Den Menschen
im Königreich Florapis geht es gut: Sie werden regiert von einem weisen
König, und die fleißigen Bienen bieten ihnen gute
Verdienstmöglichkeiten. Die meisten Menschen in Florapis leben in
irgendeiner Form von ihnen: Vom Honigverkauf, vom Herstellen von
Bienenwachskerzen oder von den Touristen, die das wunderschöne Florapis
in Scharen anzieht.
Doch dieses
friedliche Leben ändert sich schlagartig, als der Sohn des Königs, Prinz
Geranobert, einen Teil der Regierungsgeschäfte übernimmt. Dieser nämlich
wurde als kleines Kind von einer Biene gestochen und fürchtet sich
seitdem vor allen möglichen Dingen. Sein erstes Gesetz beinhaltet
deshalb den Bau einer Mauer um ganz Florapis – und weil die Bürger diese
Mauer in Fronarbeit errichten müssen, gehen bald aller Frohsinn und alle
Freude in der Stadt verloren. Zu allem Überfluss lässt sich dann auch
noch der Tatzelwurm Pankratz in der Stadt nieder, ein unsichtbares
Fabelwesen, das sich von guten Ideen ernährt.
Zum Glück
gibt es da Ava, ein junges nachdenkliches Mädchen aus der Stadt. Sie ist
in der Lage, den Tatzelwurm zu sehen und mit ihm zu sprechen, und so
kann sie begreifen, welches Unheil der Stadt droht. Doch kann sie es
auch verhindern?
Dies erzählt
Irene Matt in ihrem Märchenroman „Zauberschön“. Wie in einem echten
Märchen gibt es einen Prinzen, eine schöne und kluge junge Frau aus dem
Volk, ein Ungeheuer und eine abzuwendende Bedrohung. Die Geschichte ist
unterhaltsam geschrieben; die Handlung dreht ein paar Schleifen, das
könnte man allerdings auch der Tatsache zuschreiben, dass sowohl Ava als
auch der Tatzelwurm noch jung sind und beide an einigen Stellen handeln,
ohne das zu Ende zu denken (wie auch übrigens der junge Prinz Geranobert,
der sich von der Angst leiten lässt und nicht von der Vernunft).
Zu Beginn
werden einige „wissenschaftliche“ Anmerkungen gemacht, die das Leben der
Bienen betreffen, und in der Werbung war die Rede davon, dass sich in
diesem Buch zeige, wie wichtig die Bienen für das Überleben der
Menschheit sind. Das allerdings kann ich nicht finden, bis auf die
anfängliche Einführung der Tatsache, dass die Bienen die Grundlage für
Florapis‘ Wohlstand sind, und die bereits erwähnten Fußnoten kommen die
fleißigen Tiere im Text kaum vor. Höchstens, dass ganz Florapis als eine
Anspielung auf einen Bienenstock gemeint ist, aber dieser Vergleich
erschiene mir nicht zutreffend. Außer dass beide „Völkchen“ fleißig
ihrer Arbeit nachgehen, haben ein Bienenstock und die Stadt Florapis
nicht viel gemeinsam.
Davon einmal
abgesehen, lässt sich „Zauberschön“ recht nett als Märchen lesen, in dem
übernatürliche Mächte in das Leben der Menschen eingreifen, sich aber am
Ende (Achtung Spoiler) alles wieder ins Lot bringen lässt. Bis es soweit
ist, zieht es sich zwischenzeitlich ein bisschen; die bereits erwähnten
Schleifen in der Handlung müssen rückgängig gemacht werden, und es
dauert, bis die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt.
Fazit: Für
Märchenfans ist „Zauberschön“ ein schöner, „stilechter“ Zeitvertreib.
Irene
Matt:
„Zauberschön“
Verlag am
Eschbach 2019
184 Seiten,
20 Euro
ISBN
978-3869178004
Ein
schönes Buch!
Roswitha Moralic:
„Der Märchenspinner“
Von Sabine Grundmann
„Der Märchenspinner“
von Roswitha Moralic handelt von einem Jungen, der den Sinn des Lebens
zu verstehen sucht und bei seinen Eltern und seiner Großmutter
nachfragt, ohne für ihn schlüssige Antworten zu bekommen. Schließlich
fragt er die Natur, und auf all seine Fragen bekommt er nun endlich
Antworten. Jetzt, da er sich klüger fühlt, wird er zum Märchenerzähler;
er erzählt über sich, über die Welt in Märchenform. Als er erwachsen
ist, lässt er sich all die Märchen (die sein Au-pair-Mädchen
aufgeschrieben hatte) von seiner Mutter vorlesen.
Damit kommt zu gutem
Schluss, was kritisch betrachtet wurde: Auf sein Alleinsein, seine
abwesenden Eltern –hier ist „Der Märchenspinner“ ein Buch unserer Zeit,
das sich produktiv der Strukturen der diskursiven Hoch-Zeiten, der 70er
Jahre, bedient. Diese Phase des kreativen, Phantasie erlaubenden und
freisetzenden Stils spiegelt sich auch in den Collagen in diesem
Bilderbuch (geeignet nicht für ganz kleine Kinder, am besten zum
Vorlesen durch die Eltern). Eines der Bilder, das Kinder besonders
anspricht, zeigt das Foto eines Waldes, davor der Junge, der ein
Kuscheltier in der Hand trägt. Die Identifikation gelingt für die jungen
Betrachter, sie sehen sich in der Natur und in ihren Fragen
ernstgenommen. Große Freude haben Kinder auch den Collagen, die über
zwei Seiten zu betrachten sind (Achtung: Suchtgefahr für Jungs bei der
Autocollage!).
Die Irrungen und
Wirrungen des im Mittelpunkt stehenden Jungen werden in Versform
dargestellt. Sein Dasein in der Welt reflektiert der Junge so. Das
Wechselspiel von Text und Lied lockert den durchaus ernsten Hintergrund
– wie ihn ja auch die Volksmärchen haben- angenehm auf. Last, but not
least: Das Buch ist sehr schön hergestellt - es macht Spaß, es in der
Hand zu halten.
