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Tipps zum Thema: DDR

 

 

 

 

Positive Botschaft

Juliane Breinl: „Feuerbälle. Die Abenteuer einer Kinderbande in Ostdeutschland“

Von Susan Müller

 

Juliane Breinl:

„Feuerbälle. Die Abenteuer einer Kinderbande in Ostdeutschland“

120 Seiten, Euro 12,90

Verlag Sankt Michaelsbund 2011

ISBN: 978-3939905837

 

 

 

5 Kinder, also eine kleine Gruppe, die sich gut versteht. Dazu gehören die Zwillinge Lona, Hannes, bei denen es nicht nur kracht, weil sie Junge und Mädchen sind, sondern auch als Geschwister. Tobias, der oft seinen kleinen Bruder betreuen und mitbringen muss. Anita, die durch Ballettunterricht manchmal wenig Zeit hat und Evy, die „Frau“ mit den Ideen und gleichermaßen beste Freundin beider Zwillinge.

Der Gedanke, eine Bande zu gründen, kommt den 5 als der Stadtviertelstreuner Kohle, Hannes neue Frisbeescheibe mit sich nimmt. Die Aufklärung, Beschattung und Zurückbeschaffung verlangt nach einem Plan und so auch nach einer Bandengründung einschließlich Namen. Der von Evy gemachte Vorschlag „Feuerbälle“ wird einstimmig angenommen.

Das Manöver glückt und der erste Fall der Bande gelöst. Aber so einfach ist das Ganze nicht, denn aus diesem Fall entwickelt sich eine Aufgabe aus der Aufgabe. Was macht Kohle während seiner Abwesenheit im Neubauviertel der Stadt? Die 5 decken Kohles Geheimnis auf, der hat einen Sohn und das dessen Mutter ihn mit ihm verlassen hat, brach ihm das Herz und hat ihn äußerlich verlottern lassen. Aber die Freunde schaffen das Wunder und können Vater und Sohn wieder vereinen. Doch einer der Feuerbälle hat ganz andere Sorgen. Seine Eltern haben einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt, sie wollen in die BRD zu den Großeltern. Für Tobias bedeutet es, weg von den Freunden, vor allem von Hannes.

Es stellt sich aber heraus, dass so ein Antrag eine Weile in der Bearbeitung dauert und die beiden entwickeln zudem einen Plan, wie sie in Verbindung bleiben können, also Freunde fürs Leben.

Ein tolles Buch über Freundschaft, Ehrlichkeit und Familie, außerdem über die Überwindung von Vorurteilen und die positive Botschaft - zu alledem gehörend Zusammenhalt und Füreinander-Einstehen. Klasse.

(Ab 8)

 

 

 

 

Die Grenze übertreten - in die andere Richtung

Anne C. Voorhoeve: Lilly unter den Linden

Von Susan Müller

 

Anne C. Voorhoeve:

„Lilly unter den Linden“

Ravensburger 2011

288 Seiten, Euro 6,95

ISBN: 978-3473582280

 

 

 

"Warum wir nicht einfach das Beste aus beiden Systemen übernommen hätten", wollte ich von Lena einmal etwas naiv wissen, "dann könnten doch alle zufrieden sein."
Unsere Hauptfigur Lilly hat so recht! Sie weiß auch sehr genau, wovon sie spricht. Als ihre Mutter stirbt, lebt sie in Hamburg und hat niemanden mehr, denn ihr Vater ist schon vor Jahren tödlich verunglückt. Das Jugendamt soll die Vormundschaft übernehmen. Doch dann kommt plötzlich Lillys Tante Lena aus dem Osten zur Beerdigung. Sofort herrscht zwischen den beiden Sympathie und Harmonie und die 13-jährige Lilly ist das erste Mal seit dem schmerzlichen Verlust so etwas wie zuversichtlich. Tante Lena muss allerdings in den Osten zurück, nach Jena. Lilly versteht das alles nicht und lässt nichts unversucht, bis sie am 24.Dezember den Freund ihrer verstorbenen Mutter soweit hat, dass er sie unerlaubterweise über die Grenze bringt. Jetzt geht das Dilemma richtig los, denn es ist längst nicht so, wie man annehmen könnte - dass es nämlich kein Ding sei, wenn jemand "andersrum" die Grenze übertritt und bleiben will - freiwillig in den Osten.

