Einem Bilderbuch steht es natürlich gut an, wenn die
Illustrationen erstklassig sind, Doch nicht oft ist das der Fall, was
auch daran liegt, dass Verlage Originelles kaum mehr wagen. So lässt
sich ermessen, wie groß die Freude über ein Buch wie „Wann gehen die
wieder?“ ist! Die Bilder sind allein farblich ein stimmiges Ganzes. Die
Figuren, unverkennbar durch längliche Körper, auf intelligente Art auch
niedlich, bieten Kinderbuchkunst wirklich für Kinder- ach, gäbe es das
doch häufiger!
Gleiches gilt für die Geschichte. Das
Thema "Patchworkfamilie" -ein Tummelfeld für eher psychologisierende
denn literarisch versierte Kinderbuchautoren- wird hier von Uta Krause,
die Autorin und Illustratorin in Personalunion ist, originell und
mit dem richtigen Quantum Humor aufgegriffen.
Die riesengroße Räuberfamilie fällt auseinander, nachdem
die vorher ewig streitenden Eltern sich trennen. Der Vater zieht in den
Wald, die Kinder bleiben zunächst bei der Mutter. Dort wird es ihnen zu
langweilig, so leben sie lieber beim Vater. Der aber ist mit einer
Prinzessinnenfamilie zusammen. Die Räuberkinder möchten, dass alles wie
früher ist! Obwohl - zweimal Geburtstag, zweimal Weihnachten, das ist
nicht schlecht. Schwierig wird es, als auch die Mutter nicht allein
bleibt und mit einer Drachenfamilie zusammenlebt.
Doch die Lösung - enge Nachbarschaft und wildes,
freudiges Spielen- ist toll für die Räuberkinder!
Kunststück, so ein Bilderbuch zu schreiben? Nein! Es
erscheint in einer Zeit, in der Kindern in Büchern immer mehr zugemutet
wird, das ängstigt und schreckt. Dieses Buch dagegen gibt Halt. "Wann
gehen die wieder?" ist nicht irgendein Bilderbuch zu einem Thema, das
viele Kinder betrifft, es ist ein künstlerisch wie sprachlich herrliches
Buch - fast schade, dass es nur Kindern vorgelesen werden dürfte, die
mit Patchwork-Familien zurechtkommen müssen. Doch wer auf besondere
Bilderbücher achtet, sie kennen möchte, der sollte dieses Buch nicht
übersehen.
Ein schwieriges Thema
wird einfühlsam interpretiert
Rolf
Barth, Thorsten Droessler: „Am Wochenende ist Marie bei Papa“
Von Brigitte Bjarnason
Rolf
Barth:
"Am Wochenende ist
Marie bei Papa"
Mit Bildern von
Thorsten Droessler
Traumsalon Edition
2009
32 S., Euro 12,95
ISBN 978-3-938625-56-9
Eine Trennung und
Scheidung der Eltern ist, insbesondere für jüngere Kinder, schwer zu
verarbeiten. Der Wunsch der Wiedervereinigung der Eltern, Schuldgefühle
und Sorgen über die Zukunft belasten die Gedankenwelt der betroffenen
Kinder.
Das Bilderbuch „Am
Wochenende ist Marie bei Papa“ erzählt von Marie, die sich dem Schicksal
einer Trennung ihrer Eltern fügen muss. Sie sehnt sich nach der Zeit
zurück, wo sie und ihre Eltern eine glückliche Familie waren, gemeinsam
morgens im Bett kuschelten, zusammen ihren Geburtstag feierten oder am
Strand Sandburgen bauten. Jetzt, wo sich die Eltern immer öfter
streiten, fühlt sie sich alleingelassen und glaubt, dass sie die Schuld
an die Trennung trägt. Doch da taucht der mysteriöse Herr Wolke auf. Er
macht Marie Mut und zeigt ihr, dass ihre Eltern sie immer noch sehr lieb
haben.
