun
hat mir eine Bekannte erzählt, es gäbe auch ein Buch von Veronique
Witzigmann. Stimmt das?
Antwort
76:
Und wie! Veronique Witzigmann hat 2009 „Die kleine
Marmeladenfee“, eine Geschichte für Kinder zwischen 5 und 7,
veröffentlicht. Dass am Ende des Buches Marmeladenrezepte für Kinder zum
Nachkochen aufgelistet sind, sollte nicht dazu verführen, das ganze
Unterfangen zu belächeln. Die beiden Autorinnen – neben Witzigmann Caren
Zacharias – haben ihre Erzählung von der Fee, die sich entscheiden muss,
welchen Weg im Leben sie einschlagen will, mit viel Charme geschildert.
Die Figuren, die sich kindernah und schlüssig eindeutig in Gut und Böse
einteilen („Die Fee, die am Herd stand, hatte offensichtlich auf diesen
Zauber verzichtet. Ihre Haare waren weiß, und ihr Gesicht war voller
Falten. Sie sah alt aus. Alt und freundlich.“ – „Die Augen der dunklen
Fee wurden zu schmalen Schlitzen, und ihre Stimme senket sich zu einem
bedrohlichen Flüstern.“) Da sind Kinder ganz dabei, sie erleben all ihre
Gefühle noch intensiver und identifizieren sich mit der kleinen Fee, die
fröhlich-naiv ist, aber dabei nicht dümmlich. Ein wichtiger Punkt: Den
Kindern begegnen in vergleichbaren Büchern immer sehr plan als
„Naschkatzen“ angelegte Figuren – man denke nur an „Emily Erdbeer“ -,
wohingegen dieses Buch lustig und leicht, aber keine Verblödungslektüre
ist.
Dazu Illustrationen mit Herz!
Band 2 ist auch schon erschienen (lag uns aber nicht zur
Rezension vor.)
Meine Mutter ist gestorben. Meine kleine Tochter kommt damit nicht klar,
dass ihre Oma plötzlich weg ist. Haben Sie ein Bilderbuch, das das
Geschehen ihr erklärbar macht?
Antwort
75:
Wir empfehlen: "Ein Himmel für Oma".
Das Buch - sehr kindgerecht, durchdacht und von Menschen, die sich mit
dem Thema auseinandergesetzt haben - ist es weniger ein künstlerisch
anspruchsvolles Buch als ein Buch, das wirklich zu bewältigen hilft.
(Ab 5)
Antonie
Schneider:
Ein Himmel für Oma: Ein Bilderbuch
über das Sterben und den Tod
Frau Waldmeister hilft
am allerliebsten Kindern und das mit detektivischem Spürsinn. Sie wohnt
im Haus mit Amanda, die noch klein, aber allein ist, was keinen wirklich
stört, und eines Tages einen Freund hat, der in Schwierigkeiten steckt.
Frau Waldmeister, die immer mit einem schicken Hut begleitet, nicht
ertragen kann, wenn Kinder leiden, verspricht zu helfen. Philipp,
Amandas Freund, ist Waise und ein Freund seines Vaters kümmerte sich bis
jetzt um ihn. Doch Rubin musste zum Schutz des kleinen Philipp
verschwinden, denn zwei böse Betrüger suchen ihn, weil sie meinen, er
hüte das Geheimnis um eine goldene Glocke. Doch er weiß davon nichts,
denn sein Freund kam ums Leben, bevor er ihm davon erzählen konnte. Frau
Waldmeister geht auf die Suche nach Rubin und wird mit den ihr eigenen
Methoden fündig. Sie findet aber nicht nur Rubin, sondern eine Katze
bewacht ein geschütztes Loch auf dem Grundstück und so lüftet sie auch
das Versteck der goldenen Glocke, die die Gauner erpressen wollten. Die
werden aber auf Geheiß des Polizeipräsidenten, dem Frau Waldmeister ein
paar ernste Worte gesprochen hat, schließlich hat sie ihm geholfen, als
er noch ein Kind war, in sichere Verwahrung genommen.
Rubin, Philipp, Amanda
und Frau Waldmeister leben genau wie der Archivbesitzer, dem Frau
Waldmeister mittwochs immer Karten legte, bis zum nächsten spannenden
Fall zufrieden und in Eintracht miteinander weiter.
