Farbig sein in Deutschland - anders sein
in Deutschland?
Von Inna
Kalaschjan
Mouchi Blaise Ahua:
"Joshua- mein buntes Leben"
Aus dem Französischen von Andrea Alvermann
Frieling & Huffmann 2007
112 S., Euro 6,90
978-3828025462
Sich fremd
fühlen, weil man anders ausschaut als alle anderen in der Klasse: Was
empfindet ein Kind? Joshua, dessen Mutter Deutsche, dessen Vater
Afrikaner ist, sucht nach Antworten auf seine Fragen nach sich und
seinen Wurzeln; und er will alles über Afrika wissen. Seine Eltern
stehen ihm zur Seite, nehmen sich Zeit und erklären ihm alles. Als er
schließlich eine Reise nach Afrika antritt, weiß er schon sehr viel. Die
afrikanische Realität – kurz, aber eindrücklich angerissen etwa durch
Joshuas Verwandte, die teils sehr reich, teils bitterarm sind – war für
Joshua eindrucksvoll; aber er war dort auch Europäer und wieder ein
bisschen ein Fremder. Doch zurück in Deutschland, trennen ihn die
unsinnigen Vorstellungen von Afrika, die sich die Klassenkameraden in
ihren Spötteleien machen, wieder sehr von seiner europäischen
Lebenswelt. Hin- und hergerissen, das ist Joshua, aber letztlich eben
„einfach“ ein Schulkind in Deutschland. Deshalb wird der Leser aus der
Düsterkeit der Gefühle immer mal wieder herausgeholt –nette Anlässe zum
Schmunzeln über kulturelle Missverständnisse und Unwissenheiten bietet
das Büchlein „Joshua – mein buntes Leben“, etwa wenn Joshua bestürmt
wird, ob er Giraffen, Elefanten undsoweiter! gesehen habe und antwortet,
er habe keine Zeit gehabt, in den Zoo zu gehen. Was für eine schöne,
humorvolle Art, Klischees unter die Lupe zu nehmen!
Joshua hat
liebevolle Eltern und somit das allerwichtigste; geschehen kann ihm
nichts. Das ist der Stoff, auf dem dieses undramatische Buch aufbaut.
Und damit liegt es ja auch richtig! Ausgrenzung, Isolation, zu hohe
psychische Belastungen für Einwandererfamilien, Finanzdruck,
Bevormundung; von all dem, was andere „Fremdaussehende“ in Deutschland
erleben müssen, von all dem, was die Rezensentin selber erlebt hat, ist
Joshua unberührt. Das muss kein Nachteil sein – nur wird Joshuas
Seelenleben zu wenig offenbart, als dass man sich in seine Situation
hineindenken könnte.
Von dem
Autor, Mouchi Blaise Ahua, der an der Elfenbeinküste geboren ist und mit
seiner deutschen Frau und seinem Sohn in Bremen lebt, wäre mehr zu
erhoffen gewesen. Sein Einfühlungsvermögen ist groß, doch bei den
sprachlichen Mitteln, sich dem vielfältigen, auch widersprüchlichen
Innenleben seiner Figuren anzunähern, hält er sich zu sehr zurück. Über
weite Strecken schreibt er in wörtlicher Rede, wählt immer den Dialog
statt der Schilderung, findet nur allzu dürre Worte. Das lässt
schriftstellerisch nicht viel zu, liest sich aber unkompliziert. „Joshua
– mein buntes Leben“ eignet sich als Schullektüre. Die Erzählung greift
die Lebenswirklichkeit vieler Schüler dort auf und würde dazu beitragen,
einander besser zu verstehen.
(Ab 13)
Die Rezensentin gehört der Librikon-Redaktion an und ist
zudem für den Themenbereich Asyl zuständig.
Erfordert Achtsamkeit
Ein
Kind aus dem Irak in Deutschland
Von Sarah Wittenberg
Andrea
Karimé:
Nuri und der Geschichtenteppich
Mit
Bildern von Annette von Boedecker-Büttner
Picus 2008
59 S., 13,90 Euro
ISBN-13:
978-3854528890
Nuri ist
mit ihren Eltern aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Hier ist alles
anders, und es fällt dem Mädchen schwer, sich in dem neuen Land
einzugewöhnen.
Denn Nuri hat
schlimme Dinge gesehen. Sie verlor ihre jüngere Schwester im Krieg. Ihre
Großeltern und ihre Lieblingstante sind verschollen. An ihre Tante
schreibt Nuri täglich einen Brief, um ihr von dem neuen Leben in
Deutschland zu erzählen. Bomben gibt es hier nicht, und niemand schimpft,
wenn ihre Mama in Hosen auf die Straße geht. Aber in der Schule ist es
schlimm. Die anderen Kinder hänseln Nuri. Ein Junge schlägt und tritt
sie, und die anderen Mädchen sagen, dass sie stinkt.
Da kann nur ein Wunder helfen und
das kommt! Denn Nuri hat einen Zauberteppich, der Geschichten erzählt.
Mit diesen Geschichten hat Nuri die Kinder schlagartig auf ihrer Seite,
denn jeder will wissen, wie es mit den Kindern des
„Schwarzzahnmonster-Königs“ im Wüstenland weitergeht.
Die
Autorin des Buches befasst sich mit einem schwierigen, wenn auch
wichtigen Thema. Dass ein Flüchtlingskind in eine Schulklasse kommt, ist
zwar keine alltägliche, mittlerweile jedoch eine häufige Situation. Die
Autorin holt den Leser sanft in die Geschichte hinein. Da das gesamte
Buch in Briefform geschrieben steht, ist es so, als schreibe Nuri nicht
an ihre Tante, sondern an den Leser selbst. Sie muss sich mit den Themen
Krieg, Tod, Mobbing in der Schule befassen und gibt dem Leser Mut, diese
auch zu bewältigen. Nuri ist ein starkes kleines Mädchen, das sich
letztendlich trotz vieler Probleme doch im neuen Land zurechtfindet.
Dieses Buch
eignet sich sehr gut für Kinder von acht Jahren
aufwärts. Doch ist es wichtig, dass das
lesende Kind sich dabei jederzeit an ein Elternteil bzw. eine
Bezugsperson wenden kann, um Fragen zu stellen.
Besonders
die vielen Andeutungen, was genau Nuris kleiner Schwester im Krieg
zugestoßen sein könnte und die Szenen der flüchtenden Tante, die sich in
Nuris Keller verstecken musste, erfordern Achtsamkeit gegenüber den
jungen Lesern.
(Ab 8)
Die Rezensentin studiert in Hildesheim und ist Autorin von Theaterstücken für
Kinder.