Marcus Sedgwick versucht sich in einer Geschichte
über viele Zeitzonen, in denen sich die Protagonisten immer wieder
begegnen - sieben Mal. Am Anfang Eric und Merle genannt, erhalten sie
in den anderen Monden andere Namen, aber es handelt sich immer wieder um
ihr Wiedersehen. Es beginnt mit dem Blumenmond 2073, als Eric sich auf
eine Insel begibt, die ihm bekannt vorkommt, als wäre er schon hier
gewesen. Seine Gedanken sind frei. Und so beginnt die Reise in die Monde
davor, immer mit seiner Merle. Die Reise geht zurück ins Jahr 2011, wo
vom Heumond die Rede ist. Der nächste Sprung ereignet sich ins Jahr
1944, dem Kornmond, zurück. 1902 erzählt die Begebenheit im Fruchtmond
und immer gibt es Feinde und Freunde, alle sind die ähnlich geartet wie
in den anderen Jahren oder Monden, nur haben andere Namen oder
Funktionen. Weiter zurück geht es zum Jägermond, 1848, gefolgt vom
Schneemond im 10.Jahrhundert. Der Blutmond macht seinem Namen alle Ehre
und sein Datum ist unbekannt.
Der Kreis schließt sich im Jahre 2073, denn dann
sind die sieben Leben gelebt und Eric ergibt sich seinem Schicksal. In
allen sieben Monden respektive Leben suchen sich die beiden, finden sich
und lieben sich, ganz egal in welchem Zusammenhang und mit welchen
Namen. Merle will ohne ihren Geliebte nicht sein und folgt ihm in die
Ewigkeit. Es ist ein mystisches, teilweise brutales Werk, aber es ist
ersichtlich: Ohne Liebe geht es auch nicht, um den Lesestoff vollendet
zu gestalten.
Bei „Sieben Monde“ ist es schon vonnöten, dass sich
der Leser selbst den einzelnen Epochen mit seinen jeweiligen
Protagonisten hingibt und selbst das eventuelle Geheimnis der Insel
ergründet, welches diese rund um eine Pflanze und den Alterungsprozess
umgibt. Vielleicht findet sich dort auch die Antwort auf Sieben Leben.
Marcus Sedgwick:
„Sieben Monde“
Aus dem Englischen von RenateWeitbrecht
Dtv 2014
240 Seiten, Euro 14,95
ISBN
3-423-65007-9
Ein bisschen unspektakulär
Mechthild Gläser: "Stadt aus Trug und Schatten"
Von Anne Spitzner
Mechthild
Gläser:
"Stadt aus Trug und Schatten"
Loewe Verlag 2012
412 S., Euro 17,95
ISBN
978-3785574027
Flora ist eigentlich
ein ganz normales Mädchen, das denkt sie jedenfalls. Doch schon bald
kommt sie nicht mehr zur Ruhe, weder Tag noch Nacht, denn sie ist
plötzlich zu einer Wandernden geworden. Nacht für Nacht macht sich ihre
Seele auf den Weg nach Eisenheim, einer sonderbaren Stadt ohne Farbe und
Licht. Dort muss sie feststellen, dass sie ein früheres Ich besitzt,
welches ein großes Geheimnis bewahrt hat und diese gewichtige Aufgabe an
Flora übergeben hat. Leider hat sie ihr nicht mehr als ein paar
spärliche Hinweise überlassen, sodass Flora erst einmal selbst
herausfinden muss, wer sie ist und was sie getan hat. Auch Marian, der
in der realen Welt zu ihrer ohnehin schon sehr sonderbaren Familie
stößt, macht Floras Leben nicht gerade leichter. Als er schließlich auch
noch in Eisenheim auftaucht, bringt er Flora völlig durcheinander. Er
ist undurchschaubar und scheint Flora etwas sehr Wichtiges zu
verheimlichen. Deshalb weiß Flora lange nicht, auf welcher Seite er
eigentlich steht, ob er ihr hilft oder nur haben will, was alle zu haben
scheinen wollen, den weißen Löwen. So kann sie sich auch nicht sicher
sein, was sie für ihn empfindet. Er ist ihr viel zu vertraut, obwohl sie
ihn eigentlich hassen will. Aber auch die restlichen Bewohner Eisenheims
sind nicht das, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Flora
weiß nur eins: sie darf hier niemanden vertrauen, nicht einmal sich
selbst.