Einfühlsames
Kinderbuch, das Freundschaft einschließt und der Gerechtigkeit dient.
Unbedingt lesenswert.
Hätten Sie eine Idee zu einem Bilderbuch,
das gern ein wenig nostalgisch wirken darf!
Antwort 73:
Ein stilvoll
illustriertes, sympathisches Vorlesebuch
Andreas H.
Schmachtl: „Juli Löwenzahn. Schatzsuche im Möhrenbeet"
Von Brigitte Bjarnason, Hafnarfjördur
Juli Löwenzahn kann prima helfen.
Allerdings sorgen seine Ideen für ungeahnte Überraschungen.
„Juli Löwenzahn“ ist eine liebenswerte,
mit bunten Zeichnungen illustrierte Hasengeschichte. Sympathisch ist der
positive Unterton, denn obwohl Juli Löwenzahns Hilfsaktionen mehr
Schaden als Nutzen anrichten, wird er weder ausgeschimpft noch bestraft.
Das macht Kindern Mut, eigene Ideen zu entwickeln.
Das Buch eignet sich gut zum Vorlesen oder
einfach nur zum Bilderangucken. Der Text ist kindgerecht, hat die
richtige Länge und hält die Aufmerksamkeit des Lesers und Zuhörers bis
zum Ende. Die nostalgisch anmutende Illustration lädt zum genaueren
Hinschauen ein, denn es gibt in den Bildern viele einfallsreiche Details
zu entdecken.
„Juli Löwenzahn“ ist ein Lesespaß für
Eltern und Kinder.
Ich suche nach einem Buch, das
"Mitmenschlichkeit" behandelt und das ich mit meinem kleinen Enkel
zusammen anschauen und lesen kann.
Antwort 72:
Für Jung und Alt
Elisabeth Steinkellner: "Beste Grüße an
Herrn Günther"
Von Susan Müller
Drei Freunde und ein kleiner Junge im
Rollstuhl können nicht verstehen, dass Herr Günther so komisch drauf
ist. Er schmeißt seine Zigarettenreste einfach weg, streitet mit seiner
Frau lautstark und beleidigt den kleinen kranken Jungen.
Doch die drei versuchen ihn auf eine
andere und besondere Art zu „knacken“. Sie schicken ihm per Post seine
Zigarettenstummel mit Grüßen an Herrn Günther und helfen ihm beim
Einkauf, indem sie die Taschen auf dem Schoss des Jungen im Rollstuhl
transportieren und sie hören Herrn Günther und seine Frau miteinander
lachen. Wenn das kein Erfolg ist?!
Auf eine andere Art und Weise erzählt und
vor allem mit kindlichem Gemüt die Missstände behoben, ist eine kurze,
aber für Jung und Alt einprägsame Lektüre.
Wir suchen nach einem aufmunternden,
qualitätsvollen und nicht zu langen (!) Buch für unseren zehnjährigen Sohn.
Antwort 71:
Die
Erzählung, die wir Ihnen empfehlen, ist etwas unglücklich in einer Reihe
gelandet (Duden Lesedetektive), in der es rein funktional zur
Leseförderung dienen soll. Dort versteckt sich mit „Die Inselschüler –
Gefahr im Watt“ ein ganz besonderes kleines Werk. Eine Schulklasse, ein
abenteuerliches Erlebnis, ein gänzlich unkonventioneller Lehrer, das ist
eine rundum geeignete Lektüre. Christian Tielmann erzählt mit viel Liebe
und Wärme und in -innerhalb der Kinderliteratur auffallend versierten-
Sätzen, die einerseits gesprochene Sprache aufgreifen, andererseits sie
aber auf ein literarisch angemessenes Niveau heben.
Ein
gekonntes Exemplar aus dem Genre Schulgeschichten.
Ich habe in der Buchhandlung ein fest
gebundenes Buch aus dem mir nur als Taschenbuchverlag -wie schon der
Name sagt- "Deutscher Taschenbuchverlag" gesehen. Es interessiert mich
daher, ob es inhaltlich wie die Taschenbücher ist. Würden Sie es
rezensieren? Es heißt "Der letzte unsichtbare Junge" und ist von einem
mir unbekannten Autor namens Evan Kuhlmann.
