Wilhelm Taubert/ Monika Rinck: "Ich bin der Wind.
Geschwinde Lieder für Kinder"
Von Ada Bieber
Das
im innovativen Verlag Kookbooks erschienene Bilder- und Liederbuch „Ich
bin der Wind. Geschwinde Lieder für Kinder“ unterliegt einem Dilemma,
denn es ist sowohl besonders wertvoll, aber auch besonders schwer
verständlich für Kinder. Das Anliegen dieses Buches mit beigefügter CD
ist es, Kinderlieder des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Taubert für Kinder
des 21. Jahrhunderts neu aufzubereiten. Dafür haben alle Beteiligten ihr
Bestes gegeben: Der Staats- und Domchor Berlin sowie der Mädchenchor I
der Sing-Akademie zu Berlin haben alle Lieder eingesungen und es ist
dabei besonders reizvoll, dass Kinder die Lieder für Kinder
präsentieren. Die oft für Kinder der Gegenwart schwer verständlichen
Liedtexte wurden im Buch durch schwungvolle Zwischentexte von Monika Rinck verbunden. Rinck lässt den Wind höchstpersönlich auftreten, der
durch die Liedauswahl und das Buch führt und quasi das Bindeglied
zwischen den thematisch oft verschiedenen Liedern darstellt! Andreas
Töpfer hat die Liedtexte kongenial illustriert und collagiert und ihnen
viel eigenes Gepräge und Witz gegeben. Damit wird das Bilder- und
Liederbuch mit der CD zu einem kleinen Kunstwerk.
Es bleibt nur die Frage, wie viel Kinder tatsächlich von
den Liedinhalten ohne Vermittlungshilfe verstehen oder ob eben nur
Kinder, denen die Hochkultur bereits ein wenig vertraut ist, ihre Freude
daran haben können. Zumal die Lieder weder musikalisch noch textlich so
eingängig sind, dass sie Kinder zum Mitsingen oder Nachsingen animiert
würden. Dadurch wird das Buch zu einem Liederbuch für Musikschulkinder
aus dem Bildungsbürgertum! Denn trotz aller Innovation und allem Witz
ist das gesamte Musik- und Buchprojekt anspruchsvoll und erfordert von
jungen Rezipienten viel Aufmerksamkeit und Interesse.
Gegen all den Anspruch ist im Prinzip natürlich nichts
einzuwenden. Es steht lediglich zu befürchten, dass das Buch nur eine
kleine Gruppe junger Leser wirklich nachhaltig beeindrucken wird – es
sei denn, Lehrer und Eltern investieren viel Zeit und Engagement in die
Vermittlung. Die Illustrationen von Andreas Töpfer wirken da sicher sehr
unterstützend, denn sie sind oft witzig und erleichtern das Verständnis.
Darüber hinaus halten sie gekonnt die Balance zwischen Kunstanspruch und
Kinderwelt. Es ist zu hoffen, dass dieses kleine Gesamtkunstwerk von
Musik, Text und Bild viele begeisterte Vermittler findet, die möglichst
vielen Kindern eine schon längst vergangene Welt der Kinderlieder
schmackhaft machen und das Potential des Buches zu nutzen wissen.
Wilhelm Taubert/ Monika Rinck:
Ich bin der Wind.
Geschwinde Lieder für Kinder.
Idstein: Kookbooks 2011.
48 Seiten + CD, € 19,90.
ISBN 978-3-937445-48-9
Von der Rezensentin ist zuletzt das Essay
erschienen: „Kunst im Bilderbuch oder Über die
Notwendigkeit einer ästhetischen
Kompetenz"
Wiedergewonnen!
Tomi
Ungerer: „Das große Liederbuch“
Von Franz Xaver
Ganghofer
„Das
große Liederbuch“, ausgewählt und illustriert von Tomi Ungerer, ist die
wichtigste und beste Zusammenstellung der deutschen Volkslieder in einer
zu handhabenden Menge. Die Schwerpunkte bei der Auswahl sind derart
galant gesetzt, dass die jungen und älteren Leser, Sänger, Musiker
(Noten sind natürlich alle dabei) ganz unaufdringlich durch die
Jahreszeiten und die dazugehörigen Großereignisse (wie Weihnachten)
geleitet werden. Für heutige Schüler, die nichts einfach für sich,
sondern alles als Wissensmanager generieren sollen, ist dieses
Liederbuch ein Rückgewinn des Leichten, mit dem man so viel Zugang zur
Musik bekommen kann. Und für die Familien, gebeutelt von ökonomischen
Anforderungen und eiskalt betriebenem Verlust der Autonomie, ist das
Liederbuch, nimmt man es zum gemeinsamen Singen, ein Wiedergewinn
dessen, was nur Familie kann. Geborgenheit, Fröhlichkeit, unideologisch.