Roswitha
Moralic (Text und Bild):
Der Märchenspinner
Pandora Verlag 2015
36 Seiten
ISBN
978-3-9814260-7-6
Der Anfang der Welt
Ana Paula Ojeda/
Juan Palomino: Der Feuerdieb / Ladrón del fuego
Von Bettina Meinzinger
Einst gab es eine
Zeit, als alles eins war: Tiere, Menschen, die Sonne und die Bäume,
nichts hatte eine konkrete Gestalt, alles floss ineinander über. Über
all dies herrschte der Tlacuache, ein altes, weises Opossum. Er erschuf
die Zeit und brachte das Feuer. Doch bevor er das Feuer in die Welt
tragen konnte, musste er von der Hüterin der Lichts, der er das Feuer
gestohlen hatte, in Stücke zerschlagen werden. Jedoch – er setzte seine
Körperteile wieder zusammen. Nur durch die Zerstörung konnte etwas Neues
entstehen und der Tlacuache den Menschen das lebensnotwendige Feuer
bringen.
Mit dem Feuerdieb
erzählt Ana Paula Ojeda einen Entstehungsmythos aus Mexiko nach. Damit
bringt sie den Lesern nicht nur das unausweichliche Zusammenspiel von
Vergehen und Geburt näher, nein, der Tlacuache ist auch, wie wir lernen,
ein äußerst lebenslustiger Geselle. Er feiert gerne und liebt Tabak und
Mezcal. Daneben gibt es Interessantes über das Opossum und sein
mythologisches Pendant zu erfahren, zum Beispiel dass es bereits 50
Millionen Jahre alt und ein ausgezeichneter Kletterer ist. Die
Mythologie spricht dem „alten Trunkenbold“, wie man den Tlacuache auch
nennt, zu, die Dinge im Fluss zu halten und besonders gerne den Saft der
Agave zu trinken.
Die Geschichte über
den Anfang der Welt wird sowohl auf Spanisch als auch in der deutschen
Übersetzung sowie nicht zuletzt durch die sanften Illustrationen von
Juan Palomino erzählt.
Ana
Paula Ojeda/ Juan Palomino:
Der Feuerdieb /
Ladrón del fuego
Baobab Books 2015
32 S., 15,90 Euro
ISBN 978-3905804621
Tolles Zusammenspiel
von Text und Bild
Roswitha Moralic:
„Die Mär. Märchen aus Tag und Nacht“ in zwei Büchern
Von Vera
Mayer
Zwei Märchenbücher
der besonderen Art: Was man da an Haptik geboten bekommt! Sehr dick, in
fast quadratischem Format, hat man zwei „Blöcke“ Buch in den Händen. In
ihrem Format kürzer als ein Taschenbuch, aber mit 500 Seiten! Also ein
zauberhafter Buchwürfel; Bücher, die schon äußerlich neu und spannend
sind. Der erste Blick hinein bestätigt den Eindruck, dass es hier lohnt,
sich mit diesen Werken näher zu beschäftigen. Der Inhalt ist originell:
Moderne Märchen, Lieder, Gedichte. Sie knüpfen an die Tradition der
Jahrbücher für Kinder an. Die Gestaltung dieser Sammlungen wird
hervorgehoben durch teils bunte Illustrationen der Autorin selber, was
oft - und auch hier- dem Zusammenspiel von Text und Bild gut tut. Die
Märchen und die Kunstwerke haben ihre eigene tiefgehende Magie. Texte,
Lieder und Poesie sind, obschon an Traditionen anknüpfend, in einer
Sprache verfasst, die modern ist. In diesem Spannungsfeld gibt es dann
auch immer wieder neben Nachdenklichem Skurriles und Lustiges! Fazit:
zwei Bücher als tolle Komposition.
Roswitha
Moralic (Text und Gestaltung):
„Die Mär - 1. Buch. Märchen aus Tag und Nacht“
Pandora Verlag 2011
14,0x17,0cm , 503 S., 25 Euro
ISBN 978-3-9811145-9-1
Roswitha
Moralic (Text und Gestaltung):
„Die Mär - 2. Buch. Märchen aus Tag und Nacht“
Pandora Verlag 2011
14,0x17,0cm, 428 S., 25 Euro
ISBN 978-3-9811145-0-7
Mit fremden Federn schmückt man sich
nicht
Fereshteh Sarlak, Feeroozeh
Golmohammadi:
„Der kleine Schakal, der ein Pfau
sein wollte“
Von Iris Kersten
Fereshteh
Sarlak und Feerozeeh Golmohammadi
Der kleine Schakal der ein Pfau sein
wollte
Bohem Press,
(Gebundene Ausgabe)
EUR 12,95
ISBN-13: 978-3855814817
Fereshteh Sarlak erzählt die iranische
Dichtung von Dschalaleddin Rumi neu.
„Zum Färberfass begab sich ein Schakal
und blieb im Fass ein Stündchen allzumal.“ (Rumi)
Es ist der sehnlichste Wunsch des kleinen
Schakals, über alle Tiere im Dorf zu herrschen. „Aber ich müsste ein
mächtiger Herrscher sein, […] Stattlich und hoheitsvoll wie ein Pfau.“
Eines Tages träumt er, sein Wunsch wäre in
Erfüllung gegangen, und er verbietet in seinem Traum den Vögeln zu
singen, den Hasen zu hüpfen, den Echsen über das Feld zu kriechen und
den Eichhörnchen auf Bäume zu klettern, den Fleischfressern das Fleisch
und den Grasfressern das Gras zu fressen. „Ja, Eurer Majestät!“, so die
Antwort. Weiter erteilt er so lautstarke Befehle, dass er von seinem
eigenen Geschrei wach wird. Doch sein Traum hat seinen Wunsch nur
vergrößert. Auf der Suche nach einer Lösung schleicht er zum Färber und
„kleistert sich von Kopf bis Fuß mit Farbe ein“, um sich danach am
Pfauenhof zu präsentieren. Von dort, von einem Wächter verscheucht,
macht sich der kleine Schakal nun auf zu seinen Freunden und verlangt
von ihnen als Pfau bezeichnet zu werden. Da aber die anderen Schakale so
ihre Zweifel hegen, will er sein neues Pfauendasein beweisen und springt
von einem Baum, um zu zeigen, wie gut er fliegen kann. Das kann
natürlich nicht gut gehen. Die Freunde begleiten den Verletzten nach
Hause.
Seine Einbildung und Eitelkeit nehmen dann
ein abruptes Ende, als sie ihn fragen, ober er denn ein Rad aus seinem
Gefieder drehen oder gar so schön singen könne wie ein Pfau. Der kleine
Schakal muss klein beigeben: „Nein, kann ich nicht.“ Und als die Freunde
am nächsten Tag wieder bei ihm vorbeischauen, steht er bis zum Hals im
Bach, um sich eifrig die Farben aus dem Fell zu schrubben.