Antwort 70:
Mitten im Schicksal und danach
Evan Kuhlmann: „Der letzte unsichtbare
Junge“
(sm) Finn ist auf den ersten Blick ein ganz
normaler Junge. Nur seine Haut ist blasser und seine eigentlich
schwarzen Haare sind eher weiß. Und das mehr und mehr!
Warum? Wird Finn unsichtbar? Will er
unsichtbar werden?
Finns Vater ist gestorben. Ein natürlicher
Tod, aber dennoch völlig unvorhergesehen. Eine Welt bricht für den
zwölfjährigen Jungen zusammen. Er rettet sich ins Tagebuchschreiben.
Damit beginnt diese Geschichte des
amerikanischen Autors Evan Kuhlmann eine literarische Verarbeitung zu
bekommen. Eine filmische oder eine als Comic wäre angesichts des Plots
auch denkbar gewesen.
Denn Finn altert nun. Äußerlich. Seine
Umgebung reagiert unterschiedlich. Finns Freundin Mel hält zu ihm. Mit
ihr findet er zum menschlich und künstlerisch besten Ausweg, Witz,
Humor, das Brechen einer frontalen Perspektive. Die anderen
Familienmitglieder kämpfen alle auf ihre eigene Weise mit sich und um
Finn; der Opa erzählt zur Trauerbewältigung ununterbrochen Anekdoten von
früher, die Mutter färbt sich gar selbst die Haare weiß.
Die Anspannung kann nur durch Finn gelöst
werden, und er schließt den Frieden, den die Tragik des Romanes
verlangt. Er findet sich mit dem Schicksal ab. Als Bild: Er isst den
letzten, vom Vater mitgebrachten Drop. Nun kann er wieder beginnen, nach
vorne zu schauen. Finn nimmt Abschied vom Vater und übernimmt
Verantwortung auch innerhalb der Familie. Dass Finn auch mit Hilfe einer
psychologischen Betreuerin ins Leben zurückfindet, wird sofort sichtbar,
als seine Haut die Rosafärbung zurückbekommt und auch sein Haar sich
langsam wieder verdunkelt.
Ein Buch, das zeigt, wie schnell eine
unvorhergesehene Situation alles durcheinander bringen kann. Aber es
beschreibt auch, wie man gemeinsam auch aus tiefen Tälern herauskommt
und welche Gedanken über das Leben und um das Danach sich einem
Heranwachsenden nach so einem Schicksalsschlag aufdrängen. Und wie er
sie bewältigt.
Ich möchte einen Sammelband mit
Geschichten für Kinder verschenken. Aber es ist so schwer, einen guten
auszuwählen. Die Erzählungen sollen Qualität haben.
Antwort 69:
Das beste, was uns als
Kinderliteraturkritikern bisher untergekommen ist –und uns ist einiges
untergekommen- , ist der Sammelband „Östlich der Sonne, westlich vom
Mond“, herausgegeben von Paul Maar und neu erschienen bei der
Büchergilde Gutenberg. Darin sind viele große Namen versammelt
(erstaunlich: auch Robert Musil, Heinrich Heine, Louis Armstrong; nicht
erstaunlich Erich Kästner, Ursula Wölfel, Ursel Scheffler), doch das
ermöglicht es, das oft schwankende Niveau in Sammelbänden aufzufangen –
hier treten alle ausgewählten Erzählungen zueinander in Beziehung;
obwohl auch viele kürzere Texte dabei, kommen Kinder ins Schmökern.
Reichlich Denkanstöße inklusive - deshalb ist "Östlich der Sonne,
westlich vom Mond" etwas für Kinder ab 6 hoch bis 12. Und die Gestaltung
(mit kleinen Bildern versehen von Philip Wächter) tut ihr Übriges: Durch
und durch zum Verschenken geeignet!
Meine Tochter, 10, liebt Erzählungen mit
Internatsschülerinnen. Na ja. Gibt es da etwas Neueres? Schonen Sie mich
nicht.
Antwort 68:
Die Internatsgeschichten sind
beinahe Kulturimperialismus: Seit Jahrzehnten tauchen sie in penetranter
Regelmäßigkeit auf und fluten die Herzen der jungen Mädchen auch in all
jenen Ländern, deren Schulwesen nicht internatsverseucht ist. Aber die
Träume der ewig nachwachsenden Leserinnen trifft es eben auch; die
schlechte, aber nette Schülerin, die Freundinnen, die mal zweifeln, aber
doch immer zur Stelle sind, das Unverstandensein und das Bettdeckeüberdenkopfgeziehe inklusive Schluchzen – in diesem (vierten)
Schuljahres-Abenteuer von der Hexenschülerin Mildred flüchtet sie gleich
zweimal in ihr Zimmer, in ihr Bett.