Das Buch bewegt sich
vom Morgen bis zum Abend, vom Frühjahr bis zum Winter, mit Wanderliedern
und Abschiedsliedern, mit lustigen Vogelfrühlingsliedern - es ist ein
seltsamer Bogen, der sich von der wunderbaren Wirkung des Buches heute
zu Tomi Ungerers Liedersammlung damals (1975) spannt. Das durch den
Nationalsozialismus hochkontaminierte Volksliedgut, das die Masse in
ruchlose Wallung gebracht hatte, hatte Tomi Ungerer, Elsässer und
kulturell bipolar und immer eigen, den deutschen Kindern der siebziger
Jahre das Volkslied wiedergebracht. Was war das für eine Errungenschaft!
Man konnte mit Kindern singen, ohne an marschierende Pimpfe zu denken!
Und heute nun wieder: Staat und Wirtschaft vergesellschaften die
Kleinen, sprechen über sie als Humankapital und Leistungsmaschinen, die
Kinder kennen Musik nur noch als Schulfach und das Singen mit Zensuren,
das Nichtstun, das Wohlbefinden ist zum Feind erhoben worden, und da
schiebt sich wieder, mit übrigens traditionsbewussten, witzigen und
absolut nicht altbackenen Bildern, Tomi Ungerer dazwischen. Das Lied
wider die Ideologie.
Die Sonderausgabe aus
dem diogenes Verlag, dem treuen verlegerischen Begleiter Ungerers, ist
nicht Vollleinen (wie es sie auch gibt), hat ein bedrucktes Hardcover,
dem man das preislich Günstige ansieht (und im Preis von Euro 19,90
merkt - nun gibt es keinen Gegengrund mehr: Es gehört wirklich in jeden
Familien-Haushalt!). In dieser Jubiläumsausgabe gibt es einen Anhang, in
dem Ungerer sich zu den Illustrationen äußert, ein über dreißig Seiten
Anhang mit Skizzen und Entwürfen, es ist hochinteressant, so quasi bei
der Entstehung zuschauen zu dürfen.
Die, die es wirklich
benutzen wollen, die daraus singen, den Kindern, ist das natürlich egal.
Für sie zählt Singen, Summen, Musizieren von Liedern, die zur Kindheit
gehören wie dereinst Freiheit und Abenteuer. Eben jene Kindheit, die
heute nur noch als Schulhof vor dem Erwerbsleben gesehen wird, gewinnt
man mit diesem Buch ein wenig zurück. Da kommen kindundmutterundvater
klammheimlich auf neue, gute Ideen. Was lästig ist, man kann es
abschütteln, es geht! Sei willkommen, Frühling!
Subversiv? Ungerer!
(Ab 4)
Tomi Ungerer:
"Das große Liederbuch"
Diogenes 2011
273 Seiten, Euro 19,90
ISBN 978-3257010053
Eine
bunte Zusammenstellung von 177 Liedern
„Singen wir im Schein der Kerzen"
Von Franz Xaver Ganghofer
Lorenz Maierhofer:
„Singen wir im Schein
der Kerzen. Das Weihnachts- und Winterliederbuch“
Helbling 2010
232 S., Euro 24,90
ISBN: 978-3850615655
Ein Weihnachts- und
Winterliederbuch ohne Kitsch und Brimborium; es ist gedacht für
Kindergärten, Schulklassen und Chöre – und doch ist es auch für Familien
etwas. Erstaunlich! Aber diese unaufgeregte Sammlung von Liedern aus
allen Ecken der Welt, von jugendbewegten Gitarrenliedern, von
Mitklatsch-Kleinkindliedern, von klassischen Kinderliedern, von
englischen Songs ist eine Fundgrube. Eine bunte Zusammenstellung von 177 Stücken,
die sich insbesondere für Familien, die mit Musik leben, bedeutet, ihr Repertoire erweitern
zu können. (Nützlich dafür die 3CD’s zusätzlich, eine Instrumental-CD zum
Mitsingen und MP 3 dazuzunehmen, sie lagen uns nicht zur Rezension vor).
Für alle, die kein Instrument beherrschen, denen es, wie so vielen
Familien, an Zeit und Geld fehlt, hilft dieses Buch, zum Singen
zurückzufinden. Nichts ersetzt, das merkt man an einem Liederabend mit
diesem Buch, die Familie, der private Rahmen., wenn es um gemeinsames, fröhliches Musikmachen geht – weil man nirgends so frei, locker,
ungehemmt und jeder nach seinen Fähigkeiten singt.
Dieses Liederbuch ist
gut! Es zu haben, ist gut in der Weihnachtszeit.
