Kater Kurt liegt am liebsten faul in
seiner Hängematte. Die und sein Teekessel für Holundertee reichen ihm zu
einem glücklichen Leben. Doch eines Tages kommt sein Freund Fritz Fuchs
vorbei und überredet ihn dazu, mit ihm in die Stadt zu gehen und die
Menschen kennenzulernen. Eigentlich will Kater Kurt gar nicht, aber als
Fritz ihm erzählt, dass die Menschen ihn, den Fuchs, attraktiv finden,
kann Kurt das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Jetzt muss er
selbst in die Stadt und dem Fuchs beweisen, dass er als Kater viel, viel
besser ankommt.
Eigentlich ist dieser Titelheld aus
Lars Hansens und Mathias Nemecs Buch „Kater Kurt kommt in die Stadt“ ein
ziemlich unangenehmer Zeitgenosse. Faul und eingebildet, und wie sich
später zeigt, auch verfressen, ausfallend, ein Zechpreller und Dieb, und
zudem noch ungepflegt. Aber irgendwie ist er zumindest amüsant. Auch,
wenn seine ständige Nörglerei einem erstmal ordentlich auf die Nerven
geht.
Je länger Kurts Ausflug in die Stadt
aber andauert, desto mehr bessert er sich. Dafür sorgt natürlich
hauptsächlich sein Freund, Fritz Fuchs, der sich in der Stadt schon
auskennt und ihn an die richtigen Orte führt. Das führt zwar zuerst mal
zu einem richtigen Gelage mit anschließender Verhaftung, aber später
sorgt Fritz dafür, dass Kurt mal eine dringend benötigte Fellpflege
verpasst bekommt und neue Freunde findet.
Auch, wenn Kurt zumindest am Anfang
nicht der sympathischste Kater ist, den man sich vorstellen kann (er hat
eben was von einer echten Katze), so ist die Geschichte vor allem eins:
niedlich. Und das, obwohl Kurt hauptsächlich eines NICHT sein will, und
das ist süß. Kurt ähnelt einem quengelnden, unzufriedenen Kind – am
deutlichsten in der ganz klassischen Frage „Wann sind wir endlich daaaa?“
In der sehr bildhaften Sprache,
unterstützt von den tollen Bildern, kann man sich Kater Kurt und seine
Freunde sehr gut vorstellen, die stets mit einem Augenzwinkern
beschrieben werden. „Die Verwandlung“ von Kater Kurt wird auf beiden
Ebenen deutlich: vom maulenden Nörgler zu einem abenteuerlustigen
Spaßmacher, vom struppigen, ungepflegten Waldkater zum hübsch
gebürsteten Kerlchen. Es macht Spaß, das zu lesen bzw. mitanzusehen.
Lustig geschrieben ist es überdies. Eine Art Running Gag sind die
Variationen des Wortes „attraktiv“, die Kurt zuwege bringt; das Wort
kannte er nämlich noch nicht, und so macht er „attaschief“, „attamief“
etc. daraus.
Am Ende trifft Kater Kurt dann
übrigens, nachdem er sozusagen präsentabel und gut gelaunt ist,
tatsächlich einen (kleinen) Menschen. Und dann findet er auch heraus, ob
er nun süß oder attaschief ist – oder was sonst. Aber das verrate ich
hier nicht. Selber lesen, lohnt sich!
(Ab 6)
Freunde der Fabel
„Das
große Fabelbuch“
Von August Ross
Constanze
Breckoff:
„Das große Fabelbuch“
Lappan Verlag 2010
173 Seiten, Euro 19,95
ISBN 978-3830311584
Fast hundert Fabeln in
einer Sammlung – da ergibt es sich zwangsläufig, dass viel Bekanntes
einem begegnet. Und genau so soll es bei Fabeln ja sein! All die
sprechenden Tiere haben in diesem Genre ihren festen Platz, und das
Nachdenken über die Fabel schiebt dieses ständige Wiedertreffen sehr an.
In den Schulen gehört die Beschäftigung mit Fabeln zum Deutsch- und zum
Lateinunterricht, und es spricht für die Welt der Fabel, dass sie
trotzdem ihre Freunde hat. Manche sind es ein Leben lang.
Aber die Fabel als
produktive Gattung gibt es nicht mehr. In die Moderne kann auch diese
Sammlung die Fabel nicht führen. Aesop, Lessing, Fontaine, natürlich
alle Namen aus dem aktiven Wortschatz, dazu einige aus dem passiven
Wortschatz (Krylov, Etzel, Bechstein) sind in diesem großformatigen Buch
zu finden. Sprachlich wurden sie geglättet und modernisiert; keine Texte
für Philologen.
Wer noch ein Kind
auftut, dem Fabeln in der Hektik und dem Stress, den die Erwachsenen um
es herum verbreiten, die ruhige, kleine Form etwas sagen könnte, der
weckt mit „Das große Fabelbuch“ sicher schlafende Wünsche. Durch die
Kürze haben Fabeln an sich heutzutage eine Chance, auf junge Leser zu
wirken, denn damit sind sie nah dran an der Häppchenkultur. Das
Bedürfnis, sich über das Leben Gedanken zu machen, ängstigt die, die
Kinder antreiben, aber es ist eben dennoch da. Die Flucht in die
Fantasy-Welt erzählt von dieser Leerstelle, die Heranwachsende dann
durch schlechte Schinken mit, gelinde gesagt, eigentümlichen Werteskalen
füllen. Fabeln zu kennen, kann dieser Schwammigkeit wirksam etwas
entgegensetzen. Fabeln haben Sinn.
Illustriert hat dieses
Buch mit Gerhard Glück ein, nun ja, alter Fuchs im Geschäft. Zu fast
jeder Fabel ein ganzseitiges Bild, keine Spielereien, keine neckischen
Miniillustrationen, die optisch auf den Seiten herumspringen. Intensive
Farben, klare Aussage, in Bildkomposition und –anordung perfekt
modelliert; er kann es. Der Magritte-Anklang macht die Illustrationen
aber auch zur Geschmackssache, keine Jedermannskost, man stolpert auch
über die Bilder und vertieft sich in sie. Das ist sehr passend in einer
Fabelsammlung.
Das Buch in der Hand
zu halten, ist eine Freude. In klassischer, schöner Halbleinenbindung,
wie man sie vom Lappan Verlag kennt. Seit einiger Zeit wird ja jeder
Humbug in edle Hülle gepackt, so dass es einen nach der Lektüre ob der
grotesken Unpassendheit schüttelt: Aber hier passt außen und innen
zusammen.