Tante Lenas und Onkel Rolfs Vergangenheit und der dazugehörige Kontakt zur Staatssicherheit, dem Überwachungsorgan der DDR, holt sie ein. Vieles bleibt für Lilly unverständlich, z.B. dass sie vorübergehend zurück in die BRD muss. Und dass ihre Cousine Katrin sie ablehnt, findet sie traurig. Einige Zusammenhänge sollen sich ihr bald erschließen, denn sie lässt nicht locker, bis sie von Katrin die ganze Wahrheit erfährt. Und davon erfährt, welche Schwierigkeiten Tante Lena hatte, weil sie ihre Schwester Rita, Lillys Mutter, nicht verraten hat, als diese Republikflucht beging.

Um Lilly zu sich zu holen, müssen Lena und Rolf oft über ihren Schatten springen, um sich helfen zu lassen, aber dann kommt der Sommer 1989. Die Familie ist wieder beisammen. Lena und Rolf behandeln Lilly wie ihr eigenes Kind und Till und Katrin wie eine Schwester.

Anne C. Voorhoeve hat ein wunderbares Werk geschaffen, das zum Schmunzeln anregt, aber in seiner Tiefgründigkeit auch sehr berührt.

(Ab 12) 

 

 

 

 

Doch wenn man 12 ist

Klaus Kordon:„Die Flaschenpost“

Von Susan Müller

 

Klaus Kordon:

„Die Flaschenpost“

Beltz (Gulliver) 2000

184 S., Euro 6,95

ISBN 978-3407783783

 

 

 

„Mit einem geliehenen Kopf immer um die Wände herumzulaufen, ist Selbstbetrug.“

En Satz, der trifft. Besonders wenn man Meinungen vertreten muss, die gar nicht die eigenen sind. Oder, um genau zu sein, die man nicht öffentlich vertreten darf, ohne anzuecken. Wie es in der DDR mit der Meinungsfreiheit war.
Doch wenn man 12 ist und genügend Ideen gepaart mit Phantasie hat, dann denkt man nicht daran, dass die Flaschenpost, die man eigentlich für Afrika oder weiter gedacht hat, schon in Westberlin angespült wird. Und von einem Mädchen namens Angelika gefunden wird. Eigentlich sind Ost- und Westberlin füreinander ja auch tiefstes Ausland, und da Angelika, genannt Lika, nicht viel über Ostberlin und die dortigen Verhältnisse weiß, schreibt sie einfach an die angegebene Adresse. Als dann aber dieser „Westbrief“ bei unserem Ostberliner Jungen Matze ankommt, sorgt er bei ihm und dessen Familie für Aufregung.

Matzes Mutter möchte beruflich gern weiterkommen, und mit Westkontakten ist dieser Traum schnell ausgeträumt und bringt auch noch eine Menge Ärger mit sich.

Es ist äußerst lesenswert, welchen Erfindungsreichtum beide Kinder gemeinsam mit ihrem jeweils besten Freund entwickeln, um zueinander Kontakt zu halten, denn unverständlich sind ihnen die politischen Zerwürfnisse allemal. In diesem Fall ist es dem Leser wärmstens ans Herz zu legen, sich die Einzelheiten zu erlesen.

Die Kinder schaffen es, vorbei an vielen Widrigkeiten und kleinen Notlügen, den Eltern Verständnis für ihre Lage abzugewinnen. Vor allem die Erkenntnis, dass wir immer predigen, alle Menschen seien gleich und dann geht der Unterschied schon bei Ost- und Westdeutschen los. Herrlich einfach in den Augen der Kinder und eben so unkompliziert wird es auf den Leser übertragen, und man kann sich die Notwendigkeit der Teilung beider Staaten damals gleich gar nicht mehr erklären. Noch beeindruckender ist dabei, dass das Buch geschrieben wurde, als an Versöhnung nicht zu denken war.  