(Ab 6)
Mit
der nötigen Ernsthaftigkeit
Stefano Catucci: „Die Geschichte der Musik. Epochen, Komponisten,
Instrumente“
Von Anne Möller
Stefano
Catucci:
„Die Geschichte der
Musik. Epochen, Komponisten, Instrumente“
Aus dem Italienischen von Elisabeth
Schöberl
Annette Betz 2009
123 S., Euro 19,95
ISBN 978-3-219-11373-0
Die Geschichte der
Musik wird uns in diesem Buch in sechs Epochen vorgestellt: Die
Ursprünge der Musik, Morgenland und Abendland, von der Renaissance zum
Barock, die Klassik, die romantische Generation und das 20. Jahrhundert. Farblich getrennte
Hintergrundinformationen zu den Theorien, den Werken, den Personen und
den Gesellschaften der Zeit frischen die sonst vielleicht eher trocken
wirkende Geschichte über Form, Gattungen und Instrumente auf. Gekonnt
werden Bilder mit Informationen verknüpft, um die Informationen
interessanter zu verpacken. Dabei verleihen Bilder aus Museen und
Fotografien von Orten oder Instrumenten dem Buch die nötige
Ernsthaftigkeit.
Empfehlenswert für
junge Leser, um sich in punkto Musikgeschichte zu bilden. Einziges Manko
ist jedoch das Ende. Abrupt hört die Geschichte der Musik nach den
„Rolling Stones“ und den „Beatles“ auf. Mindestens eine Andeutung der
weiteren Musikentwicklung wäre angemessen gewesen.
(Ab 8)
Eine
Einladung zum Singen und Basteln und Zuhören
„Euline
Klimperbein. Lauschen und Tönen“ von Lotte Dietzfelbinger-Roy
Von Susan Müller
Lotte
Dietzfelbinger-Roy:
„Euline Klimperbein.
Lauschen und Tönen“ mit CD
Klimperbein Verlag
2006
30 S., Euro 13,50
ISBN 9-783980-923637
Dazu erhältlich
Lehrerband (ISBN 978-3-940169-00-6) und Kinderband
(ISBN 978-3-940169-01-3)
Ich habe mich
ausführlich mit diesem Lernmaterial beschäftigt, weil ich noch keine
große Erfahrung damit habe –was für eine angenehme Überraschung! Musik,
Singen und Rhythmus für die Kleinsten; von Leute vom Fach (Autorin ist
die Musikpädagogin Lotte Dietzfelbinger-Roy) gemacht für Leute, die
einfach den Spaß an der Musik wecken wollen. Das gelingt. Die Kinder
sind fasziniert und singen, tanzen bald mit. Das Liederbuch (wie auch
Kinder- und Lehrerband; das Material besteht aus drei Büchern und einer
CD) hält ein Lied pro Seite bereit, nett bebildert, mit Noten. Die CD
erzählt kleine Geschichten, mit Bedacht von Geräuschen untermalt, bereit
und spielt die Lieder zum Mitsingen (dann begleitet von Kinderstimmen).
Der Lehrstoff, der da unaufdringlich vermittelt wird, besteht aus
lustigen und einfach zu erlernenden Liedern und interessant
zusammengestellten Themen für jeden Monat und Jahreszeit. Dazu schöne
Bastelanleitungen, man könnte vielleicht gar sagen: Basteleinladungen,
denn es sind oft zum Schluss des Kapitels noch mal leere Blätter mit
Anregungen, wie z.B. zum Blättertrocknen im Herbst.
Kleine
Vorlesegeschichten komplettieren die Thematik rund ums erlernte Lied,
und es wird immer eine Beziehung zwischen den Kindern, Eltern und
Lehrenden hergestellt.
Es macht Freude
zuzuhören, selbst zu lesen oder gar selbst zu singen und vor allem,
diese Freude weiterzugeben.
(Ab 2)
Ein Gutelaunebuch
Christian Albrecht, Diana Kohne: „Der kleine Ohrwurm zu Besuch“
Von Brigitte Bjarnason
Christian
Albrecht, Diana Kohne
Der kleine Ohrwurm zu
Besuch
24 S., Euro 10,40
Gehlenbach Verlag 2006
ISBN:
978-3-00-020195-0
Manchmal kann ein
Ohrwurm wirklich nerven. Er nistet sich ungefragt in unsere Köpfe ein,
und wir müssen ihn solange ertragen, bis es ihm einfällt, sich ganz
plötzlich wieder auf die Reise zu machen.
Aber so ein kleiner
Ohrwurm ist eigentlich auch ganz nett, hat nichts Böses im Sinn und
schenkt oft gute Laune. Das Bilderbuch „Der
kleine Ohrwurm zu Besuch“ könnte selbst zu einem Ohrwurm werden. Die
gereimten Verse sind kurz, verständlich und unterhaltsam. Sie werden
schon bei den Kleinsten Begeisterung wecken. Die farbenfrohe,
ausdrucksstarke Illustration des Buches unterstreicht den fröhlichen
Charakter des Textes. Das Lied vom kleinen Ohrwurm im Anhang ist
einprägsam und leicht zu singen.