Als erwachsener Leser muss man also schon
einiges aushalten, nicht nur mit beleidigten Mädels zuhause, sondern
auch noch m Buch. Ein Glück für die Zielgruppe, dass sich doch noch
alles zum Guten wendet für ihre Identifikationsfigur, und ein noch
größeres Glück, dass Mildred in einer eindeutigen Welt lebt, eine
erklärte Erzfeindin, Esther, hat. Schwarzweiß, gutböse, ja, es ist wie
„Hanni und Nanni“, aber weil wir 2007 als Ersterscheinungsjahr in
England schreiben, gibt es auch Sätze wie „Esther hinterfragte ihr
Handeln nicht“. Und deswegen gibt es auch ein wenig Zauberei und
Schildkröten, die zeitweise sprechen können. Potter hat tiefe Spuren
hinterlassen.
Doch nur eine Seite, die im rauen Wind der
Kritik nichts zulassen kann, lehnt dieses Buch ab. Die andere: Es ist
ein Buch für acht bis elfjährige Mädchen, das wird es immer bleiben, und
für die ist es keine Schande, Mildred zu lieben. Die Eltern, die „Eine
lausige Hexe eilt zu Hilfe“ kaufen –es ist hervorragend gestaltet- tun
den Töchtern einen Riesengefallen. Sie bringen einen guten Packen
altersgerechte Phantasiewelt mit nach Hause.
Judo ist mein Sport. Gibt es was, worin
Judo vorkommt?
Antwort 67:
(sm) Hochrangiger Besuch kündigt sich an,
und vor allem Linh ist total aufgeregt, denn sie, die ihm Judo ihre
Sportart sieht, wartet auf den Großmeister Yuuto, der ihre Schule
besuchen wird. Sie wird seine Begleiterin sein. Und er wird ihr
zuschauen bei ihren Kämpfen. Doch kaum bestreitet sie ihren ersten
Kampf, der auch von Erfolg gekrönt ist, verschwindet ihr Held.
Da er nicht wieder auftaucht, vermasselt
Linh ihren zweiten Kampf. Unsere 5 Asse kommen hinter alles; sie spüren
Yuuto auf. Doch noch weiter helfen die 5 Asse – und beweisen, wie immer,
ihre absolute Teamfähigkeit und ihren kriminalistischen Spürsinn.
Jedes Abenteuer der 5 Asse ist wie dieses
spannend, unkompliziert, schnell durchzulesen. Die Eigenschaften der
Freunde sind heute gern gesehen, und für dieses Mal passen sie
wenigstens zu Milieu, in dem dieser Band spielt. Wer Judo als Sport
treibt, hat nun auch ein „Asse“-Buch für sich, die „Asse“-Fans einen
neuen Fall, und alle anderen verpassen nichts, wenn sie darauf
verzichten.
Ich habe "Darf ich bleiben, wenn ich leise
bin" von Andrea Hensgen gelesen und habe jetzt gehört, dass ein
weiteres
Buch von ihr erschienen ist. Was für ein Titel! "Als Häschen den Sheriff erschoss".
Und was steckt dahinter?
Antwort 66:
Exodus
„Als Häschen den Sheriff erschoss“ ist ein
Kinderbuch. Trotz des Titels.
Von Jan Fischer
Manchmal, spätnachts, wenn alle schon ein
bisschen mehr getrunken haben und nostalgisch werden, mache ich mir den
Spaß, zwischen dem ganzen Gerede über He-Man, Knight Rider, die ersten
Erfahrungen mit der Bravo und Schwärmereien von Fireball aus „Saber
Riders“, kurz mal „Watership Down“ zu erwähnen. Nicht das Buch, sondern
den Film, in dem niedliche Häschen plötzlich durchdrehen, mit blutigen
Schnauzen aufeinander losgehen, und einer der brutal niedergemetzelten
Hasen dann als gruseliger Geist wieder auftaucht. Es wird immer still,
wenn ich den Film erwähne: Wer ihn kennt, der hat ihn nicht vergessen.