(Ab 11)

 

 

 

 

Im Zentralklub - 1989

Markus Burkhard: „Macht ihr eure Wende, ich bin verliebt“

Von Susan Müller

 

Markus Burkhard;

„Macht ihr eure Wende – ich bin verliebt“

Terzio 2007

140 S., Euro 10,90

ISBN 978-3898358750

 

 

 

Was mit friedlichen Montagsdemonstrationen in Leipzig beginnt, zieht sich bald durch die ganze ehemalige DDR. Auch die Hauptstadt Berlin erreicht es, sie ist im Rausch des Rufes nach Freiheit. Paul nimmt dies alles wahr und auch wieder nicht, denn er ist mit den ersten Annäherungsversuchen an ein Mädchen beschäftigt. Genauer gesagt: Cornelia. Er verfolgt die Nachrichten zu den Flüchtlingsströmen über Ungarn, und doch sieht die Realität in seinem Heimatort Faulenrost noch anders aus. Der Ort lebt von der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft), in der der Vater als Traktorfahrer und die Mutter in der Küche arbeitet. Ohne die gewissen, oft bewusst versteckten Einschränkungen im DDR-Alltag, die man hinnimmt, eine eigentlich heile Welt. Die Kinder gehen zur Schule, die Eltern haben einen Arbeitsplatz und alle haben ein Dach über dem Kopf.

Dann kommt der 09.11.1989.

Paul nimmt Cornelia mit heim, und sie nähern sich einander zart, ersehnen den ersten Kuss, doch bevor ihre Lippen sich treffen, reißt Pauls Schwester Juliane schreiend die Tür auf: „Die Mauer ist gefallen“. Inzwischen sind auch Pauls Eltern wach und müssen den Wahrheitsgehalt dieser Nachricht sofort im Fernsehen überprüfen. Ab da jagt ein Ereignis das nächste.

Pauls Freund Nolle, dem er nur schwer widersprechen kann, überredet ihn zu einem kirchlichen Treffen mit Bremern in Stralsund, bei dem auch der Pfarrer zugegen ist. Paul kann aber bestimmte „alte“ DDR – Gewohnheiten nicht ablegen, er spricht über Arbeitsproduktivität, Sozialismus u.ä. Dies bringt ihm böse Blicke des Pfarrers ein, der dies im Zeichen der Wiedervereinigung nicht hören will. Das positive an der Sache ist: Bevor Paul abreisen muss, macht ihm ein weiterer weiblicher Fan schöne Augen, Fannie.

Bevor Pauls Eltern viel Zeit zuhause verbringen müssen, da sie in der LPG nicht mehr gebraucht werden, geht es mit der neu gewonnenen Freiheit und der ganzen Familie nach Österreich, Urlaub machen. Auch dort ist es wieder ein Mädchen, das Pauls Blut in Wallungen bringt, genannt Dirndl. Er hat also mehr mit den Reaktionen seines Körpers zu tun als mit dem geschichtlichen, politischen Geschehen.

In Faulenrost erwartet die Familie schon die nächste Überraschung, denn der Mauerfall; die Wende, bringt nicht nur Lebensmittel der anderen Art und deren gepfefferten Preise, sondern auch Alteigentümer, die ihre Grundstücke rückübertragen möchten. Wäre das Paul für seine Schule ganz recht, findet er das für ihr Wohnhaus nicht so toll. Gemeinsam mit den Eltern und seinen Freunden können sie, immerhin, die Sprengung ihres Hauses verhindern.

Am Tag vor der deutschen Einheit finden sich alle Faulenroster und deren Besucher (Dirndl und Fannie sind ebenfalls gekommen) im Zentralklub 1972 ein, um die Wiedervereinigung gemeinsam zu feiern. Der Pfarrer und der Durch-und-durch-DDR-Fanatiker des Ortes versöhnen sich, und Paul hat erst mal alle Mädchen lieb. Doch dann bringt ihn ein nicht enden wollender Kuss seiner Traumfrau sehr nahe.