„Der kleine Ohrwurm zu
Besuch“ ist ein kleines, handliches Gutelaunebuch.
Ein Hausbuch der Sonderklasse
Lieder zum Tanzen,
Spielemachen, Abzählen...
Stephanie
Klein / Timon Schlichenmaier:
„Der
Spielliederschatz. Traditionelle Spiellieder mit Spielanleitungen“
Timonverlag 2007
187 S., 22,80.- (mit
CD 32 .-)
ISBN 978-3938335062
(librikon) „Der Spielliederschatz“ ist ein ganz
besonderes Buch, in jeder Hinsicht. Es ist wundervoll gestaltet, bietet
ganz neben der Fülle an Liedern eine kleine Kunde zahlreicher Rot-Töne:
Die ganzseitigen farbigen Seiten sind ein schönes Gestaltungselement,
das Musik und Auge verbindet wie selten. Allein der letzte Abschnitt,
Abzählreime, würde schon für ein ganzes Buch reichen. Und erst die
anderen Kapitel! Eingeteilt nach den Bewegungsspielen, die man zu den
Liedern machen kann, präsentiert es mit Text, Note und Spielerklärung
bekannte wie wieder zu entdeckende Lieder. So erzählt das Buch auch von
einer reichen Tradition von Kinderliedern, die verlorenzugehen droht.
„Der Spielliederschatz“ stellt sich dem entgegen. Eben weil über
motorische Probleme, über Freudlosigkeit, über Abgespanntheit einer
ganzen Kindergeneration nachgedacht werden muss, wünscht man sich dieses
Liederbuch in vieler Eltern und Erzieher Hände. Es ist ein Hausbuch der
Sonderklasse - da verspricht der Verlag nicht zu viel-, das ganze
Generationen begleiten kann.
Bereichernd
Lieder von heute für den Hausgebrauch
Lorenz
Maierhofer, Renate Kern, Walter Kern:
Sim sala sing.Das
Liederbuch für die Grundschule
Helbling Verlag 2007
240 S., 16,50.-
ISBN 978-3-85061-345-3
(librikon) „Sim sala sing“ nennt sich im Untertitel: „Das Liederbuch für
die Grundschule“ – aber es auch für den Hausgebrauch geeignet. Für
Eltern, denen vor allem Volksliedtexte geläufig sind, ist dieses Buch
eine Fundgrube für Lieder, die Kinder genauso oder besser kennen. Das
Pumuckl-Lied, Pippi, Dracula, „Schni-schna-schnippi“, neue Lieder zu
Anlässen wie Geburttagen: „Wie schön, dass Du geboren bist“ – dazu
finden sich hier Texte und Noten (mit CD erhältlich, die uns nicht
vorlag). Diese Lieder haben sich eher chaotisch und in Fragmenten Bahn
in die Familien gebrochen, gehören aber zum Kinderleben längst dazu.
Zusammen mit den vielen lustigen Spielideen ist dieses Liederbuch eine
große Bereicherung. Unbedingt auch für Zuhause anschaffen!
Wem Matthias Claudius leidtut
Aber auf CD: Ein
guter Zugang
Das
große Annette Betz Kinderliederbuch (mit CD) eingesungen von Marjan Shaki und Lukas Perman
Mit Illustrationen von Carola Holland Annette Betz Verlag 2008
96 S., 19,95.- ISBN: 978-3-219-11348-8
(librikon) „Das große Annette Betz Kinderliederbuch“ ist
in hochaktuellem Stil gestaltet. Alles rund, bunt, aber nicht grell
passt es in das, was momentan die Illustrationen beherrscht. Dazu
komische Tiere: Hunde mit Hüten, Schweine mit Rock. Solche Bilder
vermögen es wahrscheinlich nicht, immer aufzugreifen , was in den
Liedern – durchweg altes, durchweg bekanntes Liedgut- vorkommt. Wem ein
mit der Entstehungszeit der Lieder korrespondierender Stil lieber ist,
wem Matthias Claudius leidtut, wenn zu „Der Mond ist aufgegangen“ ein
Hund im Halbmond schläft, über ihm ein Knochen am Faden, für den ist
dieses Liederbuch garantiert nichts – zunächst. Denn in krassem
Widerspruch stehen die Aufnahmen der CD, auf der puristisch-schön die
Lieder angestimmt werden. Mutig, und wunderbar für kleine Zuhörer. Daher
dann doch: Ein guter Zugang zur Musik.