Die Moral von der Geschicht, schmück Dich
mit fremden Federn nicht. Fereshteh Sarlaks Sprache entspricht, kurz und
bündig, gespickt mit viel Dialog, ganz dem Märchenstil. Die
Illustrationen von Feeroozeh Golmohammadi sind ebenfalls märchenhaft und
entführen den Betrachter in ein Land aus 1000 und einer Nacht.
Für Kinder ab 4 Jahren
Märchen in
vivo: Die erste Wahl
„Märchen aus
aller Welt“ mit Bildern von Nikolaus Heidelbach
Von Miriam
Schneider
Hans-Joachim
Gelberg:
„Märchen aus
aller Welt“
Mit Bildern von
Nikolaus Heidelbach
Beltz 2010
375 Seiten,
Euro 39,95
ISBN:
978-3407799739
Es waren einmal
hunderte von Märchensammlungen, wie es sie in den letzten Jahrzehnten
immer mal gegeben hat. Ab und an kommt eine neue hinzu, und so auch im
Jahre 2010: Ein großformatiges, an seinem roten Schutzumschlag
erkennbares Märchenbuch – 61 Märchen, darunter solche, die man kennt,
und solche, die man nicht kennt. Der legendäre Hans-Joachim Gelberg hat
sie ausgewählt, und der dekorierte Nikolaus Heidelbach hat sie
illustriert. Sprachlich ist das alles sauber, ebenso von der Komposition
Bild – Text her. Natürlich.
Und doch stellt
sich die Frage: Warum? Warum eine weitere Märchensammlung? Warum noch
eine?
„Märchen aus
aller Welt“ (so der wenig originelle, aber treffende Titel) ist edel
aufgemacht, gut gebunden, mit kräftigem, schönem Papier. Entscheidend
aber sind die Illustrationen, denn sie sind es, die das Buch von den
Vorgängern abheben.
Über sie sich
Gedanken zu machen, fällt leicht, weil sie Aufmerksamkeit erzwingen.
Kein Betrachter wird sie als nebensächlich abtun können, und gleich zu
Beginn wird man mit einem offenen Sarg, in dem Skelett und Schädel, der
eine Krone trägt, liegen, konfrontiert. Als nächstes auch keine
Entspannung: Es folgt eine lachende Frau ohne Schneidezähne und sodann
ein Zwerg ohne Pupillen. Diese Bilder sind weiß Gott nicht jedermanns
Sache. Sie verweigern sich jeder Oberflächlichkeit, sie steigern sich
durch ihr farbenfrohes Gepräge zu spannungsgeladenen Widersprüchen, die
einen zwingen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Sie sind wie Märchen,
grausam und zugleich schön, und deswegen passen sie wunderbar zum
Kontext der Märchenhandlungen. Sie suggerieren keine gute alte Zeit, in
der man in gute alte Gesichter blickte. Sie weichen nicht im
Disney-Geschmack die Härten auf. Es sind Illustrationen, die Märchen
ihre Dramatik lassen, und darum sind es Bilder unserer Zeit zu Märchen
für unsere Zeit. Das macht diese Kunstwerke im positiven Sinne so
sonderbar.
Wer im Meer der
Märchensammlungen nach etwas von Wert sucht, das nicht nur das
historische Thema Märchen abhaken soll, für den ist diese Sammlung die
erste Wahl.
In ungewöhnlicher Reimform
Roswitha
Moralic: "Dasselbe in Grün"
Von Kathrin
Schmidt
Roswitha
Moralic:
„Dasselbe in
Grün“
Mit 17 Collagen
von der Autorin
Pandora 2010
33 Seiten, Euro
13
ISBN
978-3-981114-57-7
Das Märchen hat
eine lange Tradition in Europa, und obwohl immer wieder totgesagt, lebt
es munter weiter und wird durch neue, phantasievolle Varianten
bereichert. Zum Text tritt bisweilen auch das Bild, und es ist ein
Glücksfall, wenn Autor und Künstler in Personalunion ein Buch
erschaffen. Wie in „Dasselbe in Grün“. Roswitha Moralic hat ihren aus
der Norm herausstechenden Text mit ihrer schon aus früheren Büchern
bekannten Collagekunst vereint. Der Text: Ein Märchen in ungewöhnlicher
Reimform; zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken. Herausgekommen ist
ein originelles – ja, mehr als das: ganz für sich stehendes Bilderbuch
(übrigens auch schön in Druck und Ausführung, auch da merkt man die
Liebe zum Detail), das man nicht einfach durchblättern und weglegen
kann. Es regt an zum Nachdenken, weil nichts typisch ist, weil die
Bilder sich im Kopf festsetzen und der Text einlädt, ihn oft zu lesen.
Eine Tradition wird in „Dasselbe in Grün “ fortgesetzt und um einen
modernen künstlerischen Beitrag erweitert.
(ab 5)
Ein etwas zu ernstes Märchenbuch
Erich Jooß/Maren
Briswalter: „Die Zauberfeder“ Geschichten wie Träume
Von Brigitte
Bjarnason, Hafnarfjördur
Erich
Jooß:
„Die
Zauberfeder – Geschichten wie Träume“
Mit
Illustrationen von Maren Briswalter
Verlag Sankt
Michaelsbund 2009
150 S., Euro
19,90
ISBN:
978-3-939905-31-8
Das Buch „Die
Zauberfeder“ ist eine bunt zusammengewürfelte Sammlung von Märchen,
Fabeln und Legenden. Es sind überwiegend recht kurze, gut lesbare
Erzählungen, die wie Träume mal traurig, mal fröhlich sind und das Ende
meistens offenlassen. Die Texte sind einfühlend erzählt und regt zum
Nachdenken an, da auch Themen wie Alter, Tod und Glauben an Gott
angesprochen werden. Die Aufmachung und das klare angenehme Schriftbild
zeichnen das Buch besonders aus. Die Illustration ist ein wichtiger
Bestandteil der Geschichten. In der liebevollen, in sanften Farben
teilweise ganzseitigen Illustration kommt der märchenhafte Charakter des
Buches verstärkt zum Ausdruck.
„Die
Zauberfeder“ wird Märchenliebhabern gefallen. Einige, der mehr als
Kunstmärchen charakterisierten Geschichten, hatten für mich jedoch einen
zu starken melancholischen Unterton.
Von der Spinne, von der Freundschaft
Mouchi
Blaise Ahua: "Aurelia und das adoptierte Mädchen"
Von Susan
Müller
Mouchi
Blaise Ahua:
Aurelia und das
adoptierte Mädchen
BoD 2009
56 S., Euro 6
978-3837089479
Aurelia hat
einen afrikanischen Vater und eine deutsche Mutter. Mit dieser geht sie
auf den nahegelegenen Spielplatz, wo sie Fatima kennenlernt. Fatima ist
ein afrikanisches Mädchen, und da Aurelia nicht auf den Mund gefallen
ist, entwickelt sich bald ein Gespräch zwischen den Kindern.