Wie sich dem Leser unschwer erschließt: Paul hat keine Zeit für die Wende, er musste seine Gefühle unter Kontrolle bringen und sie letztlich leben. Für mich ohne Schmus, humorvoll und doch echt – und mit der ungern gehörten Aussage, dass nicht jeder mit der Wiedervereinigung seine Vergangenheit ablegen konnte und in puncto soziale Sicherheit sehr schnell Defizite entstanden.

Markus Burkhard ist ein guter Mix zwischen lustigen Episoden und trauriger Wahrheit gelungen.

(Ab 13)

 

 

 

 

"Genauso war's"

Hanna Schotts "Fritzi war dabei. Eine Wendewundergeschichte"

Von Susan Müller

 

Hanna Schott:

"Fritzi war dabei. Eine Wendewundergeschichte"

Mit Illustrationen von Gerda Raidt

Klett Kinderbuchverlag 2009

87 S., Euro 9,90

ISBN 978-3941411159

 

 

Genauso war´s hätte ich beim Lesen rufen können, aber ich will nicht vorgreifen.
Fritzi kommt nach den Sommerferien,  Anfang September, wie es in der DDR üblich war, ins neue Schuljahr. Alles ist wie immer, Appell, Pionierhalstuch – nur, dass Fritzi ab diesem Jahr das blaue gegen das rote eintauscht, sie ist jetzt Thälmannpionier.

Aber noch etwas ist anders: Sophie fehlt. Das Gerücht verdichtet sich, dass ihre Eltern mit ihr das Land verlassen haben und über Ungarn  nach Westdeutschland ausreisen wollen. Solche Meldungen häufen sich in diesen Wochen. Bei Fritzis Eltern gehen die Meinungen darüber, ob man das Land verlassen sollte, auseinander, denn Fritzis Vater meint, dass man ja ohne im Land verbleibende,  Leute auch keine Veränderungen erreicht. Doch gegen die Montagsdemonstrationen sagt er nichts - und die Mutter geht hin.
Eines Montags nimmt sie Fritzi und deren kleinen Bruder Hanno mit. Nicht ungefährlich; niemand weiß, was alles passieren kann. Der Vater ist daher der Mutter gegenüber kritisch. Aber es folgt eine durchaus friedliche Demo durch die Innenstadt Leipzigs mit unendlich vielen Leuten.
Die Nachrichten zeigen Bilder davon, wie geflüchtet wird über Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei in den Westen.

Und dann die erlösende Nachricht, „Die Mauer ist auf“. Hat Fritzis Vater zwar die Meinung vertreten, man kann ein Land nicht verändern, indem man es verlässt, freut er sich über diesen Ausgang der großflächigen Proteste.
Der Besuch bei Oma in München, die nicht schlecht staunt und sich aber wahnsinnig freut, lässt langsam realistisch werden, dass aus zwei Ländern, die dieselbe Sprache sprechen und dieselbe Nationalität haben, aber unterschiedliche Politiken verfolgen, wieder ein Volk wird.
Ich war schon älter als Fritzi, und kann mich noch genau an die Montagsdemos erinnern und den 07.10.1989 rund um die Nikolaikirche.
Sehr realistisch, spannend und einfühlsam schreibt Hanna Schott dieses literarische Werk über die zwei Seelen in einer Brust der meisten „Ossis“.

(Ab 7)  

 

 

 

 

Schon so alt?

Teenager und Peter Sis' "Die Mauer"

 

Peter Sis:

"Die Mauer. Wie es war, hinter dem Eisernen Vorhang aufzuwachsen"

Aus dem Englischen von Michael Krüger

Hanser 2007

56 S., Euro 14,90

ISBN 978-3446208926

 

 

