Mit (und auf)
einem Fahrrad kann man viel erleben. Das klingt nach einem Gemeinplatz,
aber so, wie Peter Engel es uns in seinem Bilderbuch „Mit dem Rad zu
Opa“ ausmalt, hat man sich die Abenteuer im Sattel wahrscheinlich nicht
vorgestellt. Sein Protagonist – ein namenloser Ich-Erzähler, dessen
Namen wir nicht erfahren, der Kleidung nach wahrscheinlich ein Junge –
fährt nämlich nicht einfach durch die Gegend, sondern er nimmt alle
Tiere mit, die er so trifft oder kennt: Enten, einen Fisch, Schaf und
Maus und sogar ein Krokodil und einen Elefanten. Auf diesen Reisen reimt
sich manches und geschieht so einiges, von einem Platten über einen
Ausflug an den See bis schließlich zuletzt der Reise zu Opa Schmidt, auf
der alle Tiere mit dabei sind.
Die Bilder
illustrieren ausschnitthaft, fangen aus wechselnden Blickwinkeln die
Ereignisse der Reise ein, zum Beispiel den Elefanten, der zusammen mit
dem Jungen auf dem Fahrrad sitzt, als sie gemeinsam den Berg
hochschnaufen, von hinten aus der Vogelperspektive, aber die Maus, die
im Reifen zwischen den Speichen herumturnt, aus der Nähe, sodass man
manchmal erst kurz überlegen muss, welchen Teil des Fahrrads man jetzt
eigentlich sieht. Dabei erzählen die Bilder oft weit mehr als der Text,
wenn es beispielsweise heißt, „das Schaf fuhr nicht so gerne mit“ – das
versteht man nur dann vollständig, wenn man das Bild sieht: Der Junge
transportiert das Schaf auf seinem Sattel – man könnte auch sagen, er
benutzt es als Sitzkissen – und das Tier guckt dabei ziemlich
unglücklich aus der Wolle.
Wo die Tiere
überall transportiert werden, ist ohnehin sehr kreativ; der Fisch zum
Beispiel schwimmt in einem Glas, das in der Trinkflaschenhalterung
steckt.
Insgesamt
wirken die Bilder immer ein wenig wacklig, kein Wunder bei den
abenteuerlichen Konstruktionen, auf, in und mit denen die Tiere
transportiert werden, und den schlaksigen Jungen können wahrscheinlich
so einige Vorleser wiedererkennen – vielleicht gibt Peter Engel ihm
deshalb weder einen Namen noch ein Gesicht.
Fazit: Ein
nettes kleines Buch zum Vor- oder Selbstlesen, zum Angucken und Lachen.
Das einzige, was fehlt, ist ein „Bitte nicht nachmachen“-Hinweis.
Kleiner Scherz.
Peter
Engel: „Mit dem Rad zu Opa“
Lappan 2014
32 Seiten,
Euro 8,90
ISBN
978-3830312208
Den größten Fisch
Mikael Engström: Kaspar, Opa und der Monsterhecht
Von Susan Müller
Kaspar wohnt bei seinem Opa, weil seine Eltern unterwegs
sind, um die Welt zu retten. Der Opa sieht das zwar kritisch, weil er
die Ansicht vertritt, wenn irgendwo Elend gelindert wird, gibt es an
anderer Stelle neues Leid. Um den Lebensunterhalt für Kaspar und sich zu
verdienen, schnitzt Opa für den Laden im Ort, der Atom Ragnar gehört,
kleine Pferdchen für die Touristen. Es reicht für Schnupftabak, Bier und
Orangenlimonade und Essen. Bei außergewöhnlichen Dingen muss er trotzdem
anschreiben lassen. Übrig bliebt nichts. Daher ist es auch sehr
unangenehm, als der Bootsmotor streikt. Ab und an fahren die beiden
nämlich zum Angeln raus, aber komplett auf das Rudern umzusteigen, wird
dem Opa zu anstrengend. Also muss der größte Hecht geangelt werden, den
man haben muss, um einen Bootsmotor zu gewinnen. Ein ums andere Mal hat
Ragnar den größten Fisch und kommt sogar in die Zeitung. Anfangs kann
keiner beweisen, dass er diese nur abkauft und nicht selbst fängt. So
kann es Opa nie schaffen. Jetzt ist Kaspars Hilfe gefragt, denn das kann
Opa unmöglich allein schaffen, vor allem ohne zu flunkern.