Fatima erzählt
von ihren richtigen Eltern in Afrika und ihren deutschen Eltern.
Interessiert hört Aurelia zu. Als die beiden sich trennen, verspricht
Fatima, beim nächsten Treffen ein afrikanisches Märchen zu erzählen.
Daheim berichtet Aurelia ihrem Vater von Fatima, und der klärt seine
Tochter darüber auf, dass Fatima adoptiert ist. Aurelia erzählt auch
ihrem Freund Julian von der neuen Bekanntschaft, und nun wollen beide
samstags mit ihren Eltern zum Spielplatz, um Fatima zu treffen. Nicht
ganz einfach, aber schließlich klappt’s. Die drei spielen erstmal das
neu erlernte Spiel „Kette im Sand“ - aber Aurelia hat das Märchen nicht
vergessen.
Fatima erzählt.
Sie erzählt die spannende Geschichte vom klügsten Tier. Julian und
Aurelia nie darauf gekommen wären, dass es da um, ja um die Spinne geht.
Die drei geben sich das Versprechen, in Zukunft öfter miteinander zu
spielen, zumal auch die Mütter miteinander ins Gespräch gekommen sind.
Schön erzählt,
wie toll es Kinder schaffen unbelastet und vorurteilslos Freundschaften
einzugehen, ungeachtet der Herkunft und Hautfarbe.
Dem Original entsprechend
Märchen aus
1001 Nacht
Von Nazli
Hodaie
„Märchen
aus 1001 Nacht“
Mit Bildern von
Karl Mühlmeister
Bearbeitet von
Karl Heinz Berger und Regina Hegner
Thienemann Verlag,
2009
304 S., Euro
16,90
ISBN
978-3522181808
Kein weiteres
orientalisches Werk hat das westliche Orientbild so nachhaltig geprägt
wie die sogenannten „Erzählungen aus den Tausendundein Nächten“, wie die
Sammlung in der Übersetzung von Enno Littmann genannt wird. Nicht nur
fanden (und finden) die Europäer die Bestätigung all ihrer
Orientklischees in den Erzählungen, auch gestalteten sie die zahlreichen
Übersetzungen, Bearbeitungen und Nacherzählungen von 1001-Nacht nach
ihrer Vorstellung vom Orient, so dass das Ergebnis in den allermeisten
Fällen als Widerspieglung eben dieser Wahrnehmung zu bezeichnen ist.
Auch und vor
allem
die auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen 1001-Nacht-Ausgaben sind
von dieser Aussage nicht auszuschließen. Sie enthalten im Text wie in
der Illustration viele Spuren, die auf das Orientbild ihrer jeweiligen
Bearbeiter bzw. Illustratoren hindeuten. Dies ist auch im Falle der 2009
bei Thienemann erschienenen, von Karl Heinz Berger und Regina Hegner
bearbeiteten 1001-Nacht-Ausgabe nicht anders.
Die Ausgabe
enthält die Erzählungen, die im Großen und Ganzen in jeder
1001-Nacht-Ausgabe für junges Leserpublikum vorkommen, etwa „Die Reisen
Sindbads des Seefahrers“, „Ali Baba und die vierzig Räuber“, „Aladin und
die Wunderlampe“, um nur die berühmtesten Beispiele zu nennen. Die
bearbeiteten Erzählungen erweisen im Vergleich zu vielen anderen
Ausgaben für Kinder und Jugendliche eine verhältnismäßig größere
Zurückhaltung bei ausschweifenden Beschreibungen, z.B. was die
Darstellung von unermesslichen Reichtümern betrifft. Jedoch beinhalten
sie – selbst wenn in geringerem Maße – noch immer Elemente, die ein
stereotypes Orientbild an den Tag legen und als solches die
Orientwahrnehmung der jungen Leserschaft mitgestalten. Auf der Ebene der
Illustration gehören dazu insbesondere Palmen und Halbmonde. Im Text macht sich
diese Aussage durch häufige Anwendung vom „Allah“ bemerkbar, ein
Substantiv, das in neutraler Form mit „Gott“ zu ersetzen wäre, in der
hier verwendeten Form jedoch eine islamisch-orientalische Atmosphäre
assoziiert. Ähnlich funktioniert der arabische, hier als „Salem aleikum“
falsch zitierte Gruß ( – richtig wäre „as-Salam Alaikum“ –), der einem
„Guten Tag“ gleich käme. Möglicherweise deuten derlei Ausdrücke auf die
Neigung der Bearbeiter hin, den auf Kinder und Jugendliche
zugeschnittenen Erzählungen das Kolorit zu verpassen, das ihrer
Vorstellung nach im Orient vorherrscht.
Eine andere
Besonderheit, die die vorliegende Ausgabe mit den anderen gemein hat,
ist, die Fiktion als Faktenüberträger zu betrachten und zu bezeichnen.
Damit wird übersehen, dass die Volkserzählung unbeachtet ihrer Herkunft
zwar von Fakten durchsetzt ist, diese jedoch stets im Dienste der
Fiktion stehen. Die Volkserzählung kann daher nicht ohne Weiteres als
Wissensquelle zum Kennenlernen fremder kultureller Praktiken
herangezogen werden. Gerade dies wird allerdings in beinahe allen
1001-Nacht-Ausgaben für Kinder und Jugendliche plädiert. Dementsprechend
soll auch der „(Vor-)Leser“ der Thienemann-Ausgabe „viel
Wissenswertes, vielleicht sogar Neues, über orientalische
Machtstrukturen – wie beispielsweise die Art und Weise kluger
Rechtsprechung – [erfahren] oder […] verschiedene kulturelle Traditionen
kennen[lernen], die in der damaligen Zeit gepflegt wurden“ (S. 9). Es
ist diese Auffassung, die die im Original nicht existenten
Verallgemeinerungen, die von den Bearbeitern zur Erklärung (unbekannter)
kultureller und religiöser Phänomene in die Erzählungen eingebaut
werden, erst recht problematisch macht – so z.B.: „[Es ist] für einen
Moslem Pflicht […], vor Gericht zu erscheinen, wenn er nicht gegen die
Gesetze seiner Religion verstoßen will.“ (S. 262)
Trotz dieser
Ähnlichkeiten im Bearbeitungsverfahren unterscheidet sich die von Karl
Heinz Berger und Regina Hegner bearbeitete 1001-Nacht-Ausgabe jedoch in
einigen Punkten von vielen anderen Ausgaben: Die Hervorhebung der
Sinnlichkeit und der Erotik im Text und vor allem in der Illustration, die in
den Ausgaben nach 2005 eindeutig in Erscheinung tritt, fehlt hier fast
vollständig. (Im Falle der Illustrationen ist dies auf ihr
Entstehungsdatum (1913) und auf den zu dieser Zeit üblichen Umgang mit
der Erotik in den 1001-Ausgaben für Kinder und Jugendliche
zurückzuführen.) Außerdem entsprechen die bearbeiteten Erzählungen in
ihrem Verlauf bis auf einige wenige Ausnahmen dem Original – was
angesichts der teilweise sehr auffälligen Veränderungen in den anderen
Ausgaben für Kinder und Jugendliche nicht selbstverständlich ist und der
Ausgabe daher zugute gehalten werden muss. Als nächster Unterschied ist
die bereits erwähnte Reduzierung der übertriebenen Darstellungen – unter
anderem
von Reichtümern – zu bezeichnen, womit das von allen anderen Ausgaben
für Kinder und Jugendliche bereitwillig wiedergegebene Klischee der
orientalischen Pracht nicht mehr bedient wird.