Ganz so schlimm ist „Als Häschen den
Sheriff erschoss“ nicht, aber doch: Das erste, was Häschen tut, nachdem
es versehentlich den Sheriff gekillt hat, ist, erstmal einen Kurzen in
der Tierkneipe „Zum Hirschen“ zu trinken. Aber von da aus wird es
harmlos, wird die Geschichte des toten Sheriffs zu einer über
Freundschaft und den Auszug der wirklich wahren Freunde Häschens aus dem
Wald. Häschen verarbeitet die ganze Geschichte auch relativ schnell,
nachdem ihm alle seine Freunde versichern, es sei ja Notwehr gewesen.
Der Unterschied zu Trauma-Maschinen wie „Watership
Down“ ist eigentlich ganz einfach: Das eine beginnt mit einer Idylle,
die es dann Schritt für Schritt auflöst: Bei „Watership Down“ jagt eine
Katastrophe die andere. „Als Häschen den Sheriff erschoss“ beginnt mit
dem schlimmsten, was es zu bieten hat, und benutzt die Katastrophe als
Vehikel zur Konstruktion einer Utopie, die einigen der Tiere zwar eine
schwere Entscheidung abverlangt, aber zum Exodus in eine
bessere Welt führt. „Watership Down“ beginnt mit diesem Exodus.
Letztendlich haben zwar beide ein Happy End, aber bei „Watership Down“
wird alles sehr viel schlimmer, bevor es besser wird. In „Als Häschen
den Sheriff erschoss“ ist Häschens schlimmster Moment der Anfang, der
Kräuterschnaps kurz nach der Tat, ab da wird alles konstant besser.
So gesehen ist die Brutalität, dieses
Erschießen, bei „Als Häschen den Sheriff erschoss“ nur die
Verpackung, das, was draußen drauf steht, nur der Anfang, und nichts,
was lange nachschwingt. „Als Häschen den Sheriff erschoss“ ist
wahrscheinlich kein Buch, mit dem man in zehn Jahren spätnachts, wenn
alle schon ein bisschen mehr getrunken haben und nostalgisch werden,
Leute plötzlich zum Schweigen bringen kann. Das macht es nicht zu
einem schlechten Buch. Sondern zu einem normalen Kinderbuch.
"Rocky" hat es
meinen Kinder angetan. Wie ist der nächste Band, "Ein Hamster räumt
auf"?"
Antwort 65:
Rocky löst auch echte Probleme
Denn Rocky räumt auf
Von Susan Müller
Rocky, der aus "Ein Hamster tobt im
Klassenzimmer" bekannte Hamsterfreund, hat alle Hände voll zu tun, um in
"seinem" Klassenzimmer aufzuräumen und Harmonie hineinzubringen. Die
Weihnachtsferien sind vorbei, und da Mrs. und Mr. Brisbane Rocky über
die Feiertage bei sich hatten, entstand eine blinde Vertrautheit und
Freundschaft zwischen ihnen. Der Trennungsschmerz, der Rocky bei Mrs.
Mae, die ihn Anfang des Schuljahres verließ, verblasst. In der Klasse stellt sich eine Veränderung ein, sie und somit auch Rocky
bekommen Zuwachs. Der erste ist ein Frosch, der Osch getauft wird und
Tamara, eine neue Schülerin, die in einer Pflegefamilie aufwächst und
sich anfangs so unwohl fühlt, dass sie ständig ihren Teddy mit sich
rumschleppt und dafür von den Klassenkameraden belächelt wird. Doch unser Rocky löst alle kleinen und größeren Problemchen bzw. liefert
deren Lösungsansätze. Auf Osch, das neue Klassentierchen, ist Rocky anfangs sehr eifersüchtig,
denn er steht nicht mehr ständig im Mittelpunkt, und außerdem spricht
Osch nicht mit ihm, sondern gibt nur komische Geräusche von sich. Als
aber Rocky bei einem seiner Abenteuer zugunsten seiner Freunde in
Gefahr gerät, wird er von Osch gerettet, und das vergisst er ihm
natürlich nie und wie über Nacht sind die beiden in Freundschaft
verbunden. Doch Rocky löst auch echte Probleme, denn er versöhnt die
Stiefgeschwister Lara und Mara durch einen kleinen Trick, der ihm zwar
viel Schweiß gekostet hat, aber sehr nachhaltig wirkte. Nicht genug damit, die besten Freundinnen Heidi und Kathi zerstreiten
sich wegen einer totalen Nichtigkeit, doch bei einer Klassenfeier
verteidigt die eine die andere gegen den "Feind" Martin und der Frieden
ist wieder hergestellt. Aber auch der sogenannte Feind Martin Bohne, genannt Bohnenstange lernt
seine Lektion bei der Geburtstagsfeier, der bekommt nämlich von
Hausmeister Aldo die Aufgabe, die Tombolapreise zu verteilen und das
auch noch freundlich. Nach anfänglichen Schwierigkeiten geht die
Rechnung auf und Martin verliert seine Dominanz, die anderen schrecken
nicht mehr vor ihm zurück. A propos Aldo, zu guter Letzt kann unser Rocky auch was für ihn tun.