Eine rührende Geschichte von Großvater und Enkel, bei der
einer für den anderen einsteht. Selbst wenn Kaspar Opa beim Schnitzen
hilft und dabei nur Klepper entstehen - die sammelt Opa nämlich auf dem
Regal. In diesem Buch des schwedischen Autors verbindet sich Lesefluss
mit tiefen menschlichen Erkenntnissen darüber, was Menschen auch über
Generationen zusammenhält. Es ist eine Geschichte gerade für unsere
Zeit, in der der Einzelkämpfer propagiert, aber es ist auch eine
Geschichte über Großeltern, weit weg vom heutigen Bild, in das Enkel
nicht recht hineinpassen. Engström hat den Nerv getroffen; das
vorliegende Buch eröffnet eine Serie, die bereits drei Bände auf Deutsch
bietet.
(Ab 7)
Mikael
Engström:
"Kaspar, Opa und der Monsterhecht"
dtv 2016
197 Seiten, Euro 10,95
ISBN
978-3423640-14-5
Tragik mit Liebe bekämpfen
Elisabeth
Steinkellner und Michael Roher: „Die neue Omi“
Von Daniel
Ableev
Der Titel
dieses hübschen kleinen Kinderbüchleins von Elisabeth Steinkellner
(Texte) und Michael Roher (Bilder) klingt ein wenig gruselig: Wer ist
die neue Omi? Wo ist die alte Omi geblieben? Hat die neue Omi etwas mit
dem Verschwinden der alten Omi zu tun? Wie sich bald herausstellt, ist
die neue Omi = alte Omi + X. Und bei diesem X handelt es sich leider um
Demenz, ein Problemfeld, an das die jungen Leser durch die Geschichte um
die kleine Fini und die detaillierten, liebevoll-lustigen Zeichnungen
(inklusive einer Mäuse-Bande, die im Hintergrund Kreuzworträtsel löst
oder mini-fernsieht) behutsam herangeführt werden sollen. Natürlich
fällt zu keinem Moment ein medizinischer Begriff wie etwa „Alzheimer“,
hingegen wird das schwierige Thema durch unmissverständliche, durchaus
tragikomische Beispiele aufgezeigt: Großmutter ist unvorsichtig und
macht alle Herdplatten an, um sich daran zu wärmen. Großmutter ist
seltsam, weil sie viel zu knusprige Brotstücke isst, die eigentlich für
die Park-Enten vorgesehen waren. Großmutter braucht neuerdings viel mehr
Hilfe und Aufmerksamkeit, weil sie unter dem Tisch einschläft und sich
nicht mehr alleine anziehen kann.
Die Kleinen
sollen also Empathie lernen und verstehen, wie wichtig es ist,
Familienangehörige oder Freunde zu unterstützen und deren eigenartigem
Verhalten mit viel Zuneigung zu begegnen. Und so stellt die kleine
Enkelin am Ende für sich fest, dass sie ihre Omi lieb hat, „die neue
genauso wie die alte“.
Ich bin zwar
schon ziemlich alt, also quasi „der neue Opi“, dennoch habe ich dieses
Kinderbuch sehr gern gelesen. Die Freiheit unter einem bestimmten
Lebensalter muss wohl grenzenlos und das Leben als (Klein-)Kind ziemlich
paradiesisch sein, nicht zuletzt wegen Kinderliteratur wie dieser, die
zärtlich und auf hohem Niveau das Menschsein einfängt.