(librikon) Das Bilderbuch wird erwachsen, und man muss in Zukunft genauer hinschauen, ob es für Kinder geeignet ist. Es gibt Themen, bei denen diese Entwicklung gut ist - beziehungsweise - et vice versa- zu fragen wäre, ob es diese Themen sind, die die Entwicklung vorantreiben. In diese Diskussion gehört „Die Mauer“, ein Buch von Peter Sis, der aus seinem Leben in der Tschechoslowakei vor der Emigration nach Amerika erzählt. Er nimmt sich für diese schwierigen Erinnerungen die Gattung des Bilderbuchs, schildert und zeichnet demnach auch keine Geschichte, sondern greift mal zu comicartigen Strips, mal zu ganzseitigen bunten und mal zu ganzseitigen einfarbigen Illustrationen, er hat keine Figur, an der sich die Historie sichtbar reibt, man muss viel in den ebenfalls brüchigen Text hineinlesen. Jede Seite einzeln will gewertet, jede Seite einzeln besprochen werden. „Wie es war, hinter dem Eisernen Vorhang aufzuwachsen“, so der Untertitel, könnte etwas für die Vergewisserung Älterer sein, die nach immer neuen Ausdrücken ihres Geschichtserlebens suchen.

Wir in der Redaktion eines Kinderbuchmagazins haben es mit Heranwachsenden ab 12 gelesen – wir haben mehr erklärt und geredet als gelesen. Wer von uns im Osten aufgewachsen ist, ging bewegter daran als diejenigen, die im Westen aufgewachsen sind und eine Geschichtsstunde abhielten. Die Teenager, die uns als erstes erstaunt fragten, ob wir schon so alt sind, dass wir die Mauer noch erlebt haben, hörten zu, zwischen Anödung, wenn sie sich an die offiziöse Geschichtsmaschine der Bundesrepublik erinnert fühlten, und Faszination, wenn sie ihre eigene Aufbruchstimmung angesprochen sahen. „Die Mauer“ verwendet Symbole, die erst an Teenagern nicht mehr unverstanden vorbeiziehen. Monate später: Das Buch war  ihnen im Gedächtnis geblieben, es vermittelt seine Zeit und jene Welt.  

(ab 13)

 

 

 

 

In den Fängen der Staatssicherheit

Ein ausdrucksstarkes Buch über Angst - "Der Vorhang fällt"

Von Susan Müller

 

Viola Türk:

Der Vorhang fällt - ein Mädchen erlebt den Sommer 68 in Leipzig

Altberliner Verlag 2005

190 S., Euro 12,90

ISBN 978-3866379329 

 

 

 

1968 ist dem in dieser Zeit groß gewordenem Leser  ein realer Begriff, die jüngeren haben mit Sicherheit zumindest davon gehört, werden aber alle das Jahr in erster Linie mit dem Prager Frühling in Verbindung bringen.

Die wenigsten werden wissen, dass vor „unserer Haustür“ in der DDR, genauer in Leipzig, ebenfalls ein kleiner Aufstand stattfand; um die Verhinderung der Sprengung der Universitätskirche. Es ist bewundernswert, wie präzise und anschaulich Viola Türk die Gefühle  der 12jährigen Anna nahe bringt und die Umstände dieser Zeit. Eher zufällig erfährt Anna von der geplanten Sprengung und davon, dass viele Leute dagegen sind, einschließlich ihrer Eltern und die ihres gleichaltrigen Freundes Peter, besonders aber dessen 18jähriger Bruder Andreas. Die ausweichenden Antworten ihrer Familie, machen Anna erst recht neugierig. Es reicht ihr nicht  „verboten“ , „sei ja still“ , „die machen sowieso, was sie wollen“ oder „Altes muss dem Neuen weichen“ als Begründung zu hören. Mit „DIE“ ist die sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) gemeint, die in der DDR eine wichtige Rolle spielte.

Einer der Nachteile dieser SED war der Staatssicherheitsdienst, der bespitzelte und aus "republikfeindlichem Gedankengut" häufig Strafen ableitete, wie Abitur- und Studienverbot. Andreas ist politisch unabhängig aktiv, und als Anna und Peter entdecken, dass er heimlich Flugblätter druckt, wollen sie deren Verbleib erkunden. Bei dieser Suche kommen sie auch zum Karl-Marx-Platz, und das nicht nur einmal. Beim zweiten Mal nämlich, das nicht mehr zufällig ist, begeben sie sich in Gefahr, denn sie geraten in eine Demonstration. Als die Polizei eingreift und die Beteiligten in Aufruhr versetzt, stürzt Anna, und plötzlich ist Andreas helfend zur Stelle. Dies wird ihm zum Verhängnis, denn er wird verhaftet.