Abschließend
sei noch auf die als positiv zu bewertende „Worterklärung“ hingewiesen,
mit der der Text ausgerüstet ist und die den jungen Leser bei der
Lektüre unterstützt. Eine solche Textverständnisstütze lässt sich
allerdings nicht nur auf diese 1001-Nacht-Ausgabe beschränken.
(Ab 6)
Die Rezensentin ist am Lehrstuhl für Didaktik der
deutschen Sprache und Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München
tätig. Von ihr liegt als wissenschaftliche Arbeit vor: „Der Orient in der deutschen Kinder- und
Jugendliteratur. Fallstudien aus drei Jahrhunderten“ (Peter Lang 2008)
Aus
altbekanntem etwas ganz Neues
Karla
Schneider: "Wenn ich das 7. Geißlein wär'"
Von Berta
Berger
Karla
Schneider
„Wenn ich das
7. Geißlein wär’“
Mit Bildern von
Stefanie Harjes
Boje Verlag,
2009
40 S., Euro
14,95
ISBN: 978-3414821836
Kinder lieben
Gedankenexperimente. Sie beflügeln die Fantasie, fördern die
Sprachentwicklung und setzen kreative Ideen frei.
In dem
Bilderbuch „Wenn ich das 7. Geißlein wär´“ wird genau das erreicht. Die
Geschichte ist ein bisschen bekannt. Es ist die Rede vom bösen Wolf und
von Rotkäppchen. Vom Jäger und von den sieben Geißlein – und doch ist
alles neu.
Zwei Kinder
vertreiben sich die Zeit im Krankenhaus damit zu überlegen: "Was wäre
wenn ... Wenn ich das siebte Geißlein wär´ oder der böse Wolf aus
Rotkäppchen oder der Jäger?"
Dass aus dem
Altbekannten etwas ganz Neues wird, ist da nicht mehr verwunderlich. Der
Jäger würde es gar nicht soweit kommen lassen, dass der Wolf das
Rotkäppchen verspeist. Er würde in die Luft schießen und den Wolf
vertreiben. Doch was passiert dann?
Der Wolf wäre
stinkwütend und würde es womöglich auf jemand anderes absehen, nämlich auf
die sieben Geißlein.
Was dort
geschieht, ist ja hinlänglich bekannt, nicht aber, dass der böse Wolf
möglicherweise eine Wölfin war und zwei Junge gehabt hat. Und dann würde
die Geißenmutter es nicht übers Herz bringen, die zwei hilflosen Waisen
wegzuschicken, die sich vor ihrer Tür wiederfinden.
Doch das wirft
schon die nächste Frage auf: Was wäre, wenn die Geißenmutter nicht
wüsste, dass es Wolfsjunge sind, sondern glaubte, es seien kleine Hunde?
Dieses
Bilderbuch ist bestimmt nicht für das herkömmliche Bilderbuchalter
gemacht. Der Text ist ist nicht ganz einfach geschrieben. Auch die
Illustrationen sind für kleinere Kinder nicht nachvollziehbar, aber
Schulkinder haben bestimmt ihren Spaß mit den Bildern und dem Text.
Beides wirft Fragen auf und Eltern, die ihren Kindern nicht gerne Rede
und Antwort stehen, sollten das Buch erst gar nicht kaufen. Es fordert
nämlich Erwachsene ebenso wie Kinder auf, sich auf dieses „Was wäre wenn
...?“ einzulassen.
Die Zeichnungen
erinnern die Leser daran, dass die Erzählerkinder in verschiedene
Rollen, Verkleidungen gleich, schlüpfen. So wird trotz aller Fantasie
ein Stück Realität bewahrt.
Ein sehr
rundes, in sich stimmiges Bilderbuch, an dem Erwachsene wie Kinder
gleichermaßen ihren Spaß haben können – und das einlädt, gemeinsam zu
fabulieren und zu spekulieren, darüber zu reden und vielleicht das eine
oder andere Mal zu fragen, was wäre eigentlich, wenn ...?
Die Rezensentin ist
Märchenbuch-Autorin ("Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen
wollte") und Librikon-Märchenexpertin.
Ein fantasievolles Märchen mit einer
überrraschenden Illustration
Baek Hee Na, Kim
Hyang Soo und Christina Youn-Arnoldi: „Wolkenbrot“
Von Brigitte Bjarnason
Baek
Hee Na Kim Hyang Soo und Christina Youn-Arnoldi
„Wolkenbrot“
Mixtvision 2009
42 S., Euro 13,90
ISBN:
978-3939435198
Auch an trüben Regentagen kann etwas
Spannendes passieren, zum Beispiel, wenn die Mutter Wolkenbrötchen backt und man
plötzlich durch die Luft schweben kann!
„Wolkenbrot“ ist ein liebenswertes
einfaches Märchen ohne große Spannung oder sprühenden Witz. Dennoch ist
der Leser bezaubert von der Geschichte der Katzengeschwister, die so
gerne Wolkenbrötchen essen. Der Text ist klar, fantasievoll und
originell geschrieben.