„Am Wochenende ist
Marie bei Papa“ ist ein empfehlenswertes Buch, um jüngere Kinder auf
eine Trennung ihrer Eltern vorzubereiten. Leider taucht im richtigen
Leben selten ein Herr Wolke auf, der den Kindern in dieser schwierigen
Phase beisteht und sich ihrer Sorgen und Nöte annimmt. Das Buch ersetzt
kein liebevolles erklärendes Gespräch zwischen Eltern und Kindern,
dennoch kann es einen guten Ansatz dazu bilden, Sorgen und Ängste
auszusprechen. Der Text ist gut verständlich, kurz und knapp. Die
Illustration ist sehr bunt und aufwendig gestaltet. Der Kopf von Herrn
Wolke ist eine Collage und wirkt damit real. Mit seinem Mienenspiel gibt
Herr Wolke der Figur einen witzigen, ausgefallenen Aspekt. Trotz des
ernsten Thema hat der Inhalt des Buches einen positiven Unterton, gibt
Raum für Erklärungen und einen optimistischen Blick in die Zukunft.
„Am Wochenende ist
Marie bei Papa“ spricht auf leichte, einfühlsame Weise die Trennung und
Scheidung von Eltern an.
Scheidung zu verkraften gesucht!
Linda Newberys „Katzenaugen“
Von Anne Spitzner
Linda
Newbery:
„Katzenaugen“
Dtv 2009
288 S., Euro 7,95
ISBN 978-3423623889
Das Buch „Katzenaugen“
von Linda Newbery aus der „Reihe Hauser“, die bei dtv als Taschenbuch
veröffentlicht wird, handelt von Jamie und Josh, zwei Brüdern, deren
Eltern sich haben scheiden lassen. Jetzt haben sowohl der Vater als auch
die Mutter einen neuen Partner, und als dazu noch ein Baby kommt, steht
die Welt für die Jamie und Josh völlig Kopf. Während Josh, der ältere
Bruder, noch relativ gut zurechtkommt, beginnt der kleine Jamie, sich
seltsam zu verhalten. Er versteckt sein Gesicht hinter einer Löwenmaske
und wird zu Leo – einem großen, starken Löwen, mit dessen Stimme er
fortan spricht.
Wie es dazu kommt,
dass Jamie sich trotz der Fürsorge seiner Eltern hinter Leo verstecken
muss, beschreibt Linda Newbery mit großer Einfühlsamkeit. Aus der
Perspektive von Josh lässt sie den Leser zusehen, wie Jamie sich
verändert und wie alle hilflos danebenstehen müssen, ohne wirklich etwas
tun zu können. So macht sie auf sanfte und doch eindeutige Weise klar,
dass man so viele schlaue Bücher lesen kann, wie man will, dass man es
gut meint und für die Kinder alles richtig machen möchte, wenn die
Beziehung ihrer Eltern in die Brüche geht, und trotzdem kann alles
schieflaufen. Bei Joshs und Jamies Eltern ist von Streit, Hass und
Rosenkrieg nichts zu merken, auch wenn sie sich getrennt haben,
verstehen sie sich noch gut und teilen sich das Sorgerecht für ihre
Kinder sehr einvernehmlich. Sie lesen Ratgeber darüber, was es bedeutet,
wenn ein „neues“ Baby geboren wird - doch alles das kann nicht
verhindern, was mit Jamie passiert.
Dieses Geschehen –
dass man niemandem die Schuld geben kann und derartige Dinge einfach
passieren – porträtiert Linda Newbery anrührend und packend zugleich.
Man kann sich in die Kinder hineinversetzen, auch wenn man eine solche
Situation nie selbst erlebt hat, und für jemanden, der sie durchmacht
bzw. durchgemacht hat, ist die Geschichte von Jamie, Josh und Leo wie
ein linderndes Pflaster – auch jemand anders hat sich so gefühlt, auch
jemand anders hat sich – wie Josh – plötzlich alle Verantwortung
aufbürden, hat vor seiner Zeit erwachsen werden müssen, auch jemand
anders – wie Jamie – hat nachts heimlich in seine Kissen geweint, ist
aus dem Mittelpunkt gerückt und war plötzlich nicht mehr der Kleinste
und hat einen dramatischen Weg gewählt, um damit fertig zu werden.