Anna und Peter können sich gerade noch ins Theater zu Annas Vater retten. Andreas´ Verhaftung  löst Bespitzelei in Form von Befragung und Hausdurchsuchung bei seiner Familie aus. Sehr ausdrucksstark  wird die Geistesgegenwart der Kinder beschrieben, die erfinderisch und schnell die letzten Beweismittel, die auf den Druck der Flugblätter durch Andreas hingewiesen hätten, verschwinden lassen. Scharfsinnig erkennen sie Gefahren für sich und ihre Angehörigen. 

Andreas hingegen trifft durch seine Verhaftung die Härte des Gesetzes. Er fliegt von der Schule und wird daher sein Abitur nicht abschließen können. Ohne Abitur – kein Studium. Er fährt erstmal nach Prag, gerät aber dort mitten in den  „Prager Frühling“ hinein. Die Familie erfährt aus dem Rundfunk vom Aufstand, ist beunruhigt, macht sich große Sorgen. Andreas kommt unbeschadet davon, kehrt aber nicht nach Hause zurück. Sein vorläufiger Weg endet in München, wo er sein Abitur beenden und ein Studium beginnen kann.

Das ist eine der versteckten Geschichte um eine Person in Annas Umfeld. Man spürt die Angst, in der viele leben; die Angst davor, verraten und bestraft zu werden, wenn sie frei ihre Meinung kundtun. 1989 war noch nicht abzusehen!

Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert, sei es um historisch und gesellschaftlich dazuzulernen oder um bestimmte Reaktionen der Bürger in der DDR besser zu verstehen, eindrucksvoll, ausdrucksstark und berührend von Viola Türk (v)erfasst.

 

 

 

 

Gibt Aufschluss

"Gewendet" von Lutz Rathenow und Harald Hauswald

Von Susan Müller

 

Lutz Rathenow/Harald Hauswald

"Gewendet"

Jaron Verlag 2006

128 S., Euro 19,90

ISBN: 978-3897735323

 

 

 

Ich bin vorbelastet, denn ich habe schon „Ost-Berlin“ gelesen und auf Nachfolgeliteratur gelauert und mich gefreut, als ich sie in den Händen hielt, um sie dann förmlich zu verschlingen, wieder nicht nur einmal, denn es sollte mir auch nichts entgehen. Lutz Rathenow hat es im Vorwort auf den Punkt gebracht, was das Buch betrifft: „…“Dinge aufzuschreiben oder zu fotografieren, heißt auch, sich später schwerer betrügen zu können…-… nur die Gefühle die von Sätzen und Bildern hervorgerufen werden, ändern sich…!“ Harald Hauswald tut es ihm fotografisch gleich, denn schon das erste doppelseitige Bild macht mir persönlich „gewendet“ deutlich. Der Jugendliche sitzt zwar auf der Straße, aber immerhin mit Laptop. Letzteres undenkbar zu DDR-Zeiten, aber da saß man auch nicht einfach so auf der Straße?! Irgendeinem Uniformierten wäre man früher oder später aufgefallen und um Aufgabe dieses Platzes „gebeten“ worden. Damals war der Polizist auch noch eine Respektperson, der genauso wie Lehrer und Pfarrer von Hause aus als solche vermittelt wurde und der man normalerweise zu folgen hatte.

Im ersten Rausch der neuen Welt rückt vieles nach dem Mauerfall in den Hintergrund. Die Vielzahl des Angebotes lässt uns staunen, aber es kommt die Zeit da stelle ich fest, jetzt wo es zum Beispiel Nutella, den Nougatbrotaufstrich aus dem Westen gibt, den es bis vor kurzem vielleicht mal bei Oma gab, den diese aus dem Intershop besorgt hatte, halte ich nach Nudossi, dem Ostnougat Ausschau. Oder nach Hallorenkugeln aus Halle an der Saale, die es nach zwischenzeitlichem Verschwinden vom Markt wieder gibt und was muss ich enttäuscht  feststellen? Ihnen fehlt der für sie typische Eigengeschmack aus meinen Kindertagen, nämlich ein bisschen überlagert und nicht so entsetzlich süß waren sie… damals. Aber vielleicht sehne ich mich kurz nach dem Mauerfall nach den Ostprodukten, weil mich das Überangebot überfordert. Heute (be)merke ich es manchmal kaum noch. Prima stellt diese verschiedenen Einkaufskulturen auch ein Fotopaar dar, die etwas einseitige, nur aus Trink-fix-Behältern gebaute Pyramide zum, die Auswahl nicht erleichternden, Schaufenster mit allerhand Produkten.