Im Vordergrund des Buches steht
jedoch die Illustration. Sie überrascht und zieht den Betrachter
unmerklich in ihren Bann. Die fast provokativ wirkenden Collagen stecken
voller Bewegung und vermitteln das Gefühl, einen Film statt ein
Bilderbuch anzuschauen. Die von Kim Hyang Soo und Baek Hee Na
gestalteten Lichtbilder konzentrieren sich auf das Wesentliche und
könnten auch ohne Text den Verlauf der Geschichte beschreiben. Die
Farbgebung ist der Stimmung eines Regentages angepasst, wirkt aber
dennoch weder traurig noch betrübt.
„Wolkenbrot“ ist ein nettes Märchen
mit einer starken beeindruckenden Illustration.
Beliebt, berühmt
Die schönsten Märchen von Wilhem
Hauff
Von Berta Berger
Die
schönsten Märchen von Wilhelm Hauff
Mit Bildern von Mario Grasso
Lappan Verlag 2009
148 S., Euro 19,95
ISBN: 978-3830311409
Neben den Gebrüdern Grimm, Hans
Christian Andersen und Ludwig Bechstein ist wohl Wilhelm Hauff einer der
bekanntesten Vertreter der klassischen Märchen.
So zählen „Kalif Storch“, „Der kleine
Muck“ oder „Zwerg Nase“ zu seinen beliebten Geschichten.
In der Sammlung „Die schönsten
Märchen von Wilhelm Hauff“ kann man die, aber auch andere Märchen von
ihm (wieder-) entdecken. Es sind Märchen, die in fremde Länder
entführen, die uns beim Lesen in frühere Zeiten versetzen - und doch sind
viele Themen ewig aktuell, wie zum Beispiel das Märchen „Das kalte Herz“ mit der
Aussage: „Es ist doch besser, sich mit wenigem zu begnügen, anstatt Gold
und Vermögen zu haben und ein kaltes Herz“.
Interessant ist in dieser Ausgabe
zudem das Nachwort,
das vom Leben und Sterben Wilhelm Hauffs erzählt. Auch wenn manche dazu
neigen, Vor- und Nachwörter zu überblättern, kann ich in diesem Fall
wirklich raten, es zu lesen!
Mario Grasso, ein sehr produktiver,
italienisch-schweizerischer Künstler, ergänzt mit seinen
Illustrationen wunderbar die Geschichten Wilhelm Hauffs. Mit viel Liebe
zum Detail untermalt er Hauffs Märchenwelt, ohne zu viel zu zeigen. Der Fantasie des Lesers
bleibt immer noch genug Spielraum.
Fazit: „Die schönsten Märchen von
Wilhem Hauff“ ist ein rundum gelungenes Buch für alle Märchenliebhaber,
ein Buch, an dem nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene ihre Freude haben
werden.
Die Rezensentin ist
Märchenbuch-Autorin ("Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen
wollte", Autumnus Verlag) und Librikon-Märchenexpertin.
Entführt in zwei Welten
Maria Bernadette Ehrenhuber: „Simon Grimm“
Von Berta Berger
Maria
Bernadette Ehrenhuber:
„Simon Grimm“
Edition Buche 2008
210 S., Euro 15.-
ISBN 978-3902651013
Simon hält sich für
einen ganz normalen Jungen, bis eines Tages die alte Frau Semmelweiß ihm
eine gestreifte Einkaufstasche in die Hand drückt und Simon bittet, für
sie darauf aufzupassen. In der Einkaufstasche befindet sich ein Buch und
Simon heißt nicht umsonst Grimm. Denn er ist ein Nachfahre der Gebrüder
Grimm; das Märchenbuch ist eine Originalausgabe seiner Vorfahren,
geschrieben, um einen Durchgang zwischen der Märchen- und der
Menschenwelt zu schaffen. Bloß weiß Simon das alles zu Beginn der
Geschichte nicht. Erst am Schluss erfährt er von seiner Herkunft – und
welches Erbe wirklich damit verbunden ist.
Plötzlich taucht aus
heiterem Himmel ein wundersamer, riesiger Kater auf, der Simon auf
Schritt und Tritt folgt, seinen Kühlschrank leer frisst und sogar mit
Simon reden kann.
Das Märchenreich,
durch Torwächter mit der Menschenwelt verbunden, ist in Gefahr. Frau
Semmelweiß ist so eine Wächterin. Und sie hat einen Fehler gemacht. Sie
hat ihrem Neffen von dem Märchenbuch, mit dessen Hilfe man ins
Märchenreich gelangen kann, erzählt. Der will das Buch nun um jeden
Preis stehlen.
Die Ereignisse
überstürzen sich: Simon ruft, ohne es zu wissen, Märchenwesen zu sich,
die sich in der Menschenwelt nicht gut zurecht finden und Frau
Semmelweiß wird ihren Wächterposten verlieren, weil sie das Geheimnis
des Buches verraten hat. Das darf aber auf gar keinen Fall passieren,
weil es da noch Herrn Liebknecht gibt, einen Bewohner der Märchenwelt,
dem es sehr leid täte, wenn er Frau Semmelweiß nicht mehr besuchen
könnte. Sie schmieden einen Plan, um die Verbindung zwischen den zwei
Welten zu retten.
"Simon Grimm" entführt
uns in zwei Welten und lässt manche Märchenfiguren in ganz neuem Licht
erscheinen. So ist die Hexe aus "Hänsel und Gretel" in Wahrheit gar
keine, sondern eine Kräuterkundige, die sich um das Wohl der ihr
anvertrauten Kinder kümmert. Und zwischen den drei Müllerburschen aus
dem Gestiefelten Kater gibt es durchaus Missgunst und Neid über das
ungerechte Erbe des Vaters.
Eingewoben in eine
spannende Geschichte, die schon als Kinderkrimi durchgeht, schafft es
die Autorin den jungen Leser bei Stange zu halten und auch Erwachsenen
das eine oder andere Lächeln zu entlocken.
Nachdem ich das
Lesealter für etwa acht Jahre ansetzen würde, wäre eine größere Schrift
wünschenswert, damit sich Kinder damit leichter tun. So oder so. Der
Qualität der Geschichte tut das aber keinen Abbruch.