Er bringt es wieder fertig, dass Anmeldeformular, welches Aldo ausfüllen
muss, wenn er, seinem Wunsch getreu, als Lehrer arbeiten möchte, so zu
platzieren, dass Mrs. Brisbane aufmerksam wird. Sie lädt also ein, eine
Unterrichtsstunde zu halten, der sie und der Direktor beiwohnen. Dann
ist es nur noch eine Kleinigkeit, dass die beiden ein
Empfehlungsschreiben geben.
Sie sehen, Rocky erlebt viel und hat jede
Menge zu tun. Betty G. Birney verzaubert die kleinen Leser mit der
Vielfalt und Originalität der Ideen des kleinen Hamsters. Eine passende
Fortsetzung also.
Aus meiner Kindheit sind mir nicht die
hübschen, gefälligen Bilderbücher, sondern die sperrigeren in
Erinnerung. Nach solchen suche ich auch für meine Kinder. Ich suche nach
dem speziell illustrierten Bilderbuch. Haben Sie Empfehlungen? Ich lese
die "Leserfragen" regelmäßig, Sie können auch gern immer mal wieder
antworten, so dass Sie Neuerscheinungen mit einbeziehen können.
Antwort 64:
Anschaffenswert für Sie ist:
Momo Takane: "Momos Wünsche"
Wenn man sich nicht mit japanischer
Illustration Manga und Bilderbuchgestaltung beschäftigt hat und blättert
dieses Buch nur eilig durch, sind die Illustrationen nur verwirrend,
wenig anheimelnd. Wenn man näher hinschaut, sieht man jedoch und dann
sofort, dass es ein japanisches Bilderbuch ist, und alle für den
Ungeschulten schwierige Eindrücke werden durch Augen der dargestellten
Figuren, durch die Farbgestaltung hervorgerufen; schon wird es zu einem
Buch, das einen wirklich beschäftigt. Nicht nur die Erwachsenen, auch
die Kinder beginnen schnell, an „Momos Wünsche“ zu hängen.
Ein Kind, das nicht einschlafen kann und
mit wirren Gedanken herumliegt und dem sogenannte „Traumeier“ angeboten
werden, das Kind, das die Traumeier und deren Wirkung in Erfahrung
bringt. Das ist die Geschichte. In Kombination mit den Bildern
hinterlässt das Buch kleine Betrachter und große Vorleser, die es nicht
mehr missen möchten. Die anfängliche Verwirrung bleibt bei manchen
vielleicht immer, es ist eine Verwirrung, die positiv ist und gute
Spuren hinterlässt.
Meine kleine Tochter lässt das Essen immer
stehen. Ich würde ihr gerne anhand eines Bilderbuches - und nicht mit
einer oberflächlicher Gewissenskeule - zeigen, dass die Realität für
viele Kinder ganz anders aussieht als für sie. Gibt es da was?
Antwort 63:
Wichtige
Botschaft
Nasrin Siege: "Wenn der Löwe brüllt"
Von Anne
Spitzner
Wenn der Löwe brüllt, haben die Kinder
Hunger. Doch anders als die meisten Kinder hierzulande haben Bilali und
Emanuel, die beiden Hauptfiguren dieses Buches, kein Essen, um den Löwen
zufriedenzustellen – Emanuel und Bilali sind Straßenkinder in einer
namenlosen afrikanischen Stadt. Wenn für sie der Löwe brüllt, müssen sie
betteln gehen oder hart arbeiten, und dabei begegnen ihnen nicht nur
freundliche Menschen, sondern in der überwiegenden Mehrheit
unfreundliche Zeitgenossen und sogar Diebe, die ihnen ihr hart
verdientes Geld gleich wieder wegnehmen.