Die Geschichte wird
auf so behutsame Art und Weise erzählt, dass man gar nicht merkt, wie
sie einen allmählich ganz in ihren Bann schlägt. Ab einem bestimmten
Punkt will man so unbedingt wissen, ob Jamie für immer hinter der
Löwenmaske versteckt bleibt, dass man das Buch einfach nicht mehr aus
der Hand legen kann. Schön ist auch, dass nicht nur von Jamie erzählt
wird, sondern dass es sich auch um Josh dreht, der mit allem fertig
werden muss – neben der Trennung seiner Eltern und dem neuen Baby auch
noch mit dem seltsamen Verhalten seines kleinen Bruders – und en passant
muss er auch noch die ersten Schritte in Richtung Pubertät und
Erwachsenwerden machen. Wie Josh das schafft und sich um Jamie kümmert,
auch wenn es schwer ist, das erzählt Linda Newbery mit einem lachenden
und einem weinenden „Katzenauge“.
(Ab 10)
Die Rezensentin ist Mitarbeiterin der Librikon-Redaktion und Krimiautoin.
Zuletzt erschein von ihr im Schack-Verlag "Verlorene Kinder - Gießen
Krimi"
Bleibt geliebt
Sehr
empfehlenswert: Papa wohnt jetzt anderswo
Von
Susan Müller
Gergely
Kiss:
Papa wohnt jetzt anderswo Picus Verlag 2007 32 Seiten, 12,90.- ISBN 978-3-85452-895-1
Ein sehr schönes,
gefühlvolles und zeitnahes Kinderbuch mit tollen Bildern, die für sich
sprechen. Wenn sich die Eltern trennen, die man beide sehr lieb hat und
braucht, dann fragt sich sicher jedes Kind nach seiner Schuld daran.
Schließlich streiten sie sich und dabei geht auch mal was kaputt, wie es
auf den ersten Abbildungen anschaulich dargestellt wird; und das Kind
steht hilflos daneben. Unsere Romanfigur beschäftigt sich immer öfter
mit den Gedanken: `Hat Papa mich nicht mehr lieb, wenn er jetzt eine
neue Familie hat?` Nie mehr ist er da,
wie die Bilder zeigen, das Kind sitzt mit Mutti allein am Tisch und das
Essen will nicht schmecken. Selbst Papas Strafe, die er sich manchmal
ausgedacht hat, fehlt, es steht verloren vor dem zu sortierenden Berg
Schrauben.
Andererseits darf es
mit Papas neuer Familie in den Urlaub fahren und fühlt sich nicht
ausgeschlossen, wie die Illustration beweist. Und besuchen darf es ihn
auch und auf der Abbildung kann man die riesige Geburtstagstorte sehen,
die Papas neue Frau extra gebacken hat und das neue Geschwisterchen
singt ein Lied und alle sitzen fröhlich im Kreis. Erleichterung sieht
man im Gesicht des Kindes auf einem Bild am Ende des Buches, als es
feststellt: „Ich habe doch nichts falsch gemacht, Papa hat mich lieb,
Mama hat mich lieb.“ Auch wenn Papa jetzt woanders wohnt, und man
eigentlich sagen kann, wenn Papa nur woanders wohnt, er bleibt ja der
geliebte Papa.
Es ist ein sehr empfehlenswertes Buch, das Kindern mit ähnlichen
Erfahrungen sehr einfühlsam nahe bringt, dass es nicht an ihnen liegt,
wenn die Eltern getrennte Wege gehen. Es ist in seiner Gesamtheit
kindgerecht, gut verständlich und auf den anschaulichen Bildern ist die
Gefühlswelt des Kindes
in ihrer Echtheit wunderbar dargestellt.