Die Rezensentin ist selber
Märchenbuchautorin. Von ihr ist erschienen: "Die Prinzessin, die von der
Liebe nichts wissen wollte" (Autumnus Verlag 2008)
Ein Kindermusical zum Anhören, Mitsingen und Anschauen
Härterverlag 2006
38 S.,
Euro 19,90
ISBN: 978-3981080704
(librikon) Der erste Blick ist auch gleich ein zweiter
Blick, denn das Buch kann man nicht kurz streifen und dann vergessen. Es
ist bonbonfarben, man überlegt: übersüßt bonbonfarben?, da ist man schon
in den Bann gezogen und liest und blättert und schaut: Und stellt fest,
dass „Gestatten, Froschkönig“ eigentlich eine Fortführung
disneyähnlicher Märchenfiguren in moderner Farbgraphik ist, aber eine
Spielart, in der die Dinge liebevoll gezeichnet sind, nicht mit dem
Kommerzerfolg als Idee, sondern der Idee, ein gutes Buch für Kinder zu
machen. Dazu wird das Märchen vom Froschkönig erzählt, in freundlichem
Tone, nett und doch originell, ohne sich von den Märchenmotiven zu weit
zu entfernen. Dazu noch Lieder (mit CD), eine Abrundung. Der Mut zu den
auffälligen Illustrationen hat sich gelohnt. Das Ergebnis spricht für
sich: Kinder mögen’s!
(Ab 4)
Modernes Märchen über Mut und Freundschaft
Angelika Bartrams Lilli kann alles bezwingen
Von Simone Edelberg
Angelika
Bartram:
"Lilli
oder Die Reise zum Wind"
Mit
Illustrationen von Daniela Chudzinski
rororo
rotfuchs 2005
238
Seiten, 6,90 €
ISBN-13:
978-3499213182
Im
Kinderbuch "Lilli oder Die Reise zum Wind" erzählt die Kölner Autorin
Angelika Bertram vom windigsten aller Winde, Giacomo Fumo. Auf ihm
lastet ein verhängnisvoller Fluch. Vor vielen, vielen tausend Jahren hat
er sein Herz verloren und ist seitdem durch und durch böse. Einzig die
kleine Lilli kann ihn erlösen; sie ist die Auserwählte.
Doch das
ist nicht so einfach: Lilli ist zwar schon acht Jahre alt und eigentlich
ein sehr mutiges Mädchen. Aber sie fürchtet sich vor dem gruseligen
Wind, der um das Haus heult. Ihre Eltern können Lilli nicht trösten -
sie sind ausgegangen und haben sie zum ersten Mal allein gelassen. Gut,
dass wenigstens ihr treuer Hund Macho zur Stelle ist und sich gemeinsam
mit ihr unter der Bettdecke versteckt! Doch Giacomo Fumo wäre nicht der
windigste aller Winde, wenn es ihm an Einfällen mangeln würde. Und so
entführt er kurzerhand Macho.
Wenn Lilli
ihren Hund retten will, muss sie eine gefahrvolle Reise antreten, die
sie vom Palast der Winde über den Tränensee bin hin zum Reich des
gläsernen Mondes führt. Glücklicherweise steht Lilli ein knollennasiger,
grünhaariger Erdkobold namens Winfried Zitterwurzel zur Seite. Der
besitzt nicht nur Salatblätterohren, sondern auch Verbündete wie die
kecke Elfe Kiko und die weise Windhexe Schiroccina. Außerdem beherrscht
Lilli Taekwondo und das Improvisieren von Zaubersprüchen wie "Klaro paro
ratamaro".
Gemeinsam
gelingt es den Freunden, alle Gefahren zu überwinden, Macho zu retten
und nach allerlei Abenteuern sogar Giacomo Fumo sein Herz zurückzugeben.
Dabei spielen eine fliegende Bettdecke und ein rotes Glücks-Halstuch mit
weißen Punkten eine nicht unwesentliche Rolle. Die phantasievolle und
ereignisreiche Geschichte nimmt Kinderängste wie die Furcht vor der
Dunkelheit oder dem Unbekannten ernst und zeigt den jungen Lesern, dass
auch ungleiche Freunde alles bezwingen können. Das Buch eignet sich zum
Vorlesen und Selberlesen für Kinder ab sieben Jahren.
(Ab 7)
Literarischer Leckerbissen für Märchenliebhaber:
Berta Berger würzt ihre Märchen mit einer Prise Humor
Von Simone Edelberg
Berta
Berger:
"Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte.
Märchen", mit Bildern von Barbara Klingenberg
Autumnus Verlag
2008
219 Seiten, Euro 15,90
ISBN-13: 978-3938531013
Noch ein Märchenbuch? Sicher doch. Genau dieses! Selbst
wenn schon Dutzende Märchensammlungen in Ihrem Schrank stehen: In der
zauberhaften Anthologie "Die Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen
wollte" von Berta Berger erfahren Sie mit Sicherheit noch etwas Neues.
Denn die österreichische Nachwuchsschriftstellerin verlässt mit ihren
Geschichten ausgetretene Pfade. Sie lockt Leser und Vorleser in ein
fantastisches Märchenreich, in dem Könige auch schon mal ungeküsst
bleiben und einfache Handwerksburschen das Herz der Prinzessin gewinnen.
Dabei verknüpft Berta Berger geschickt die klassische Erzähltradition
mit modernen Motiven, vermeidet den erhobenen Zeigefinger, der vielen
anderen Märchen eigen ist und würzt alles mit einer Prise Humor.
Wer schon immer wissen wollte, ob auch hässliche
Prinzessinnen ihren Traumprinzen bekommen, wie man einen König zum
Lachen bringt oder ob es Schweine mit goldenen Borsten gibt, der findet
in den 22 stimmungsvollen Märchen von Berta Berger die Antwort. Die
Geschichten entführen für kurze Zeit in eine andere Welt, wie nur
Märchen dies vermögen. Nicht nur Kinder werden die farbenfrohen
Erzählungen lieben, sondern auch erwachsene Märchenfreunde. Die Länge
der Geschichten ist ideal zum Vorlesen und Selberlesen. Berta Berger hat
bereits zahlreiche Märchen und Kurzgeschichten veröffentlicht. Mit "Die
Prinzessin, die von der Liebe nichts wissen wollte, legt die Autorin
jedoch eine Auswahl ihrer besten Geschichten vor. Der literarische
Leckerbissen für alle großen und kleinen Märchenliebhaber wird durch die
verspielten Illustrationen von Barbara Klingenberg wunderbar ergänzt.
Die Rezensentin ist
Journalistin in München.