Dass diese Geschichte nicht nur traurig
ist, verdankt sie dem unerschütterlichen Optimismus ihrer beiden
Protagonisten, die sich weder vom Hunger noch vom Elend unterkriegen
lassen, sondern unbeirrt weiter von einem besseren Morgen träumen. Aber
den größeren Verdienst an der trotz der traurigen Umstände vorhandenen
Fröhlichkeit der Geschichte haben eindeutig die bunten Bilder von
Barbara Nascimbeni, auf denen es so viel zu entdecken gibt, dass man
schon mal vergessen kann, dass man eigentlich gerade zwei hungrigen
Kindern durch die Straßen folgt.
„Wenn der Löwe brüllt“ ist eine schöne
Möglichkeit, den hiesigen, mehr oder weniger verwöhnten, im Vergleich
mit Bilali und Emanuel jedoch recht glücklichen Kindern klarzumachen,
dass es andere auf dieser Welt gibt, denen es nicht so gut geht wie
ihnen.
Und trotz dieser wichtigen Botschaft sind
Emanuel und Bilali keine kleinen Moralapostel mit erhobenem Zeigefinger,
sie sind und bleiben Kinder, die lachen, spielen und herumtollen –
Kinder, deren ständiger Begleiter ein Löwe namens Hunger ist.
Ich habe im Buchladen das Bilderbuch "Komm
essen, Pfannkuchen!" gesehen und bin kritisch.
Was ist Ihre Meinung zu dem Buch ?
Antwort 62:
Witzig für Kinder?
Kai Pannen: "Komm essen, Pfannkuchen!"
Von Iris Kersten
Herr Tapsig bereitet sich einen leckeren
Pfannkuchen, der ihm beim schwungvollen Wenden aus der Pfanne durch das
offene Fenster davon fliegt. (Der Pfannkuchen hat eine Abneigung gegen
Ahornsirup.)
Über 18 Seiten fliegt der Pfannkuchen nun,
verfolgt von denjenigen, denen der Duft desselben in die Nase gestiegen
ist, um zu guter Letzt, müde wie er ist, auf dem Teller eines
glücklichen Mädchens zu landen. Dort lässt sich der Pfannkuchen willig
mit den leckeren Sachen der Verfolger belegen und verspeisen. Selbst
Herrn Tapsigs Ahornsirup lässt ihn nicht mehr zurückschrecken.
Auf jeder Seite wiederholt sich ein
Holdrio-Reim, und Kinder lieben Wiederholungen. Das ist eine nette Idee.
Aber darüber hinaus?
Laut Verlag handelt es sich um „eine
witzige Neuerzählung des alten Volksmärchens Vom dicken fetten
Pfannkuchen“ für Kinder ab 5 Jahren.
Witzig soll es sein. Die karikaturhaften
Zeichnungen sind es vielleicht – man muss eben Karikaturen mögen – aber
der Text bringt einen eher zum Weinen als zum Lachen, denn es entsteht keine zusammenhängende Geschichte. Was die
Buchseiten
miteinander verbindet, sind die Bilder des Pfannkuchen und der Personen,
die hinter ihm herjagen. Doch auch die einzelnen Bilder lassen Zweifel
aufkommen. Denn ob ein Fünfjähriger versteht, warum
es witzig ist, wenn ein General auf gestapelten Bananenkisten für sein
Standbild probt? Das dürfte fraglich sein. Und auch die Bilderfolge hat
etwas für ein Kinderbuch Willkürliches: Jedes Bild wird für sich beschrieben,
und jedes könnte in der Reihenfolge das erste sein.
Die Idee, ein Pfannkuchenrezept an den
Schluss zu setzen, ist zwar originell, man kann dergleichen aber auch in
einem Kochbuch finden.
Kai
Pannen:
„Komm essen, Pfannkuchen“
Lappan Verlag 2009
32 S., Euro 9,95
ISBN 978-3830311416
Die Rezensentin lebt als Autorin und
Kinderbuchautorin in Brüssel. Sie leitet zudem Workshops für Kinder für
Kreatives Schreiben.