Die kleine Fleischerei, von Harald Hauswald mit geübtem Blick aufgenommen, mit der endlosen Schlange wartender Kunden und durch Lutz Rathenow präzise und kurz erklärt, dass dieser beliebte Laden nach aufwendiger Sanierung den Supermärkten nicht standhalten kann, gehört auch zu einem immer häufiger werdenden Umstand.

Wir genießen Freiheit und Anonymität, aber ist es nicht ab und an ein bisschen viel von letzterem? Ein Fotopaar und die wenigen Worte dazu geben Aufschluss. Saßen die Menschen früher gemeinsam auf den Bänken, auch wenn sie sich nicht kannten, steht jetzt jeder für sich allein an einer möglichst weit entfernten Ecke. Wer weiß denn heute noch, wer mit ihm in einem Haus wohnt, sobald es als 10 Mietparteien übersteigt?

Es hat uns damals verrückt gemacht, das übertriebene Kontrollverhalten des Staates und das Wörtchen „Müssen“, aber heute „muss“ ich mich nicht mehr in der Gaststätte anstellen, die ich früher so gern mal besucht hätte, denn jetzt nach deren Umbau „kann“ ich sie mir nicht mehr leisten. Wir lassen verkommen, was ein wunderbares Hotel war und zwar solange, bis nur der Abriss übrig bleibt, denn mittlerweile ist die Sanierung zu aufwendig und damit zu kostspielig.

Hätte sich die DDR 1961 nicht eingemauert und wäre es möglich gewesen die guten Ansätze beider Staaten, West wie Ost, ineinander zu vereinen, soziale Sicherheit mit Komfort und ein bisschen Luxus? Wären wir dem Ost-West-Gefälle, was nach 18 Jahren Einheit noch anhält, entkommen und wäre alles besser geworden? Wäre das nicht nur die Möglichkeits-DDR, sondern ein Möglichkeitsstaat gewesen, der entwicklungsfähig schien und hätte man der Sehnsucht danach entgegengewirkt? Weil es das Gute nur auszubauen gab? Viele Fragen, die mich und vielleicht andere in ähnlicher Weise beschäftigen, aber: Hätte, wäre, wenn ist nicht das Thema Berlins, denn das spielt eine eigene Rolle: „In diesen Zeiten, in den jeder die endgültige Vereinigung herbeiwünscht oder sich mit ihrem Kommen abgefunden hat, konnte das Aufeinanderzubewegen unverhoffte Energien der Distanz freisetzen, die eine endgültige Verschmelzung blockieren!“

Die DDR und Ostberlin sind vereint in der DDR-Nostalgie und nicht Ostalgie; denn Glücksgefühle entstehen, wenn man Dinge von damals in die Hände bekommt, aber wohl eher als einen vertrauten antiken Gegenstand.

Ich bin schon froh um die gewonnene Freiheit, nur leider beschäftigt mich heute auch die Frage, was tun, wenn ich mir diese mal nicht mehr leisten kann.

Mein Fazit: Ein gelungenes Buch mit treffenden bildlichen und wörtlichen Aussagen, denn Lutz Rathenow schafft es, in den kurzen Textunterschriften zu verdeutlichen, was bereits das gelungene Fotos dazu ausdrückt.

Alle Achtung vor dem Ergebnis dieses sicher nicht ganz einfachen Wagnisses der Gratwanderung zwischen Ost und West und damals und heute, und weil ich denke, es spielt beim Betrachten dieses Werkes auch eine Rolle, ob der Leser 18, 38, 58 oder älter ist.

Ich für meinen Teil sage: Danke.

 

 

 

 

Hoch

 

 

 

   
 

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