Ein Buch, von dem alle Kinder profitieren können:
„Reise in die Zauberwelt“
Von Berta Berger
Heljä
Abersdörfer:
„Reise in
die Zauberwelt“
„Journey
to the Magic World“
edition
Bi:Libri 2008
28 S.,
13,50 Euro
ISBN:
978-3938735114
Zweifarbig, zweisprachig? Nein, sogar dreisprachig finde ich dieses
Bilderbuch, denn die Illustrationen sprechen ihre eigene Sprache. Einfach
und die kindliche Fantasie anregend, müssen Kinder die Geschichte gar
nicht lesen (oder vorgelesen bekommen), um zu erraten, worum es in dem
Buch geht. Dennoch
wäre es schade, auf den Text zu verzichten. Die Handlung ist einfach:
Alina möchte gerne Prinzessin sein, schon damit spricht sie die
allermeisten kleinen Mädchen an, denn welches hätte nicht diesen Traum? Mit ihrer
Oma geht sie in einen Vergnügungspark und vergisst dort ihr
heißgeliebtes Kuscheltier, das Lämmchen Lulu. Lulu aber
erlebt in dieser Nacht eine Reise in die Zauberwelt, zu der die lebendig
gewordenen Karussellfiguren, allesamt Prinzessinnen, sie mitnehmen.
Zur
Dämmerung verliert sich der Zauber, die Figuren kehren zum Karussell
zurück und Lulu wird vom Parkwächter gefunden. Oma wartet schon auf sie
und bringt sie zu Alina. Jedes Kind
darf dann selbst überlegen, ob Lulus Erlebnisse nun tatsächlich passiert
sind, oder ob alles nur ein Traum war. Das
Besondere am diesem Buch ist allerdings, dass der Text zweisprachig ist.
Auf jeder Seite folgt die deutsche Passage in blauer Schrift, dann die
englische in schwarzer, sodass sie auch optisch schön voneinander
getrennt sind. Diese
Gestaltung wurde konsequent bis zur letzten Seite durchgehalten. Es gibt
ein Verzeichnis der wichtigsten Substantive, ebenfalls in Blau und
Schwarz.
Eine
besondere Überraschung gibt es auch noch: Hinten schließt ein
Bastelbogen für eine „Anziehpuppe“ zum Ausschneiden an – mit deutscher
und englischer Anleitung. Außerdem
gibt es ein paar Tipps, wie man mit dieser Anziehpuppe spielen kann, um
auch das zweisprachige Reden zu üben. „Reise in
die Zauberwelt“ ist nicht nur für zweisprachig aufwachsende Kinder
geeignet, ich hatte ebenfalls Spaß daran, meine Englischkenntnisse
wieder aufzufrischen. Und auch Kinder, die in der Schule Englisch als
Fremdsprache lernen, können von dem Buch profitieren.
Das Buch
gibt es übrigens nicht nur in Deutsch-Englisch, sondern auch in
Deutsch-Französisch, Deutsch-Italienisch, Deutsch-Türkisch,
Deutsch-Spanisch und Deutsch-Griechisch. Ein Lob an
den Verlag Edition bi:libri! Manche reden bloß von Völkerverständigung,
bi:libri tut auch was!
Die Rezensentin ist Autorin und
Librikon-Märchenexpertin.
Bricht Märchenklischees
Und ein ganz leichter Hauch Groschenroman:
Margaret Grays „Prinzessin Julia und der Bonbonprinz“
Von Francisca Hoyer
Margaret
Gray:
"Prinzessin Julia und der Bonbonprinz"
Aus dem
Amerikanischen von Bettina Obrecht
dtv junior
2008
272
Seiten, Euro 7,95
ISBN
978-3-423-71280-4
Eine Welt, in der sich Reales mit Magischem vermischt,
ein Happy End, bei dem das Gute über das Böse siegt und Protagonisten,
die eindeutigen Typen zuzuordnen sind - das alles bildet den Rahmen für
traditionelle Märchen. Margaret Gray bricht diese Märchenklischees in
ihrem Buch „Prinzessin Julia und der Bonbonprinz“ immer wieder auf und
etabliert eine Märchenwelt mit modernen Handlungsträgern.
Prinzessin Julia trifft bei einem Spaziergang auf Irwin,
einen zehnjährigen Bonbonverkäufer, und seinen Freund Seymour, der auf
der Heldenakademie ist. Irwin verliebt sich in Julia, Julia verliebt
sich in Seymour und Seymour liebt sich selbst. Doch auf Grund von
Streitereien und Missverständnissen trennen sich die Wege der drei
Freunde wieder, bis zu dem Tag, an dem der König einen Wettstreit um die
Hand seiner mittlerweile fünfzehnjährigen Tochter ausrichten lässt.
Der klassische Märchenanfang „Vor langer, langer Zeit“
leitet das erste Kapitel ein. Es folgt eine Aufzählung von Bildern aus
traditionellen Märchen, durch die der Geschichtenerzähler die Welt, in
der die Geschichte spielen wird, mit all ihren Eigenarten und
Besonderheiten auf bezaubernd witzige Art und Weise behauptet. Märchen
werden als die damals aktuellsten Schlagzeilen beschrieben und tauchen
auch im Verlauf der Geschichte immer wieder als aktuelle Geschehnisse
auf. Und so finden sich neben einer Rapunzel-Adaption auch verschiedene
Elemente aus „Dornröschen“ und „Der Froschkönig“.
Die in den traditionellen Märchen angelegten Typen, etwa
die vollkommene Schönheit oder die böse Hexe, werden von Margaret Gray
auf leicht absurde und unerwartete Art und Weise immer wieder gebrochen.
Das Königsehepaar beantwortet ganz in „Dr. Sommer-Manier“ Leserbriefe in
Liebesangelegenheiten, Julias Schwestern, zwei Hexen, haben geschworen
„nur noch in den Ferien nach Hause zu kommen“ und Julia selber leitet
bereits mit knapp elf Jahren aufgeklärt die Staatsgeschäfte. Dieser
geschickt angelegten Leichtigkeit der Figuren wirkt ihre eigene, leicht
überzogene Selbstreflexion entgegen, die dem Ganzen den Hauch, aber
wirklich nur einen ganz luftig leichten Hauch, eines Groschenromans
überstülpt.
Am Ende siegt nicht, wie im traditionellen Märchen, das Gute über das
Böse, da es keinen wirklich Bösen gibt. Alles wendet sich lediglich zum
Guten und löst sich in Wohlgefallen auf. Ein kitschiges Ende, ganz im
Sinne eines Märchens, egal ob modern oder traditionell.
Für märchenkundige Leser entwickelt sich durch die
beschriebene Einflechtung von bekannten Märchenbildern und das
Aufbrechen von Klischees eine ganz eigene Komik.
(Ab 9)
Francisca Hoyer ist Mitarbeiterin der
Librikon-Redaktion.
Bitte
beachten Sie auch die Rezension von Aleaxander Kostinskijs Buch "Davids
Träume" ("Etwas zum Verweilen") in der Rubrik "Das Eine Buch")