Mechthild Gläsers Roman
„Stadt aus Trug und Schatten“ ist genau das Richtige für alle Liebhaber
des Fantasygenres. Allerdings geht es hier ausnahmsweise einmal nicht um
Vampire. Vielmehr werden sehr innovative Gedanken verarbeitet, sodass
man Althergebrachtes hier vergebens sucht. Die Idee, dass die Seelen von
allen schlafendenden Menschen Nacht für Nacht ins Schattenreich reisen,
ist sehr reizvoll und wird gekonnt umgesetzt. Der Roman enthält sehr
viele Details, die so manchen Sachverhalt durch genaue Beschreibungen
sehr plastisch wirken lässt, andere spannende Dinge jedoch etwas
untergehen. So hofft der Leser ständig auf weitere Informationen, was
die Spannung beim Lesen deutlich erhöht und der Phantasie freien Lauf
lässt.
Die Hauptfigur Flora
ist anfangs etwas unsympathisch, was daran liegen könnte, dass sie
glücklicherweise nicht gerade dem Ideal eines Mädchens entspricht. Sie
ist irgendwie anders, ohne dass man sagen kann, worin dieses Anderssein
besteht. Im Laufe der Handlung kann man sich aber immer mehr in sie
hineinversetzen und fiebert auf der Suche quer durch Eisenheim mit ihr
mit. Dazu trägt auch die Figur des geheimnisvollen Marian, die ihr an
die Seite gestellt wird, bei. Auch die Figur des Eisernen Kanzlers, der
einer der Widersacher Floras ist, ist sehr reizvoll. Die Stärke des
Buches liegt, neben der bis zum Schluss anhaltenden Spannung, also vor
allem in der Ausarbeitung der Figuren und auch des Schauplatzes.
Eisenheim wird derart anschaulich beschrieben, dass man es förmlich vor
Augen sieht, die Kälte spürt und den Gestank riecht.
Insgesamt wirkt der
Roman ein wenig konstruiert und teilweise verwirrend. Die Erwachsenen
sind sehr unselbstständig und niemand scheint in den entscheidenden
Momenten genauer hinzuschauen. Dadurch ergeben sich erst die
Missverständnisse und Rätsel, die die Handlung tragen. Das Ende lässt
ebenfalls viele Fragen offen und wirkt ein bisschen unspektakulär, wenn
man nicht weiß, dass dies der Auftakt zu einer Trilogie ist.
„Stadt aus Trug und
Schatten“ ist in einer angemessenen Sprache geschrieben und lässt sich
flüssig lesen. Empfehlenswert ist der Roman für Leser ab zwölf Jahren,
eignet sich aber auch durchaus für Erwachsenen, die Interesse an der
Thematik haben.
Ein gutes Stück Fantasy
Andreas Hartmann: „Der Herr der Wolken“
Von Miriam Schneider
Andreas
Hartmann:
„Der Herr der Wolken“
Rowohlt 2008
320 S., Euro 12,95
ISBN 978-3499214608
Dass es das schon gibt! Ein Klassiker in
einem neuen Genre. Aber so ist es: Fantasyromane treiben nun seit Jahren
ihr Wesen und Unwesen, und nun sind sie bei freudig zu bewertenden
Kategorien angelangt. Also: „Der Herr der Wolken“ von Andreas Hartmann
ist eine klassische Fantasygeschichte mit Zauberer, mit Held, mit Suche
nach Rettung der Welt.
Die positiven Unterschiede zu den zu
Tausenden bedruckten Seiten mit Fantasyschrott sind greifbar: In „Der
Herr der Wolken“ ist die Hauptfigur ein Junge, der nichts flaches
Heldisches an sich hat. Weder greift er zu magischen Schwertern noch übt
er sich in bösen Blicken – seine Qualitäten liegen in seinem Charakter.
Allein das gibt schon den einem Roman angemessenen Tiefgang. Aber zu
einem empfehlenswerten Leuchtturm in der Sparte „Fantasy“ wird das Buch
durch weitere wichtige Differenzen. Die Konstruktion des Feindes, die
anderen Fantasy-Büchern meist jede Qualität raubt, ist sehr gelungen.
Der Feind ist hier – übrigens der Debutroman eines jungen,
vielversprechenden Nachwuchsautors- nicht unheimlich böse, ist kein dem
Alp entsprungenes Höllenwesen, sondern: Es gilt ein Naturereignis zu
bekämpfen, das von den Bösen herausgefordert wurde. Durch diese
kindgerechte Nachlagerung des verschreckend Grausamen halten sich die
großen Begegnungen mit dem furchtbaren Unbekannten in Grenzen.
Damit entfernt sich das Buch von der
schwammigen All-Age-Fantasy, bei der man nicht so genau hinschauen darf,
wenn man sie Kindern geben will, und gehört vielmehr zu dem, was in der
Lesekindheit an Werten eine Rolle spielen sollte. So ist „Der Herr der
Wolken“ ein gutes Stück Fantasy-Kinderliteratur.